Liebe Leserinnen und Leser,
neulich war ich in Gedanken wieder vor Anker an der französischen Atlantikküste, wo ich diesen Sommer wegen Flaute nicht vom Fleck kam. Einen Törn in der Bretagne hatte ich mir anders vorgestellt. Statt Ölzeug kam der Bikini zum Einsatz. Zugegeben, es gibt schlechtere Orte, um festzusitzen. Aber eigentlich wollten wir ja segeln. Und trotzdem machte der fehlende Wind niemandem aus der Crew etwas aus. Es ist schon erstaunlich, wie viel besser ich Stillstand in solchen Momenten aushalte als im Alltag. Solange man Urlaub hat, und keinen Termin, den es wahrzunehmen gilt, ist es natürlich leicht, sich darüber zu echauffieren, wie sehr wir alle durchs Leben hetzen. Aber meist geht es doch darum, schnell von A nach B zu kommen.
Umso erstaunlicher, dass es seit kurzem wieder eine segelnde Fähre zwischen dem europäischen Festland und der britischen Insel gibt. Ein junges motiviertes Team hat es sich zur Mission gemacht, eine nachhaltige Alternative zum großen Fährverkehr zwischen England und Frankreich anzubieten: Mit einem 17-Meter-Katamaran. Das Angebot richtet sich an Menschen, denen es eben nicht darum geht, möglichst schnell ihr Ziel zu erreichen, sondern darum, auf dem Weg etwas zu erleben. Und ganz nebenbei die Umwelt zu schonen.
Eine schöne Idee. Aber erfolgversprechend? Momentan ist nur ein einziges Boot im Einsatz, mit dem gerade einmal zwölf Personen plus Fahrräder transportiert werden können. Das besondere Erlebnis dauert je nach Tide und natürlich Wind etwa vier Stunden. Also mehr als doppelt so lang wie mit der konventionellen Fähre. Als echten Pendelverkehr kann man den Service bei ein paar Angeboten pro Woche (noch) kaum bezeichnen. Ganz zu schweigen von der Verlässlichkeit und Planbarkeit, denn was, wenn kein Wind weht? Auf der Habenseite aber: Keine drängelnden Passagiere, kein dröhnender Motor – nur Wind, Wellen und Zeit. Aber letztere muss man eben auch haben.
Massentauglich ist die Idee sicher nicht. Selbst wenn das Unternehmen seine Flotte ausbauen kann, bleibt es ein Angebot für wenige. Der Port of Dover ist einer der verkehrsreichsten Passagierhäfen der Welt. Rund 32.000 Passagiere pro Tag fahren hier täglich über den Ärmelkanal. Den Eurotunnel – ein Paradebeispiel dafür, wie viel Geld und Aufwand investiert wird, um Reisezeiten zu verkürzen - passieren fast 50.000 Menschen täglich.
Aber bei Konzepten wie der Segelfähre geht es nicht darum, Verkehrsreisen im großen Stil zu revolutionieren. Es geht darum, eine wachsende gesellschaftliche Sehnsucht nach Entschleunigung zu bedienen. Slow Travel ist ein Trend. Vor allem Millennials und die Generation Z suchen nach nachhaltigen Alternativen und legen mehr Wert auf Erlebnis als auf Effizienz. Denn die Schnelligkeit hat ihren Preis: flüchtige Eindrücke, verpasste Details, Erinnerungen, die schnell verblassen – vor allem, wenn man sie durch einen Smartphonefilter betrachtet. Aber das ist ein anderes Thema.
Die Frage ist: Hat das Segeln als Verkehrsreise eine Chance auf ein Comeback? Die Vorstellung, dass wieder Großsegler auf den Ozeanen kreuzen, um Menschen zu transportieren, klingt utopisch. Aber wer weiß? Vor dem Hintergrund des Klimawandels und wachsender Kraftstoffpreise wird in der Frachtschifffahrt auch wieder auf Windkraft gesetzt. Was den Reiseverkehr angeht, ist eine Ozeanüberquerung unter Segeln für die Allermeisten wahrscheinlich keine Option. Doch für kürzere Strecken kann ich mir gut vorstellen, dass es genügend Menschen gibt, die sich die Zeit nehmen, ihre Reise bewusster zu erleben.
Dem jungen Team der segelnden Fähre auf dem Ärmelkanal würde ich es jedenfalls sehr wünschen. Das, und mehr Wind, als wir ihn im Sommer ein paar hundert Seemeilen weiter südlich hatten. Denn bei Flaute vor Anker liegen wäre bei aller Liebe zur Langsamkeit für eine Fähre dann wohl doch keine Option.
Jill Grigoleit
YACHT-Redakteur
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