Direkt nach der Ankunft in Frankreich durfte YACHT-Redakteur Morten Strauch an Bord der “Minnehaha” und sprach mit Kirsten Neuschäfer über ihren Triumph
Ja, ich hatte Moitessier-Momente, in denen ich dachte, es wird schwer sein, zurückzukommen. Ich wusste ja, wie es in Les Sables bei Starts und Zieleinläufen zugeht. Im Zentrum zu stehen und so viele Menschen um mich herum zu haben ist eigentlich nicht mein Ding. Andererseits sind die Leute in Les Sables so enthusiastisch, dass es mich mitreißt. Ich will die Leute auch nicht enttäuschen. Sie stecken so voller Energie und Ausdauer beim Warten, um einen willkommen zu heißen – da muss man sich schon sehr geehrt fühlen. Aber jetzt bin ich zwei Tage wieder an Land, habe insgesamt nur sechs Stunden geschlafen und merke langsam, dass mich die Müdigkeit einholt. Aber es ist sehr schön. Meine Mutter, mein Onkel und Freunde sind angereist, und das freut mich natürlich sehr. Kleinigkeiten wie ein Croissant essen oder frisches Gemüse sind auch ganz wunderbar!
Ich esse einfach sehr gerne Eis, und alle wissen das. Das hat sich irgendwie verselbstständigt. Bevor ich an Land gehen konnte, hatte ich schon den Eisbecher überreicht bekommen.
Als ich 19 war, bin für zwei Jahre nach Finnland gezogen, um dort Schlittenhunde zu trainieren. Die Sprache hatte mich damals wirklich begeistert, und ich konnte sie recht schnell fließend sprechen. Heute, also 18 Jahre später, geht das zwar alles etwas langsamer, aber ich hatte ja viel Zeit unterwegs.
Ich bekam die Nachricht, dass Tapios Boot gesunken ist, und da wir beide noch zusammen beim Foto-Gate in Kapstadt waren, wusste ich, dass wir nicht allzu weit voneinander entfernt sein konnten. Also rief ich Race Control an und bot meine Hilfe an. Ich war tatsächlich am nächsten dran, also wurde ich gebeten, zu ihm zu fahren. Ich wechselte in den Modus „Erreiche ihn zu schnell wie nur möglich“ und machte alles dafür. Maschine an, mehr Segel, alles, um Geschwindigkeit aufzubauen. Ich stand die ganze Nacht am Ruder und erreichte den Ort am nächsten Morgen. Ich hatte so was noch nie gemacht in meinem Leben, und ich musste feststellen, wie schwierig es ist,eine Rettungsinsel zwischen den Wellen im Meer zu entdecken. Tapio war am Funkgerät und konnte mich sehen, ich ihn aber nicht. Also leitete er mich direkt zu sich, indem er mir fortlaufend Kommandos gab wie „Mehr Backbord, nach Steuerbord“ und so weiter. Als ich dann bei ihm war, hatte ich meine vorbereitete Leine auf der falschen Seite festgemacht, da ich einen anderen Ankunftswinkel erwartet hatte. Tapio hatte aber auch eine Leine vorbereitet, die ich im ersten Versuch fangen konnte. So konnte ich ihn ranziehen und an Bord holen. Bald kam auch das Rettungsschiff, das mich bat, längsseits zu gehen. Das ging natürlich nicht, wegen des Schwells und riesigen Freibords des anderen Schiffs. Also schlug Tapio vor, uns eine Leine zuwerfen zu lassen, um sich in der Insel zu dem anderen Schiff ziehen zu lassen, was dann auch gelang. Aber so nah wie möglich an das im Vergleich riesige Schiff zu kommen war wirklich ziemlich nervenaufreibend.
