Liebe Leserinnen und Leser,
am Sonntag beginnt die Regatta der XXXIII. Olympischen Spiele. Der 28. Juli markiert den Auftakt für die Windsurfer und die Skiff-Akteure. Gefordert sind die iQFoil-Könner Sebastian „Basti“ Kördel und Theresa „Resi“ Steinlein, beide vom Norddeutschen Regatta Verein, Marla Bergmann und Hanna Wille vom Mühlenberger Segel-Club sowie die für den Bayerischen Yacht-Club startenden Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger. Alle sechs Athleten aus dem Olympia-Kader der Segelnationalmannschaft stehen vor ihrer Olympia-Premiere. Diesen Lebenstraum haben sie sich mit viel harter Arbeit und großer Leidenschaft für ihren Sport erfüllt.
Jetzt soll er weitergehen, der Traum auf der olympischen Weltbühne. Ab 1. August eröffnen im Ilca 7 Philipp Buhl (NRV/SCAI) und im Ilca 6 Julia Büsselberg (VSaW) ihre Serien. Ab 2. August feiert die 470er-Mixed-Flotte mit Simon Diesch/Anna Markfort (WYC/VSaW/JSC) olympische Premiere. Einen Tag danach steigen die schnellen Kieler Nacra-17-Foiler Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer (KYC) in ihre zweiten gemeinsamen Spiele ein. Las, but not least sind ab 4. August die neuolympischen Formula-Kiter mit Jannis Maus (Cuxkiters) und Leonie Meyer (NRV) gefordert.
Für insgesamt 330 Segler, Windsurfer und Kiter – 165 Frauen und 165 Männer – ist es die bildschöne Bucht von Marseille, in der sie sich bewähren und Großes leisten wollen. In Tagestemperaturen deutlich jenseits der 30 Grad treten sie zum heißen Tanz in kühlen Fluten an. Sie wollen in der Hitzeschlacht zeigen, was sie können, ihre Stärken ausspielen, schneller und smarter sein als die Konkurrenz.
Nicht wenige von ihnen werden sich fest vorgenommen haben, möglichst alles wie bei jeder anderen Regatta auch zu machen, konzentriert ihre Routinen abzurufen, sich auf Gelerntes zu besinnen, den Gipfelsturm einen Schritt nach dem anderen anzugehen. So weit die Theorie.
Olympia aber ist keine normale Regatta.
Schon die riesigen Countdown-Uhren an den Startschiffen signalisieren das XXXL-Format der Spiele. Der Medienauflauf übersteigt die übliche überschaubare Zahl an Berichterstattern im internationalen Segelsport um ein Vielfaches. Der Wunsch nach Erfolg ist noch größer als sonst, weil schon die Chance dazu schwerer zu erkämpfen und seltener zu erreichen ist als beispielsweise bei Welt- oder Europameisterschaften, wo jeweils viele Athleten einer Nation teilnehmen dürfen. Im olympischen Segelsport darf es nur ein Boot oder Board pro Land und Disziplin geben.
Das größte Sportfest der Welt lässt bekannte Horizonte explodieren wie ein Kaleidoskop.
Beide sind griechischen Ursprungs: Olympia und das Kaleidoskop. Olympia ist die griechische Ortschaft, in der zwischen 776 vor Christus und 393 nach Christus alle vier Jahre Sportwettkämpfe stattfanden. Nicht öfter, weil die Athleten von einst oft lange Reisen unternehmen mussten, um Olympia zu erreichen. Das Kaleidoskop ließ zwar erst 1816 der schottische Physiker David Brewster patentieren, doch soll es wie Olympia schon bei den alten Griechen bekannt gewesen sein. Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Kaleidoskop: schöne Formen sehen.
Die Essenz – Schönes, Spannendes, Großes zu sehen, zu erleben und zu erreichen – verbindet Olympia und das Kaleidoskop. Wer als Sportler kann, umarmt die Spiele. Das ist leichter gesagt als getan. Denn auch der Druck, der auf den Sportlern lastet, den sie sich selbst auferlegen oder der in Form von Erwartungshaltungen, Hoffnungen und Wünschen von außen kommt, ist bei Olympischen Spielen so viel höher als sonst irgendwo. Nicht immer sind Ziele und Wille mit Tagesform, Möglichkeiten und dem Spiel der Konkurrenz vereinbar.
