Antigua Sailing WeekDie Mutter aller Karibik-Rennen - Ein Fest für die Sinne

Fabian Boerger

 · 06.06.2025

Die "Wave Walker", USA, setzte sich vor atemberaubender Kulisse Antiguas in ihrer Klasse durch.
Foto: Antigua Sailing Week/ Paul Wyeth
Die Antigua Sailing Week gehört zu den Top-Events im internationalen Segelkalender. Jedes Jahr zieht sie Regattafans aus aller Welt in die Karibik. Doch was macht das traditionsreiche Rennen so besonders, und wie will es sich gegen die zunehmende Konkurrenz behaupten? Ein Ortsbesuch.

Drei, zwei, eins, Start. Ein Horn ertönt direkt an Steuerbord. Skipper Lennart Davidsson zieht kräftig am traktorreifengroßen Steuerrad der „Kialoa III“, sodass das über 30 Tonnen schwere Aluminiumschiff anluvt. Sanft legt es sich auf die Seite und überquert in Rauschefahrt die Startlinie – ein perfekter Nullstart.

Im selben Moment wird es mittschiffs hektisch. „Auf geht’s. Go, go, go“, ruft ein junger Mann und feuert zwei andere an, die an den Grindern kurbeln, als hinge ihr Leben davon ab. Die Schoten knarren und knacken auf den eisernen Winschen, während Hunderte Quadratmeter Segel allmählich dichtgeholt werden. Die „Kialoa III“, 79 Fuß lang, 1974 gebaut und entworfen von Sparkman & Stephens, rauscht gemeinsam mit drei weiteren Rennyachten in Richtung Luvtonne.

Ideale Segelbedingungen unter tropischer Sonne

Es ist April und der vierte Renntag der Antigua Sailing Week (ASW) hat begonnen. In Deutschland erreichen die Temperaturen nur zögerlich die zehn Grad. Inzwischen herrschen vor Antigua ideale Segelbedingungen: tropische 28 Grad, Sonnenschein und konstante 10 bis 15 Knoten Passatwind. 1979 gewann die „Kialoa III“ zum ersten Mal das Rennen in Antigua. Jetzt ist sie zurück. Als älteste Yacht von insgesamt 53 Booten feiert sie vor der malerischen Felsenküste von English Harbour den Abschluss der karibischen Regattasaison.

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Seither hat sich die Antigua Sailing Week zu einem der traditionsreichsten Rennen in der Region entwickelt. Ursprünglich war sie als Marketinginstrument gedacht, um für Antiguas Segelrevier zu werben. „Mittlerweile gilt sie als Mutter der karibischen Regatten“, sagt Alison Sly-Adams, die Präsidentin der Antigua Sailing Week.

Steigende Teilnehmerzahlen durch Charterboote

In den Anfangsjahren waren es vor allem die Fahrtenyachten der ansässigen Hoteliers, die vor der Küste gegeneinander antraten. Später, als der Tourismus auf der Insel populärer wurde, kamen immer mehr Charterboote hinzu. Damit gingen steigende Teilnehmerzahlen einher. In den Rekordjahren der Neunziger nahmen weit über 200 Crews an der Regatta teil.

Die „Warthog“ segelt unter antiguanischer Flagge und mit größtenteils lokaler Crew. Sie belegte den zweiten Platz in ihrer Klasse.
Foto: Fabian Boerger

Ursprünglich führte der Kurs die Flotte rund um die Insel. Das war für viele ein echtes Highlight, da man gemeinsam segeln und das Land entdecken konnte. Doch im Laufe der Jahre nahmen immer mehr Rennyachten teil. Kojen, Toiletten und Innenausstattung wurden zugunsten der Performance ausgebaut, was längere Törns allerdings weniger komfortabel machte. Deshalb konzentrierten die Organisatoren das Geschehen auf einen zentralen Ort.

Die Antigua Sailing Week steht für großartige Partys und jede Menge Spaß – sowohl an Land als auch auf dem Wasser.

