Nein“, sagt mein Mann, nein, er keucht es. „Nein!“ Ich schaue aus dem Salon zu ihm hoch: „Was ist denn?“ Mein Mann ist käseweiß im Gesicht. „Die ‚Alte‘ ist gestorben, ich meine, der Motor ist tot!“ Panisch drückt er den Starterknopf. Nichts passiert. Oha. Wir sind in Kappeln, das Schiff ist gerade zurück ins Wasser gekommen. Wie immer schon im Februar, weswegen uns alle für bekloppt halten. Wahrscheinlich streikt der Motor, weil ihm zu kalt ist, denke ich, behalte das aber lieber für mich.
„Ich drehe durch!“, ruft mein Mann und drückt und drückt auf den armen Knopf. Dann inspiziert er den Motor und flucht und hadert mit sich und der Welt. „Das darf doch nicht wahr sein. Wir wollten doch in der schönen Wintersonne segeln.“ Es nutzt nichts. Der Motormann, der angerufen wird, hat erst übernächste Woche Zeit.
„Was sollen wir bis dahin machen?“, jammert mein Mann. Und: „Was würde ich dafür geben, jetzt rausfahren zu können. Alles würde ich dafür tun. Ich wäre sogar still und würde nichts sagen, nicht meckern.“ Ich höre gar nicht mehr hin. Erst sein „Ach, hallo!“ lässt mich wieder aufhorchen.
Vor unserem Boot stehen Putzi und ihr Mann, der Urs heißt, aber Gianni genannt werden will, weil er, so sagt er immer, „den pulsierenden Süden im Blut“ hat. Er antwortet auf Fragen auch gern mit „Si“ anstatt mit „Ja“. Die beiden sind ziemliche Eigenbrötler, aber immerhin freundlich und nett. „Was, euer Motor ist hin? Gianni sieht uns mitleidig an. „Ja“, sagt mein Mann. „Es ist eine Katastrophe. Wir wollten eine kleine Frühjahrstour machen, bei der schönen Sonne.“ „Weißt du“, sagt da Putzi, „wenn du nicht immer so am Meckern wärst, würden wir euch ja mitnehmen.“ Normalerweise würde er das nicht auf sich sitzen lassen. Jetzt aber fragt er nur konsterniert : „Wohin denn?“ Putzi: „Na, auf eine kleine Frühjahrstour. Unser Schiff kommt heute auch schon ins Wasser.“ Die Laune meines Mannes ist schlagartig besser. „Ich werde nicht meckern. Kein Wort von mir. Ich schwöre. Also, nehmt ihr uns mit?“ Sein leicht devoter Ton ist mir ein bisschen peinlich. Gianni aber nickt. „Si“, sagt er gnädig.
„Noch nie sind wir mit Putzi und Gianni unterwegs gewesen“, gebe ich später zu bedenken. Doch meine Einwände werden ignoriert. Am nächsten Morgen dann: „Ist das nicht ein herrlicher Tag?“, ruft Putzi. „Dann wollen wir mal!“ Gianni ist guter Dinge und startet den Motor, legt den Vorwärtsgang ein – doch das Schiff kommt nicht vom Fleck. „Stopp!“, ruft da mein Mann. „Die Heckleinen sind noch fest!“ Er schüttelt den Kopf und löst sie. „Ach, das macht nix, irgendwann reißen sie“, gibt Gianni zum Besten. Mein Mann kneift die Lippen zusammen und sagt nichts. Stattdessen macht er sich daran, die Fender einzuholen. Aber: „Lass ruhig, bei uns hängen die immer draußen“, bremst Putzi seinen Eifer aus.
„Äh, na gut“, entfährt es ihm. Putzi legt nach: „Die hängen doch gut da.“ Ich spüre die Schmerzen, die mein Mann hat. Bevor er jedoch etwas sagen kann, braust ein Motorboot vorbei. Das Schiff schaukelt kurz im Schwell, und unter Deck tut es einen Schlag. „Ach, ich glaube, das war die Thermoskanne. Ich hatte noch Kaffee aufgesetzt.“ Putzi geht nach unten, und ich schaue ihr nach. Offenbar hat sie die Kanne nicht verschlossen. Ach nein, sie hat sie samt Filteraufsatz auf dem Herd stehen lassen. Nun schwappt Kaffee in die Bilge und der Kaffeesatz verteilt sich über den Salonboden.