Mit den insgesamt 10.500 Olympioniken in Paris und den anderen französischen Gastgeberstädten werden Mütter, Väter, Kinder, Freunde und Fans in aller Welt mitfiebern. In Deutschland sind die Daumen für 463 Athleten gedrückt. Vor drei Jahren in Japan beendete die deutsche Olympiamannschaft die Spiele mit Rang neun im Medaillenspiegel. Zu zehnmal Gold, elfmal Silber und 16-mal Bronze trugen die Segler in Enoshima mit einmal Silber durch die 49er-FX-Crew Tina Lutz/Susann Beucke (Chiemsee Yacht-Club/NRV) sowie zweimal Bronze für die 49er-Segler Erik Heil/Thomas Plößel (NRV) und Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer (KYC) bemerkenswert stark bei. Die drei Medaillen gewannen sie am 3. August binnen unvergesslicher dreieinhalb Stunden. Erik Heil, der inzwischen am Aufstieg des deutschen Teams im SailGP arbeitet, prägte damals das Bild, sagte: „Das war ein Giganten-Tag für den deutschen Segelsport.“ 21 Jahre hatten deutsche Medaillenjäger unter Segeln nicht mehr drei Medaillen bei den Spielen gewonnen. Schon gar nicht an einem Tag.
„Die größte Kunst bestand darin, vor dem Finale nicht an die Medaille zu denken, denn sonst kann ich nicht mehr segeln, weil der Druck einfach zu groß wird“, sagte Steuerfrau Tina Lutz nach dem größten Erfolg ihrer Karriere in Enoshima.
Was wird den 14 deutschen Seglern, Windsurfern und Kitern in der Bucht von Marseille gelingen? Kann sich der 2020er-Weltmeister Philipp Buhl im dritten Anlauf seinen großen Traum von der Olympiamedaille in der engen Ilca-7-Spitze mit mindestens sieben Medaillenkandidaten erfüllen? Kann iQFoil-Windsurfriese Sebastian Kördel wieder zu der Form auflaufen, in der er 2022 so mitreißend Weltmeister wurde und 2023 die herausragende Leistung als Vizeweltmeister bestätigte? Kann das 470er-Duo Simon Diesch und Anna Markfort die klar ins Visier genommene Medaille bei der olympischen Mixed-Premiere erkämpfen und damit auch die gesamte deutsche Trainingsgruppe ehren, die sie so stark gemacht hat? Können Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer trotz der Hürden, die sie auf Kurs Marseille nach Verlust ihres Trainers zu nehmen hatten, noch einmal so glänzen wie in Marseille? Wozu werden die weiteren deutschen Olympia-Novizen in Frankreich imstande sein?
Weder die Fragen nach den Medaillen noch die Prognose über Leistungen, Coups, Rück- oder K.-o.-Schläge kann der Blick ins olympische Kaleidoskop vor den Spielen ihres Lebens beantworten. Aber eines ist sicher: Die Marseille-Momente werden jenen unvergesslich bleiben, die es geschafft haben, Olympioniken zu sein.