Nein, ich habe gelernt, mit Vertrauen und Herz durchs Leben zu gehen. Auf meiner Radtour durch Afrika hätte ich ermordet werden, in der Wüste verdursten oder an Malaria sterben können – aber das fühlte ich nicht in meinem Herzen. Während des Rennens habe ich ebenfalls nicht ein einziges Mal gedacht, dass es jetzt wirklich schlimm werden könnte. Aber ich muss dazusagen, dass ich auch Glück gehabt habe. Ich hatte keine Monsterstürme wie Ian Herbert-Jones zu bewältigen, der schließlich im Südatlantik von seinem entmasteten Schiff abgeborgen werden musste. Hätte ich in solchen Konditionen vielleicht auch mit Knock-downs zu kämpfen gehabt, dann hätte ich vielleicht auch um mein Leben gefürchtet.
Der Tiefpunkt war definitiv in den Kalmen, wo ich mich schon mal gefragt habe, warum ich mir das antue. Aber ich wollte unbedingt da sein, also war ich da. Glücklicherweise liebe ich Schwimmen – das hat mich am Leben gehalten. Wenn ich zu frustriert war, bin ich einfach ins Meer gesprungen, um etwas Distanz zum Boot zu bekommen. Wieder an Bord, konnte ich einen Teil des Frusts abschütteln. Aber ja, die Kalmen waren wirklich sehr hart für mich.
Das war wohl bei Kap Hoorn, als wir eine schwere Sturmwarnung bekommen hatten und uns geraten wurde, nach Norden auszuweichen, so gut es geht. Ich hatte Knox-Johnstons Rat befolgt und am Heck Leinen ausgeworfen. Die Windfahne steuerte zuverlässig weiter, und ich habe mich dann unter Deck verkrochen und alles dicht gemacht. Das Boot ist so schwer und sicher – da hatte ich Gottvertrauen. Aber ich habe auch nicht so schlimm auf die Mütze bekommen wie Ian oder Tomy, die hatte es schwerer erwischt unter schlimmeren Bedingungen.
Ich hatte nur ein größeres Malheur, als eine große Welle ins Heck eingestiegen ist, dabei die Halterung des Hydrogenerators brach und somit meine grüne Stromversorgung gefährdete. Das war eine knifflige Aufgabe, an der ich Spaß hatte, diese zu lösen. Meine Hydrovane-Windfahnensteuerung funktionierte bis auf kleine technische Probleme, die ich schnell lösen konnte, einwandfrei, und ich hatte sie sogar schon 15.000 Seemeilen in Gebrauch, bevor das Rennen überhaupt startete. Also nichts, was ich nicht mit Kabelbindern oder Gaffaband wieder fixen konnte.
Aus meiner Sicht macht 80 Prozent des Rennens gute Vorbereitung aus. Der schwierigste Teil ist, überhaupt bis zur Startlinie zu kommen. Es ist ein Riesenvorteil, so viel wie möglich des Refits selbst zu machen, um wirklich jede Ecke, jede Schraube und Mutter zu kennen, die das Schiff zusammenhalten. Nur so ist man in der Lage, draußen auf See Reparaturen mit dem vorhandenen Werkzeug durchführen zu können. Und es ist wichtig, das Boot auf dem Wasser vorher wirklich kennenzulernen. Ich bin mit „Minnehaha“ erst von Kanada nach Südafrika gesegelt und dann wieder hoch nach Frankreich. Das war ein idealer Test für das Boot und für mich, um uns kennenzulernen und zu entdecken, was noch verbessert werden muss. Ich konnte lernen, wie das Boot wann reagiert und welche Segel wann am besten geeignet sind.
Wie schon gesagt, hat Schwimmen mir immer gutgetan – außer im kalten Wasser, das kann ich nicht genießen. Dann gibt es natürlich auch immer wieder Herausforderungen oder Hindernisse, die schnell bezwungen werden müssen. Im Southern Ocean, als „Minnehaha“ in einer Flaute steckte, setzten sich gleich Seepocken auf das Unterwasserschiff. Dort wollte ich nur ungern schwimmen gehen, weil ich vorher schon kleine Haie gesehen hatte, die ich lieber vom Boot aus beobachten wollte. Und es war kalt. Der Pockenbewuchs wurde aber immer schlimmer, sodass ich nachts schon von den kleinen Biestern geträumt habe.