„Das tritt sich fest“, winkt Putzi tiefenentspannt ab. Im Gesicht meines Mannes zuckt es hingegen rhythmisch. Kaffeesatz und Kaffee in der Bilge – oh. Oh. Oh! Wenn er eines gar nicht ausstehen kann, dann ist das schlechte Vorbereitung. Bevor die Leinen gelöst werden, muss alles gesichert, verstaut und verpackt und insbesondere die Thermoskanne bitte zugeschraubt sein. „Wo segeln wir eigentlich hin?“, frage ich rasch, um vom Kaffeedesaster abzulenken. „Keine Ahnung“, entgegnet Gianni freimütig. „Wir lassen uns einfach treiben.“ Mein Mann zuckt schon wieder. „Wie, treiben?“, fragt er. „Man muss doch wissen, wo man hinfährt. Was sagt denn das Wetter?“ Gianni sagt, bei Better Wetter hätten sie gesagt, man solle sich keine Gedanken machen. „Um was denn nicht?“, hakt mein Mann nach. „Keine Ahnung“, sagt Gianni. „Die sagen das halt.“
Wenigstens scheint die Sonne. Mein Mann guckt nach dem Wetter. „Nachher regnet es.“ Gianni nickt: „Si, sag ich doch.“ Bevor ich den Sinn dieses Zwiegesprächs entdecken kann, scheppert es unten erneut. „Ach, die Suppe!“ Putzi verschwindet wieder in der Kajüte. Ich will gar nicht wissen, wie es dort nun aussieht. „Ihr müsst die Sachen doch sichern“, sagt mein Mann in einem bemüht nicht meckernden Ton. „Hat Putzi doch gemacht“, sagt Gianni nur. „Ja, ich hab die Suppe extra im Topf gelassen“, sagt Putzi fröhlich, „aber den Deckel vergessen. Keine Ahnung, wo die alle sind.“ Etwas später kommt von ihr noch: „Huch, das Klo ist übergelaufen. Hab vergessen, das Ventil zu schließen.“
Mein Mann und ich tauschen Blicke aus. „Mach doch mal dein GPS an“, bittet mein Mann Gianni. „Ist kaputt. Geht nicht, si“, sagt Gianni. Man hätte es sich denken können. „Ihr braucht doch GPS. Warum lässt du es nicht reparieren?“ Der Tonfall meines Mann es wird nun doch energischer. Gianni bleibt die Ruhe selbst : „Ich weiß ja nicht, was genau kaputt ist. Ist doch auch egal. Wir kennen uns doch hier aus.“
»Ach, die Fender bleiben bei uns stets draußen. Überhaupt kann man es mit dem Verstauen und Sichern ja auch übertreiben.«
Sagt es, und es macht Klong. Wir rucken alle gemeinsam einmal heftig nach vorn. Aufgelaufen! „Ups“, sagt Gianni. „Das war nicht so gut. Wenigstens hängen die Fender schon draußen, falls jemand im Päckchen liegen will, hahaha!“ Mein Mann wird nun rot im Gesicht, und das ändert sich auch nicht mehr. Er atmet schwer ein und aus und sagt nichts, gar nichts, auch nicht, nachdem Putzi verkündet hat, dass die Eier durchs Auflaufen auf den Boden geplumpst sind. „Hab vergessen, die zurück in den Karton zu packen.“
Zum Glück kommt ein Fischerboot vorbei, das uns hilft. „Wohin soll’s denn gehen?“ Gianni will gerade ausholen, dass wir uns treiben ließen, da fällt mein Mann ihm blitzschnell ins Wort: „Nach Kappeln“, fleht er den Fischer an. „Bitte. Schnell!“
„Ich verstehe gar nicht, warum ihr nicht noch bleiben wollt“, beschwert sich Putzi. „Wir haben es doch total nett.“ Ich gebe mich diplomatisch: „Das ist ganz lieb, aber diese Art zu segeln ist nichts für uns“, beeile ich mich zu sagen, bevor mein Mann komplett durchdreht. Davon mal ganz abgesehen waren die Segel ja gar nicht oben, was mich wundert. Ich hätte Gianni zugetraut, dass er sie „immer hochgezogen lässt, das spart Zeit“. Stattdessen sage ich nur: „Ihr wollt ja auch sicher erst mal sauber machen.“
Doch Putzi hat andere Pläne. „Nein, ich werde doch jetzt nicht putzen. Es fängt ja gerade an zu regnen. Da mach ich doch nicht sauber, da kann man andere Dinge erledigen.“ Ich frage nicht, was. Nein, ich frage nicht. Bei der nächsten bescheuerten Antwort drehe ich durch.
Nachdem wir in Kappeln angekommen sind, flüchten wir zurück auf unsere „Alte“. „Meine Nerven“, sagt mein Mann. „Das waren die schlimmsten Stunden, seitdem ich auf Booten bin. Da ist ein Sturm nichts dagegen.“ Er sieht mich an und sagt dann doch tatsächlich: „Danke, dass du immer mit drauf achtest, dass alles gesichert ist.“ „Ist doch klar.“ Ich bin gönnerhaft.
Lange noch höre ich ihn von Kaffeesatz, Eiern, Klo und GPS murmeln. Und wie man sein Boot nur derart schlecht vorbereiten könne. Das würde uns nie passieren!
Kurz darauf steht Ansgar am Steg. „Das war ja ein kurzer Ausflug, ihr mit Putzi und Urs. Wie man hört, ist was mit eurem Motor. Soll ich mal gucken?“ Ich sage: „Sehr gern. Komm an Bord.“ Ansgar schaut sich das Display an, drückt den Knopf und stellt meinem Mann ein paar Fragen. „Hm“, meint er schließlich, „sagt mal, kann es sein, dass kein Diesel im Tank ist?“ Mein Mann starrt ihn an. Und wird blass. „Diesel. Ja. Nein …“, stottert er. Ansgar grinst nur: „Schlechte Vorbereitung, sag ich mal.“