Liebe Leserinnen und Leser,
Weihnachten steht vor der Tür, auch bei mir. Es hat schon mehrfach geklingelt und wartet immer noch. Das macht ihm nichts aus, denn das ist nichts Neues. So war es im vergangenen Jahr und im Jahr davor. Zum Glück besitzt das Fest großen Gleichmut und hat Geduld mit mir. Und das in aller Hektik um uns herum.
Wo bleibt die Besinnlichkeit? Die gelassene Vorfreude? Wenn dies ein Podcast wäre, Sie würden mich jetzt seufzen hören. Typisch Vorweihnachtszeit, oder? Während die verbleibenden Tage des Jahres immer weniger werden, scheint die To-Do-Liste stetig zu wachsen. Der Countdown läuft.
Ach!
Da brachte mich Kollege Morten (Strauch) neulich auf eine Idee, die sich auch bei mir zu dieser Zeit des Jahres schon öfter eingeschlichen hat. Hier an gleicher Stelle teilte er vor zwei Wochen seine heimlichen „Fluchtgedanken“: Weihnachten an Bord!
Oh, wie verlockend das klingt! Anker auf, Fock hoch und los! Vorzugsweise auf Südkurs, versteht sich. Auch ohne Podcast hört man es jetzt rauschen: Den Wind in den Segeln, die sanfte Brandung an irgendeinem Traumstrand der Südsee und die sich wiegenden Palmen darüber. Dazwischen ein Weihnachtsbaum.
Doch seien wir mal ehrlich: Besinnlichkeit auf See? Was ist mit all jenen, die es erlebt haben? Mehr oder weniger freiwillig? Besonders in Zeiten, als man noch keine permanente Verbindung per Starlink zu heimatlichen Gestaden hatte. Und nicht jederzeit zumindest virtuell bei den Freunden auf dem Weihnachtsmarkt dabei sein konnte, wenn man wollte.
Zum Beispiel auf der wenig bekannten Österreichisch-Ungarischen Nordpolexpedition. Die machte sich 1872 mit der Schonerbark „Admiral Tegetthoff“ auf, um – ganz im Sinne des damaligen Zeitgeistes – den Ruhm zu ernten, den nördlichsten Punkt der Welt als erste zu erreichen. In dessen Nähe kam man nie.
Schon einen Monat nach Aufbruch blieb man im Eis stecken, entdeckte zwar Franz-Josef-Land (das deshalb bis heute den Namen des Donaumonarchen trägt), verbrachte aber auch zwei Winter eingefroren im Eis. Das Schiff kam nie wieder frei, die Besatzung kehrte nach vielen Entbehrungen und langem Treck über das Eis mit ihren Beibooten schließlich in die Zivilisation zurück.
Das Erlebnis hinterließ Spuren, besonders die scheinbar endlose Polarnacht am Ende der Welt. Zwar war man nicht allein, aber der Rest der Menschheit schien unendlich weit weg. Julius Payer, einer der beiden Befehlshaber der Unternehmung, schrieb über das zweite Weihnachtsfest: „Um 6 Uhr abends waren die Vorbereitungen zu Ende, die Schiffsglocke trostlos hallend in die finstere Nebelluft (…)“.
Die Geschenke wurden per Los verteilt: „Höher im Werte als alles andere stand ein Stückchen Seife; ihr Anblick war selten geworden“. Doch schon beim Festmahl war „niemand mehr recht bei der Sache, zu lange schon waren wir abwesend von der Heimat, nur unsere Leiber waren noch gegenwärtig, der Geist jedoch war aus ihnen entflohen und weilte unter den fernen Freunden“.
Und was ist mit den ersten Abenteurern, die solo und nonstop die Welt umrunden wollten, aus freien Stücken? Die Rede ist natürlich von den Teilnehmern des Golden Globe Race, das im Jahr 1968 startete. Vor Beginn war sich die Fachwelt uneins, ob ein Mensch so eine Reise überhaupt durchstehen könnte, ohne den Verstand zu verlieren.
Wie real diese Gefahr war, zeigte sich bei Donald Crowhurst auf seinem Trimaran „Teignmouth Electron“. Schon Monate vor seinem tragischen Ende in den Weiten der Sargassosee setzte ihm sein einsames Weihnachtsfest an Bord besonders zu.
In einer Tonbandaufnahme für die BBC fiel es ihm hörbar schwer, nachdem er seiner Mundharmonika „Stille Nacht, heilige Nacht“ entlockt hatte, den Eindruck zu erwecken, dass alles in Ordnung sei: „Nicht, dass ich in irgendeiner Weise niedergeschlagen wäre oder mir selbst leidtäte, aber es liegt eine gewisse Spiritualität über diesem Ort und dieser Zeit – Weihnachten –, die schon ein wenig melancholisch macht. (…) Das Gefühl der Trennung wird noch verstärkt durch die Einsamkeit hier. (…) Egal, spielen wir lieber noch etwas Fröhliches!“
Sehnsucht spricht aus jedem Wort. Besinnlichkeit klingt anders.
Doch bevor es zu düster wird: Der spätere Gewinner des Rennens, Robin Knox-Johnston, war in gänzlich anderer Stimmung. Als echter Brite hörte er an Bord seiner schwer gebeutelten Ketsch „Suahili“ über Funk zunächst die traditionelle Ansprache der Queen, brachte einen Toast aus und schrieb, dass seine Mutter den Rekordversuch des Sohns als „vollkommen verantwortungslos“ bezeichnet hatte:
„An diesem Weihnachtstag begann mir zu dämmern, dass sie recht hatte. Ich segelte aus dem einfachen Grund um die Welt, weil ich es wollte – und mir wurde klar, was für einen Riesenspaß ich dabei hatte“.
Keine Angst: Dass gelassene Stimmung selbst in stressigen Zeiten nicht nur eine Sache stoischer Briten ist, beweist auch diese Aussage von Irving Johnson. Im Herbst 1929 heuerte er auf der „Peking“ an. Obwohl er sonst auf Yachten arbeitete, wollte er vor Ende der Windjammer-Ära einmal selbst mit einem Großsegler Kap Hoorn umrunden. Ein Orkan nach dem anderen traf die stählerne Viermastbark, doch die Besatzung blieb die Ruhe selbst.
Dann kam Weihnachten: „Mit den Auf- und Abbewegungen des Schiffes hoben und senkten sich die Zweige der Tannenbäume, als würden sie von einem launischen Wind geschüttelt. Zwei Jungs spielten auf ihrer Geige, zwei andere Akkordeon. (…) Als der Kapitän hereinkam, standen alle auf und sangen gemeinsam Weihnachtslieder“. Es wurde beschenkt und so viel gegessen, dass Johnson am Ende „keinen Bissen mehr“ herunterbekam.
Fröhlich stellte er fest: „Es war Weihnachten. Ein Fest, das die Deutschen zu feiern verstehen“. Wenn das so ist, nehmen wir ihn beim Wort!
Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen bei der YACHT wünsche ich Ihnen besinnliche, fröhliche und entspannte Festtage – wo auch immer Sie gerade sein mögen, an Land oder auf See.
Christian Tiedt
Ressortleiter Reise
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