Dann bin ich eines Morgens hoch und habe mich auf Tauchgang begeben, was bei dem Schwell nicht einfach war. Drei Tauchgänge über acht Stunden verteilt. Aber ich habe es letztendlich geschafft. Die Aktion und ihr gelungener Abschluss haben sich danach sehr gut angefühlt und mir einen ordentlichen Push gegeben.
Den Atlantik runter bin ich nach Gefühl gesegelt, da wusste ich ziemlich gut, was auf mich zukommt. Im Southern Ocean, um ehrlich zu sein, muss man nicht viel Routing betreiben, man fährt die ganze Zeit einen tiefen Kurs. Kompliziert wurde es, als es den Atlantik wieder hochging. Hier habe ich mich an „Ocean Passages for the World“ gehalten, die einen östlichen Kurs vorschlagen. Je weiter ich nach Osten kam, desto mehr habe ich angefangen, mich zu hinterfragen, bis ich schließlich auf Nordkurs ging, um vier bis fünf Tage in den Rossbreiten festzuhängen. Die Routings für März und April sind sehr unterschiedlich, und ich bin wohl deshalb ein paar Tage zu spät zu der Ostposition gekommen, an der ich den Äquator queren wollte. Das hätte mich das Rennen kosten können, und ich bin zwei Wochen lang durch die Doldrums gedümpelt, was mich ziemlich geärgert hat. Aber darum geht es in diesem Rennen: keine Infos von außen, also handelst du nach Erfahrung, Gespür oder Literatur und hast entweder Glück oder nicht. Ich hätte trotzdem weiter östlich fahren sollen!
Ich kann mit Heldenverehrung nicht viel anfangen, und auch Vorbilder habe ich in diesem Sinne nie gehabt. Aber wenn es eine Person gibt, die ich gerne einmal getroffen hätte, dann wäre das Nelson Mandela. Er bedeutet mir sehr viel. Ich liebe Südafrika, so wie es heute ist, und ohne ihn wäre das nicht möglich gewesen. Gleichstellung von Frauen und Männern, der Hautfarbe, Demokratie. Das Opfer, was Mandela mit Folter und Gefangenschaft auf sich nahm, um diese Ziele zu erreichen und eine Demokratie einzuführen – dafür bewundere ich ihn.
Ich halte mich an das Sprichwort „Sag niemals nie“. Aber ich plane das aktuell nicht. Ich bin von Natur aus eigentlich keine Wettkämpferin. Ich mag eher Herausforderungen, wo ich meine eigenen Stärken finden muss. So was mache ich dann lieber allein, wie die Radtour durch Afrika zum Beispiel. Die Herausforderung besteht darin, gegen die Elemente der Natur zu bestehen und meine eigenen Schwächen zu überschreiten und nicht gegen andere Menschen anzutreten. Daher weiß ich nicht, ob die Vendée das Richtige für mich ist. Das GGR habe ich mit voller Begeisterung mitgemacht, aber die Vendée wäre ja noch ein deutlicher Schritt weiter Richtung Wettkampf. Aber wer weiß? Vielleicht werde ich jetzt ein halbes Jahr nicht segeln und dann plötzlich Appetit bekommen.
Ich möchte zurück nach Südafrika und meine Familie wiedersehen, speziell auf meinen Vater und meine Hunde freue ich mich. Ich habe eine Ecke da unten, die für mich wie das Paradies ist. Die wilde Küstenlinie von Transkei. Es gibt nichts Schöneres, als mit meinen Hunden diese traumhaft wilde Küste zu bewandern. Dazu wild zelten, Lagerfeuer und ein unendlicher Sternenhimmel. Aber ich habe auch ein zweites Traumziel dazugewonnen, was ich jetzt schon vermisse, und das ist Prince Edward Island in Kanada, wo ich den Refit von „Minnehaha“ durchgeführt habe. Da möchte ich unbedingt bald wieder hin und die Menschen dort wiedersehen, die für mich wie eine zweite Familie geworden sind.