Ein Großteil der Veranstaltung findet seitdem im English Harbour statt. Der kleine Ort und Naturhafen bietet Seglern eine ideale Infrastruktur: Restaurants, Bars, Segelmacher, Takler und Bootsausrüster sind bequem zu Fuß erreichbar. Dort finden auch die zahlreichen Livekonzerte, täglichen Siegerehrungen und festivalähnlichen Events, wie das „Reggae & Rum“ oder der „Lay Day“, statt.

Antigua Sailing Week: “Großartige Party und jede Menge Spaß”

Denn neben den kompetitiven Rennen auf dem Wasser schätzen viele Segler die entspannte karibische Atmosphäre an Land. „Die Antigua Sailing Week steht für großartige Partys und jede Menge Spaß – sowohl an Land als auch auf dem Wasser“, sagt Lennart Davidsson.

Das ist einer der Gründe, warum der Skipper der „Kialoa III“ nach Antigua kam. Zuvor hatte er bereits mehrere Monate in der Karibik verbracht. Mit einer bunt gemischten Crew aus einer kleinen Stammbesatzung, Chartergästen und Einheimischen segelte er von Regatta zu Regatta: zuerst die Grenada Sailing Week, dann das Caribbean 600 und schließlich die Heineken Regatta.

Die Crew der "KH+P Revival" unter Skipper Jakob Oetiker setzte sich am Ende in ihrer Klasse durch. | Fabian Boerger

Teilnehmer vorwiegend aus den USA und Europa

Er ist nicht allein damit: Jedes Jahr bleiben zahlreiche Crews aus den USA und Europa den Winter über in der Karibik und kehren im Frühling in ihre heimischen Gewässer zurück. In diesem Jahr starten Segler aus sechzehn Nationen. Neben Teams aus der Karibik und den USA sind auch viele Europäer dabei, vor allem aus Großbritannien. Außerdem nehmen drei deutsche und ein Schweizer Team teil.

Vor allem der Süden Antiguas gilt als Mekka des Segelns:

Die einzigartige Kombination aus landschaftlicher Schönheit, idealen Segelbedingungen mit konstanten Passatwinden und historischen Stätten wie dem Nelson Dockyard macht das Segelrevier vor English Harbour zu einem der begehrtesten in der Karibik.Die einzigartige Kombination aus landschaftlicher Schönheit, idealen Segelbedingungen mit konstanten Passatwinden und historischen Stätten wie dem Nelson Dockyard macht das Segelrevier vor English Harbour zu einem der begehrtesten in der Karibik.

Die Vielfalt zeigt sich auch bei den Booten: Von 70-Fuß-Rennmaschinen wie der Volvo 70 „Pyewacket“ von Roy Disney über J-Class-Yachten und Swans bis hin zu Charterbooten segelt alles auf derselben Regattabahn. Auch die Crews sind bunt gemischt: Ehemalige und aktuelle Olympiateilnehmer, America’s-Cup-Segler, Amateure und Regattaneulinge segeln hier gemeinsam. ASW-Präsidentin Sly-Adams betont: „Für viele ist das eine Inspiration.“


