Tatjana Pokorny
· 05.05.2023
Sechs Tage hält das Spitzenduell der vierten Ocean-Race-Etappe Segler und Fans schon in Atem. Mit 15 Führungswechseln seit dem 30. April sorgen Team Malizia und 11th Hour Racing für Hochspannung auf Kurs Newport. Bei sechs Seemeilen Vorsprung lagen an Tag 13 Will Harris und seine Crew auf “Malizia – Seaexplorer” vorn
Nach jeweils erfolgreichen Halsen am Morgen des 13. Tages auf See setzten die Spitzenreiter im Ocean Race ihr erbarmungsloses Duell unvermindert fort. Zuletzt hatte Team Malizia mit Etappen-Skipper Will Harris in den auslaufenden Passatwinden noch einmal Boden gutmachen können. Inzwischen haben die beiden führenden Boote in leichteren Winden um zwölf Knoten an Speed verloren. Mit 15, 16 Knoten Geschwindigkeit segelten Team Malizia und das US-Team 11th Hour Racing am Abend des 5. Mai in nordwestlicher Richtung der direkten Kurslinie in den Etappenhafen Newport entgegen.
Mit den Halsen am Morgen hatte sich Charlie Enrights Mannschaft auf “Mālama” zunächst einen theoretischen Vorteil im Tracking erworben, weil sie der Anlegelinie auf der “Innenbahn” näherrückten. Doch Will Harris und die Malizianer konnten ihren kleinen Vorsprung von rund sechs Seemeilen über den Tag recht gut verteidigen, während die Boote auf die Südostküste der USA zusteuerten.
Vor den Teams im Dauerduell liegen gleich mehrere Ungewissheiten: Zum einen wird der Wind erneut drehen – dieses Mal direkt vor ihnen. Zum anderen werden sie auf den Golfstrom treffen, der nach Nordosten drückt. Die letzten Tage dieser vierten Ocean-Race-Etrappe versprechen kompliziert zu werden. “Da sind viele Übergänge, die noch nicht klar sind”, sagte Rennmeteorologe Christian Dumard. Nach wie vor rechnen die Veranstalter mit der Ankunft der beiden Spitzenreiter am 10. Mai. Weniger klar ist indessen, wie sie die Ziellinie erreichen werden.
Am heftigsten gelitten hat zuletzt Paul Meilhats französisches Team Biotherm. Am Vortag war es noch bis auf 40 Seemeilen an das Top-Duo herangekommen. Doch dann ging es ab dem frühen Freitagmorgen stramm abwärts im Klassement. Wie in Zeitlupe und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur noch vier Knoten trudelten Paul Meilhat und seine Crew auffällig langsam voran. An Land wuchsen die Sorgen, das Team könne mit technischen Problemen zu kämpfen haben, doch das war nicht der Fall.
Team Biotherm war schlicht und ärgerlich in eine Wetterfalle getappt und in ein riesiges Flautenfeld geraten, das zuvor von keinem Modell und keiner Prognose vorhergesehen worden war. “Wir sind einfach von einer spiegelglatten See umgeben. Alles fragen uns, ob wir etwas kaputtgemacht haben. Doch das Einzige, was hier nicht stimmt, ist der Wind”, funkte Mariana Lobato von See durch.
Am Nachmittag konnte Team Biotherm endlich wieder Fahrt aufnehmen. Doch bis dahin hatte Team Guyot den zuvor großen Rückstand auf “Biotherm” erheblich reduzieren können. Am Freitagabend trennten das Guyot Environnement – Team Europe nur noch rund 60 Seemeilen vom plötzlich wieder in Reichweite wirkenden dritten Patz. Bedenkt man, dass Team Guyot noch am Morgen des Vortages mehr als 300 Seemeilen hinter den führenden Booten und 240 Seemeilen hinter Team Biotherm zurückgelegen hatte, ist es wohl die bislang bemerkenswerteste Aufholjagd auf dieser vierten Etappe im Ocean Race.
Damit haben sich “Guyot”-Skipper Ben Dutreux, Co-Skipper Robert Stanjek aus Berlin, Annie Lush und Navigator Seb Simon eine faire Chance erkämpft, doch noch einmal in den Kampf um die Podiumsplätze einzugreifen. Sicher war fünf Tage vor dem Finale nur eines: Diese Etappe ist noch lange nicht entschieden und wird den Crews weitere Hürden in den Weg stellen.