America’s CupSilberkanne bald zurück in Amerika? – “B3” enthüllt

Max Gasser

 · 26.04.2024

Kam gestern nur kurz aus dem Hangar: American Magics neuer AC75
Foto: Job Vermeulen/ America's Cup
Die amerikanischen Herausforderer um Tom Slingsby haben ihren fliegenden Untersatz für den 37. America's Cup erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Wie viel Magie der neue AC75 von American Magic schon jetzt versprüht

Mit American Magic hat der nächste Herausforderer für den 37. America's Cup seine neue AC75-Rennyacht enthüllt. Zuvor war das Boot von der Werft in Portsmouth, Rhode Island, zur neuen Teambasis in Barcelona geflogen worden. Dort startet am 22. August die letzte Vorregatta, bei der alle sechs Cupper zum ersten Mal gegeneinander antreten werden. Darauf folgt der Louis Vuitton Cup (29. August bis 7. Oktober) und ab dem 12. Oktober schlussendlich das eigentliche Match um die Silberkanne.

Nachdem “B3” gestern mit angehobenen Foilarmen ohne die tatsächlichen Tragflächen und ohne Ruder wie ein Vogel anmutend aus dem Hangar geschoben wurde, hat das Team bereits erste Messungen und Tests durchgeführt. Der Mast hing schon am Kran über dem Boot, wurde dann allerdings aus nicht ersichtlichen Gründen nicht gestellt. Stattdessen verschwand der neue Cupper wenig später wieder hinter verschlossenen Toren.

Weitere Erprobungen sollen in den nächsten Tagen erfolgen, bevor es nach der offiziellen Taufe auch für die Amerikaner erstmals aufs Wasser geht. “Der heutige Tag ist ein wichtiger Schritt im Prozess. Wir freuen uns auf die Tests auf See und die weitere Entwicklung in den kommenden Monaten”, so Terry Hutchinson, Chef der Segelangelegenheiten bei American Magic. Insgesamt stecken bereits über 108.000 Konstruktionsstunden und 65.000 Baustunden in der Rennyacht, die den America’s Cup zurück ins Clubhaus des New York Yacht Club holen soll.

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Scow-Bow jetzt auch im America’s Cup?

Zwar haben fünf der sechs Teams ihr finales Design bereits präsentiert und teilweise bereits mehrfach gesegelt, eine stichfeste Prognose, ob das gelingen kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt allerdings kaum möglich. Zu viel Gewicht liegt auf den bisher größtenteils noch nicht öffentlichen Foils und in den ausgeklügelten Systemen, die sich zweifelsohne unter den cleanen Decks verbergen.

Rein optisch lassen sich dennoch einige Besonderheiten der “Patriot”-Nachfolgerin feststellen. Auf den ersten Blick wirkt diese vor allem breiter als ihre Konkurrenz, das ist allerdings aufgrund des Regelwerks nicht möglich. Der Eindruck entsteht viel mehr daher, dass der US-amerikanische AC75 deutlich flacher konstruiert ist. Im Verhältnis zum eher voluminösen Decksaufbau scheint der Bustle am Unterwasserschiff, zudem weniger ausgeprägt zu sein.

Das tiefe Marineblau von “B3” und die eher schlichten Designakzente auf dem Deck in verschiedenen Grautönen machen derartige Beobachtungen allerdings denkbar schwierig. Klar zu erkennen ist dennoch der sehr voluminöse Bug. Während die Italiener und Neuseeländer ein aggressiv ausgestelltes Bugprofil gewählt haben, das bis zu den Folienarmkästen reicht, läuft American Magics Bugdesign in stumpfem Winkel zu, wird also sehr schnell breit. Damit erinnert die Frontsektion beinahe an einen der in der Offshore-Szene derzeit typischen Scow-Bows. In Anbetracht der Bedingungen im Cup-Revier vor Barcelona dürfte er auch eine ähnliche Wirkung erzielen und vor allem die Gefahr von Nosedives reduzieren.