Warm und windig: Karibik-Rennen im Überblick

  • Die Heineken Regatta auf Sint Maarten gehört zu den größten Segel-Events in der Karibik und findet jährlich Anfang März statt. Bekannt für das Motto „Serious Fun“, verbindet die Regatta an vier Tagen intensiven Wettkampf mit allabendlichen Partys, die schon Kult-Charakter haben. 107 Boote aus 30 Ländern nahmen in diesem Jahr an der 45. Auflage des Rennens teil.
  • Die St. Barths Bucket Regatta ist besonders bei Fans großer Yachten beliebt. Diese exklusive Veranstaltung für Superyachten findet jedes Jahr im März auf st. Barthélemy statt. Rund 30 Superyachten, egal ob Sloop, Ketsch oder Schoner, sowie prominente Segler, darunter viele America’s-Cup-Veteranen, nahmen in diesem Jahr an der 31. Ausgabe teil. Neben dem sportlichen Wettbewerb spielt, wie bei vielen Karibik-Events, auch das gesellige Beisammensein der Teilnehmer eine große Rolle.
  • Die RORC Caribbean 600 ist ein anspruchsvolles Offshore-Segelrennen, das jährlich im Februar von Antigua aus startet. Organisiert vom Royal Ocean Racing Club, führt die 600-Meilen- Strecke um elf karibische Inseln. Es ist bei internationalen Top-Seglern und hochkarätigen Yachten beliebt. Drei deutsche Teams nahmen in diesem Jahr an der 16. Ausgabe teil.
  • Die Spring Regatta, die Ende März auf den Britischen Jungferninseln stattfindet, ist bekannt für ihre vielfältigen Rennkategorien und spektakulären Segelbedingungen. In diesem Jahr fand die Fun-Regatta mit 61 Booten aus 13 Ländern bereits zum 51. Mal statt und lockte zahlreiche Segler in die Nanny Cay Marina auf Tortola. Der Spaß steht bei dem Rennen an oberster Stelle. Ähnlich wie bei der Antigua Sailing Week ist die Teilnahme auch für Gäste über Bareboatoder Kojencharter auf einem der Regattaboote möglich.
  • Alljährlich im April, direkt vor der Antigua Sailing Week, feiert auch die klassische Segelszene mit der Antigua Classic Yacht Regatta den Abschluss der Karibik-Saison. Seit 1967 findet das Spektakel zum Ende der Charter-Saison statt. Für viele der edlen Klassiker geht es im Anschluss zurück in entlegene Heimathäfen über den Atlantik.

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Antigua Sailing Week ist Herausforderung und Faszination zugleich

Für Rennleiter Jaime Torres stellt das eine Herausforderung dar. Er muss die unterschiedlichen Boote und Erfahrungsstufen berücksichtigen und dennoch einen reibungslosen und sicheren Ablauf gewährleisten. Seine Lösung: eine Vielzahl von unterschiedlich langen Kursen. „Für die großen Boote haben wir lange Strecken vorgesehen, auf denen sich die Crews austoben und auch alle großen Segel setzen können“, sagt Torres. Die restliche Flotte absolvierte meist kürzere Kurse.

Doch eines haben sie unabhängig von der Klasse, in der sie segeln, gemeinsam: das atemberaubende Panorama der Südküste mit ihren schroffen Klippen, dem türkisen Wasser und den kräftigen, warmen Farben. Laut Torres sind es diese Aussichten, gepaart mit den beständigen Bedingungen, die die Antigua Sailing Week so besonders machen.

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Tolle Landschaften und packende Rennen

Abseits der malerischen Landschaften liefern sich die Teams auf dem Wasser packende Wettkämpfe. Während die „Pyewacket“ von Roy Disney das Feld der Volvo-Racer klar dominiert, geht es in den anderen drei der vier Rennklassen heiß her. Die „Wave Walker“, eine US-amerikanische Swan 58, holt sich den Sieg in der zweiten Rennklasse. Die „Kialoa III“ landet dort auf dem letzten Platz. Allerdings ist sie auch das mit Abstand älteste Schiff.

In der insgesamt größten Gruppe der Regatta kann die italienische „Caccia Alla Volpe“ den Sieg einfahren, gesteuert von Carlo Falcone, dem ehemaligen Olympiasegler und Vater von Shannon Falcone, der schon als Crewmitglied am America’s Cup und auch beim Volvo Ocean Race teilnahm.

“El Ocaso” gewinnt Lord Nelson Trophy

Den wichtigsten Sieg kann wiederum der Brite Steve Rigby mit seiner Crew erringen. Mit der gecharterten J122 „El Ocaso“ gewinnen sie zum dritten Mal in Folge die Lord Nelson Trophy. Diese Trophäe geht an das Boot mit der schnellsten korrigierten Gesamtzeit, basierend auf der gesegelten Strecke. „Wir sind wirklich sehr zufrieden. Es fühlt sich an wie die am härtesten umkämpfte Regatta, an der ‚El Ocaso‘ je teilgenommen hat“, sagt Rigby.

In der Bareboat-Klasse, in der vorwiegend Charteryachten segeln, setzt sich die Schweizer Crew um Skipper Jakob Oetiker durch. Der pensionierte Chirurg aus Zürich ist bereits ein alter Hase bei der Antigua Sailing Week. 2004 nahm er zum ersten Mal teil und ist seitdem etwa alle zwei Jahre wieder dabei.