Möge die Feststellung des viermaligen Olympiasiegers Paul Elvstrøm sie auf ihrem olympischen Kurs begleiten: „Du hast keine Regatta gewonnen, wenn du beim Siegen den Respekt der Konkurrenten verloren hast.“ In dunkleren Stunden könnte der Rat der fünfmaligen Olympiasiegerin Venus Williams den Weg weisen: „Du musst an dich selbst glauben, wenn es kein anderer tut. Genau das macht dich zum Gewinner.“
Ich wünsche der Segelnationalmannschaft einen Teamgeist, der sie trägt, und die Erfolge, die sie verdient. Ich wünsche den Aktiven – Philipp, Sebastian, Simon, Anna, Paul, Alica, Jannis, Leonie, Theresa, Marla, Hanna, Julia, Jakob und Andreas – starke Momente auf dem Wasser und gute Begegnungen an Land, an die sie ein Leben lang gern zurückdenken. Auch diesbezüglich ist Olympia ein Verstärker. „Basti“ Kördel fasste noch ein anderes olympisches Gefühl in gute Worte: „Das Besondere an den Spielen ist, dass man ein bisschen die Nation hinter sich vereint. Alle wollen, dass man gut fährt. Das ist ein schönes Gefühl.“
Ihnen und Euch, liebe YACHT-Leser, wünsche ich packenden Olympiasport, Spaß beim Mitfiebern, Tapferkeit beim Mitleiden und Gänsehaut beim Mitfreuen. In unserem großen Olympia-Spezial finden sich bei Yacht online alle Informationen zum Team, zu Marseille, zu den TV-Übertragungszeiten, ein spannendes Quiz mit begehrenswertem Unikat als Preis. Und natürlich berichten wir täglich direkt aus Marseille.
Für mich werden es als Reporterin die neunten Olympischen Spiele sein, von denen ich vor Ort berichte. Frankreichs Spiele werden hoffentlich friedliche und freudvolle Spiele sein. Sie werden wieder anders sein als Barcelona, Savannah, Sydney, Athen, Qingdao, Weymouth, Rio und Enoshima. Ich bin wieder genauso gespannt auf den olympischen Gipfelsturm wie beim ersten Mal 1992 in der Stadt, die in diesem Herbst die Bühne für den America’s Cup bietet: Barcelona.
Der olympische Segelvorhang öffnet sich jetzt in Marseille.
Tout est possible à qui rêve, ose, travaille et n’abendonne jamais. Alles ist denen möglich, die träumen, wagen, arbeiten und niemals aufgeben.
Mit herzlichen vorolympischen Grüßen, Ihre und Eure
YACHT-Sport-Expertin
Vier beliebte Elf-Meter-Fahrtenyachten im Test: Welches Modell bietet am meisten Komfort, die beste Technik und die umfangreichste Ausstattung fürs Geld?
Der Crash von Holcim und Mapei endete dank einer Rekordreparatur bei der Knierim-Werft mit einem Happy End. Werftchef Steffen Müller gab exklusive Einblicke
Vier aktuelle Tourenschiffe um elf Meter Rumpflänge im YACHT-Vergleichstest. Segeleigenschaften, Handling, Ausstattung an Deck sowie Manövrierbarkeit.
In der 51. Folge von YACHT – der Segelpodcast begrüßt Host Timm Kruse SailGP-Skipper Erik Kosegarten-Heil. Er erzählt, wie die Saison für Team Germany läuft
Lennart Burke und Melwin Fink erleben auf Etappe zwei im Globe40 furiose Tage. Zum Kap der Guten Hoffnung haben sie einen 500-Meilen-Rückstand halbiert.
Boris Herrmann ist wieder in aller Munde: Der Malizia-Gründer und sechsmalige Weltumsegler stellt ein neues Buch vor, hat spannende Pläne für die Zukunft.
Die Pure 42 schwimmt. Boot und Werft haben ersten Testschlag hinter sich und stellen sich nun vor Barcelona der Konkurrenz bei der Wahl zu Europas Yacht des Jahres.
Moderne, leistungsfähige Kleinkreuzer variieren stark zwischen Sportlichkeit und Komfort. Sieben solcher Spaßkisten im Vergleich
Der Kieler Yacht-Club bringt mit dem 400 Islands Race eine neue Bucketlist-Ostseeregatta ins Seesegelspiel. 2026 soll das 700-Seemeilen-Rennen starten.
Garmin stellt mit OnBoard ein kabelloses Mann-über-Bord-System vor, das im Notfall den Motor abschaltet und die Position speichert. Das System kann bis zu acht Personen oder Gegenstände gleichzeitig überwachen.
Der Yacht Newsletter fasst die wichtigsten Themen der Woche zusammen, alle Top-Themen kompakt und direkt in deiner Mail-Box. Einfach anmelden: