Es ist ein besonderer Moment, als “BoatOne” am Freitagabend in dichten Nebel gehüllt aus der Halle kommt. Rund eineinhalb Jahre nachdem sich Alinghi als erstes Team im Cup-Revier von Barcelona niedergelassen hatte, sind es auch die Cup-Sieger von 2003 und 2007, die als erste ein neues Boot präsentieren.
Mit dem tiefen Bustle und dem offenen, flachen Heck sind die markantesten Auffälligkeiten trotz der schwierigen Lichtverhältnisse beim Launch schnell erkannt. Denn der in der Schweiz gefertigte AC75 ist eine Weiterentwicklung der siegreichen Yacht des vergangenen 36. America’s Cup. Mit “Te Rehutai” hatten die Neuseeländer das Renngeschehen vor Auckland damals dominiert. Als Trainings- und Entwicklungsplattform eingesetzt, konnte der foilende Monohull auch im aktuellen Zyklus bereits glänzen.
Ein logischer Ansatz für alle Teams wird es gewesen sein, das Design von “Te Rehutai” an die Bedingungen vor Barcelona anzupassen und im Rahmen des aktuellen Regelwerks noch schneller zu machen. Folgerichtig haben die Schweizer Eidgenossen den sogenannten Bustle am Unterwasserschiff besonders zum Heck hin deutlich vergrößert. Er geht tiefer, ist um einiges voluminöser und hat in sich nochmals eine Abstufung, sozusagen einen Bustle am Bustle. Die auch als Skeg bekannten Untersätze hatte man 2021 auch beim britischen Team gesehen und dienen weder gegen Abdrift noch als Ballast. Stattdessen soll beim Take-off möglichst schnell die benetzte Fläche und damit der Reibungswiderstand des Rumpfes zu verringert werden, gleichzeitig aber noch ausreichend Auftrieb und damit Stabilität gegeben sein.
Außerdem wirkt dieser “Langkiel” in der Flugphase wie eine Trennwand. Er wird möglichst dicht an der Wasseroberfläche gefahren und verhindert so den Druckausgleich zwischen Luv- und Leeseite unter dem Bootsrumpf hindurch. Das ist derselbe Effekt wie etwa die auf dem Deck aufliegenden Vor- und Großsegel.
Besonders in der anspruchsvollen und bei Wettfahrtbedingungen bis zu zwei Meter hohen Welle vor der Küste der katalanischen Hauptstadt kann das entscheidend sein, um gut durch die Welle, oder nach einem Splashdown schnell wieder auf die Foils zu kommen. Sind die Bedingungen besonders rau, kann “BoatOne” so zudem recht problemlos etwas tiefer geflogen werden. Der Bustle bremst wenig, wenn er in einzelne Wellen eintaucht oder übers Wasser glitscht, gibt aber sofort etwas Auftrieb und Stabilität.
Bei derartigen Bedingungen sind auch Nosedives für die fliegenden Cupper immer wieder ein Problem. Neben Gewichtsersparnis und aerodynamischen Vorteilen könnte das ein Grund gewesen sein, weshalb die bisher bis zum Heck durchgezogenen Cockpit-Kapseln für die Crew an beiden Seiten des Rumpfes bei “BoatOne” deutlich vor dem Spiegel abrupt enden. Die “Kotflügel” ziehen zuvor leicht in die Schiffsmitte, um eine möglichst turbolenzenfreie Umströmung des Rumpfes zu gewährleisten. Überhaupt ermöglicht wurde das maßgeblich durch den gewonnen Platz aufgrund der reduzierten Crewanzahl von zwölf auf acht Segler im Regelwerk für den 37. America’s Cup. Auch der Einsatz von Radfahrern ist wieder erlaubt und wird bei vielen Teams erwartet.
Durch das damit komplett flache Heck entfällt Volumen in diesem Bereich, wobei die Bugsektion durch Wölbungen, die eine Düse in Richtung des Vorsegels bilden, zeitgleich etwas voluminöser erscheint. So sollte der Alinghi-Cupper besser abheben, sofern sich das Heck nicht festsaugt, wofür wiederum der Bustle sorgen sollte, und zudem weniger den Drang haben nach vorne in die Welle einzutauchen.
Im Kampf um die älteste Sporttrophäe der Welt werden allerdings vor allem die Foils eine entscheidende Rolle spielen. Während das Ruder nichts überraschendes bereithält, wurden die Mainfoils bisher noch nicht präsentiert. Stattdessen waren sie bei der Enthüllung von einer klobigen Schutzhülle verdeckt und werden voraussichtlich längstmöglich unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten. Denn wie beim Cupper selbst, darf auch nur ein Satz Tragflächen gebaut werden, welcher dann auch bei allen Bedingungen zum Einsatz kommt. Eine schwierige und wegweisende Design-Entscheidung, die perfekt auf das Revier zugeschnitten sein muss. Denn rein seglerisch wären mehrere Foils zweifelsohne sinnvoll. Um die Kosten einzudämmen, ist das jedoch nicht erlaubt. Mit Ersatzfoil kostet ein Satz AC75-Tragflächen laut Dr. Martin Fischer, Chief Designer bei Ineos-Britannia und Foil-Experte, drei bis dreieinhalb Millionen Euro.
Nach der feierlichen Enthüllung samt Auftritt der renommierte katalanische Theatergruppe La Fura Dels Baus als menschliches Segel, wird Alinghis America’s Cupper dennoch in den nächsten Tagen auf die Bootstaufe und die ersten Tests im Wasser vorbereitet.
Zeitgleich werden bereits weitere Enthüllungen erwartet. Gut verpackt haben, neben der Rennyacht von INEOS Britannia, auch der französische AC75 vom Orient-Express Team sowie American Magics Cupper Barcelona erreicht. Luna Rossa hat angekündigt, ihr Boot für den 37. America’s Cup am 13. April der Öffentlichkeit zu präsentieren. Lediglich von den Verteidigern vom Emirates Team New Zealand ist rund sechs Monate vor dem ersten Startschuss noch immer nichts bekannt.