Es ist Mix aus Karibik-Feeling und sportlichem Wettbewerb: Das lieben die Europäer – da bin ich sicher nicht der Einzige. Jakob Oetiker

Alle weiteren Ergebnisse finden Sie hier auf der Seite der Antigua Sailing Week

Deutsche bei Antigua Sailing Week vor allem in Bareboat-Klasse

Die Teilnahme mit vor Ort gecharterten Booten ist besonders bei deutschsprachigen Seglern beliebt. Über viele Jahre hinweg waren sie stark vertreten. In diesem Jahr stammten drei der zehn gemeldeten Bareboats aus Deutschland und eines kam aus der Schweiz.

Das hat unter anderem mit dem Engagement der deutschen Charterfirma KH+P zu tun. Laut Veranstalter hat keine andere Organisation mehr Crews zur Antigua Sailing Week gebracht. Schon früh half das Unternehmen, in Deutschland für die Regatta zu werben. 1997 erreichte die Teilnahme deutschsprachiger Teams mit 40 Crews ihren Höhepunkt. In den folgenden Jahren waren es durchschnittlich 17 Crews.

Sinkende Teilnehmerzahlen seit einigen Jahren

Diese Zeiten sind jedoch vorbei. In den letzten Jahren sind die Teilnehmerzahlen stetig gesunken. Nach Angaben der Veranstalter haben sie sich bei rund 100 Booten eingependelt. In diesem Jahr waren es sogar noch weniger: 2025 meldeten lediglich 53 Crews.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen nimmt die Zahl der Regatten und Fun-Events in der Karibik immer weiter zu. Allein in Antigua gibt es drei: Antigua Sailing Week, das Caribbean 600 und die Antigua Classic Yacht Regatta. Und in der unmittelbaren Umgebung kommen weitere hinzu – darunter die Heineken Regatta und die Spring Regatta auf den Britischen Jungferninseln.


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Zum anderen beginnt die Regattasaison im Mittelmeer und an der US-Ostküste mittlerweile früher. Die Palma-Vela auf Mallorca, die früher im Mai stattfand, fällt jetzt auf denselben Termin wie die Antigua Sailing Week. Und bereits Mitte April, zwei Wochen vorher, findet die Charleston Race Week an der US-Ostküste statt, eine der größten Segelveranstaltungen in Nordamerika. Für viele der Rennyachten bedeutet das, dass sie früher als gewohnt aus der Karibik in ihre Heimat zurückkehren müssen und an der ASW nicht mehr teilnehmen können.

Neues Konzept für Antigua Sailing Week 2026

Deshalb haben die Organisatoren der Antigua Sailing Week das bisherige Konzept überarbeitet. Zum einen soll eine neue Veranstaltung, die Antigua Race Week, eingeführt werden. Sie wird einen Monat früher, vom 18. bis 22. März, stattfinden und ist hauptsächlich für reine Racer und ambitionierte Crews gedacht.

Parallel dazu wird sich die traditionelle Antigua Sailing Week stärker auf Fahrtenyachten und Katamarane konzentrieren, deren Zahl in der Karibik deutlich gestiegen ist. Das neue Format soll besser zu dieser Entwicklung passen und zugänglicher sowie spaßorientierter sein, ähnlich einer Rallye, sagt die ASW-Präsidentin Sly-Adams.

Alle Infos zur Antigua Sailing Week finden Sie hier.

Der genaue Termin steht zwar noch nicht fest, allerdings soll die Veranstaltung ein paar Wochen früher stattfinden als bisher. Sly-Adams erklärt: „Die Antigua Racing Week soll den Anforderungen und der Konkurrenz der Rennboote gerecht werden, während wir auch ein passendes Angebot für die Cruiser schaffen möchten.“

“Der Ort an dem man sein sollte”

Ende Mai wird auch Lennart Davidsson mit der „Kialoa III“ zurück nach Schweden segeln, da bei ihm ebenfalls die nächste Regatta schon auf seiner Liste steht: das Rund-Gotland-Rennen Ende Juni. Für ihn ist die Antigua Sailing Week der feierliche Abschluss der Karibik-Saison. Davidsson sagt: „Es ist der Ort, an dem man zu dieser Jahreszeit sein sollte.“

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