Wie sich American Magics “B3” von den anderen Designs abhebt

Wie bei anderen AC75s der neuen Generation fällt das Vordeck zur Schiffsmitte leicht ab. Über dem Deck entstehen in der Regel die meisten Verwirbelungen, weshalb die Ingenieure hier viel Zeit investiert haben dürften. Das Vorsegel wird wie auch das Großsegel bis aufs Deck gezogen und lässt die Yacht gemeinsam mit dem Bustle an der Unterseite des Rumpfes als eine Einheit zum Wind wirken. Der Druckausgleich zwischen Lee und Luv wird bestmöglich reduziert. Zum Heck ist der Bustle zudem verringert, allerdings erst deutlich weiter hinten und vor allem weniger radikal als noch bei “Patriot” im Rahmen des 36. America’s Cup. In ähnlicher Form ist das bei allen neuen AC75s zu sehen.

Die bislang vorgestellten Designs für den 37. America’s Cup setzen zudem auf Gewichtsreduktion im Heckbereich, indem sie die reduzierte Crewanzahl und das Wegfallen von Backstagen ausnutzen. Die Schweizer von Alinghi Red Bull Racing haben ihren Cockpit-Kapseln gar einen harten Cut verpasst. Das dahinterliegende Deck ist komplett flach. American Magics “B3” hingegen scheint auch hier am meisten Volumen vorzuweisen. Zwar wirken die Pods für die Crew insgesamt recht flach, fallen allerdings erst sehr langsam und weit hinten zum Heck hin ab.

Das könnte auf die Positionierung der Crew, zu der beim anstehenden America’s Cup auch wieder Radfahrer zählen dürften, genauso wie auf technische Einbauten oder aerodynamische Faktoren zurückzuführen sein. Letztere spielen eine immer größere Rolle, selbst die Ruder werden zum Teil mehr nach aero- als nach hydrodynamischen Maßgaben entwickelt, da viel Fläche die meiste Zeit ohnehin oberhalb der Wasseroberfläche verbringt.

Bringt Tom Slingsby den America’s Cup zurück nach Amerika?

Auch die Crewpositionen sind so gewählt, dass sie möglichst geringen Windwiderstand erzeugen und insbesondere die Steuerleute dennoch einen guten Überblick behalten. Bisher haben alle Teams den Trimmer in der vorderen Kapsel, gefolgt vom Steuermann und den beiden Radfahrern im hinteren Teil. Diese befinden sich in einer fast zeitfahrähnlichen Position mit gesenktem Kopf, den sie nur sehr selten heben.

Nicht zuletzt dank Superstar Tom Slingsby und seinem kongenialen Partner Paul Goodison an den Steuerrädern, zählt American Magic zweifelsohne zu den Top-Favoriten. Neben den Veteranen vom vergangenen America’s Cup sollten allerdings auch die Newcomer nicht unterschätzt werden. Alinghi ist als einziges Team zwar notgedrungen bereits auf neuen Foils unterwegs, konnte damit allerdings schon jetzt für Aufsehen sorgen.

Die Tragflächen weisen eine große Spannweite bei geringem Volumen vor und sind mit fast unsichtbaren Doppelklappen und nach oben gebogenen Flügelspitzen ausgerüstet. Sie scheinen also für frühes Fliegen optimiert zu sein, was auch erste Tests zeigten. Die Schweizer hoben sich bei nur 6,5 - 7,5 Knoten Wind in die Luft, was eine beeindruckende Leistungssteigerung gegenüber den Booten der ersten Generation darstellt.

Mit dem französischen Orient Express Team, das seinen Boliden als einziger Rennstall noch unter Verschluss hält, könnte es in den nächsten Wochen eine weitere Überraschung geben.


Die ersten Bilder der neuen America’s-Cup-Yacht im Video:


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