Sicherheit an Bord20 Gefahren erkennen und vermeiden

Eine Sicherheitsleine schützt nicht immer vorm Fall ins Wasser.
Foto: YACHT/Ben Scheurer
Segeln bedeutet Freiheit und Abenteuer, birgt aber auch Risiken. Von Stolpergefahren bis zu Bränden - dieser Artikel beleuchtet die häufigsten Gefahrenquellen an Bord und gibt konkrete Tipps zur Unfallvermeidung. Erfahren Sie, wie Sie mit der richtigen Vorbereitung und Ausrüstung für mehr Sicherheit auf See sorgen.

Themen in diesem Artikel

Welches MOB-Manöver ist am erfolgversprechendsten, welches Rettungsmittel bringt das Crewmitglied am sichersten wieder an Deck? Und klappt das alles nicht, mit welchem Notfallsender an der Rettungsweste findet man die Person im Wasser wieder? Oder welcher Feuerlöscher erstickt die Flammen am zuverlässigsten? Häufig testet die YACHT Ausrüstung, die nach Unfällen oder in akuten Gefahrensituationen helfen kann. Es geht darum, Probleme zu lösen. Noch besser wäre es, diese Probleme würden an Bord erst gar nicht entstehen. Um Unfälle zu vermeiden, ist es wichtig, die Ursachen zu kennen. Also: Was kann alles passieren?

Übrigens: Falls schon etwas passiert ist, finden Sie in diesem Ratgeber Tipps zur Versorgung der häufigsten Verletzungen an Bord.

Grob unterteilen lassen sich die Bereiche an Deck und unter Deck. Dort können Situationen entstehen, bei denen Personen verletzt werden oder der Verlust der Yacht droht. An Deck steht an erster Stelle die Stolper- und Sturzgefahr. Die geht häufig von Beschlägen wie Relingstützen oder Schienen aus. Dabei kann es ohne Schuhe zu Verletzungen an den Füßen kommen. Außerdem besteht immer die Gefahr, dabei über Bord zu fallen. Hinzu kommen Verletzungen der Hände an Winschen, Hebelklemmen oder Muringleinen. Im Rigg geht die größte Gefahr vom Großbaum aus. Hier sind auch Traveller und Großschot im Manöver zu berücksichtigen.

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Wichtigste Gefahrenquellen an Bord

  • Sonne Stundenlang konzentriert am Steuer, da vergisst man schnell Sonnenschutz und trinken.
  • Großbaum Baum trifft Kopf, der Klassiker. Auf einer Jolle schmerzhaft, auf einer Yacht potenziell tödlich.
  • Winschen Schoten unter Last haben enorme Kraft. Leinen mit Sicherheitsabstand bedienen.
  • Antrieb Der Propeller ist besonders bei kleinen Booten oder Kats eine Gefahr für Personen im Wasser.
  • Maschine Der Diesel kann bei Fehlfunktionen Abgase ins Schiff leiten und zu Bränden führen.
  • Großschot Die Talje kann im Manöver um sich schlagen. Auch der Traveller birgt ein Verletzungsrisiko.
  • Fallenstopper Mal eben eine Klemme aufmachen? Keine gute Idee! Bei Last immer um die Winsch legen!
  • Sturzgefahr Besteht an und unter Deck bei Seegang. Besonders beim Kochen gefährlich.
  • MOB Das Verlassen des Cockpits und der Gang aufs Vorschiff bergen die Gefahr des Überbordfallens.
  • Festmacher Die Leinen können sich plötzlich straffen. Füße aus dem Weg und Handschuhe an!
  • Mooringleine Häufig bewachsen, durch die scharfkantigen Muscheln drohen Schnittverletzungen.
  • Kochen Feuergefahr Nummer eins und auf See das Risiko, sich oder andere zu verbrühen.
  • Elektrik Bei unsachgemäßer Installation drohen Ausfall der Navigation und schlimmstenfalls Feuer.
  • Gas Ist der Ablauf des Gaskastens frei? Wurde die Anlage regelmäßig gewartet?

Obendrein droht beim Aufentern in den Mast Absturzgefahr. Wie Sie sicher in den Mast kommen, wird in diesem Artikel in 14 Tipps zum Aufentern erklärt. Abstehende Kardeele an defekten Drahtfallen sind zudem ein großes Verletzungsrisiko für die Hände.

Unter Deck gibt es drei Hauptbereiche: Pantry, Installation und die allgemeine Sturzgefahr. Manchmal ist es auch eine Mischung, so kann es zu schweren Verbrühungen führen, wenn man beim Kochen mit einem Topf kochenden Wassers das Gleichgewicht verliert. Installation für Gas, Elektrik und Maschine bergen bei Fehlfunktionen Gefahr und dann kann schnell der Verlust der Yacht die Folge sein. Damit verwandt ist das Gefahrenpotenzial durch Gas: Kohlenmonoxid, das extrem toxisch, und Propan, das hoch entflammbar ist.

Zwölf Verhaltensregeln, die helfen können, die meisten Unfälle an Bord zu vermeiden:

  1. Eine Hand für einen selber, eine Hand fürs Schiff.
  2. Im Cockpit immer auf den Großbaum achten.
  3. Bei schlechtem Wetter erhöhte Wachsamkeit auch unter Deck.
  4. Füße durch geeignetes Schuhwerk schützen.
  5. Rettungsweste tragen und bei schlechtem Wetter oder nachts zusätzlich einpicken.
  6. Ölhose und Sicherungsgurt beim Kochen auf See tragen.
  7. Essen, trinken und Sonnenschutz nicht vergessen.
  8. Ausruhen und schlafen, wann immer es möglich ist.
  9. Gute Kommunikation mit der Crew im Manöver, aber auch bei der Törnplanung.
  10. Keinen Alkohol auf See trinken.
  11. Körperlich fit halten.
  12. Alle Wartungs- und Prüfintervalle penibel einhalten.

Viele dieser Empfehlungen halten Segler automatisch ein. Dennoch kann es helfen, sich zu vergegenwärtigen, was alleine das Missachten der ersten Regel für schlimme Folgen haben kann. Viele Gefahren lassen sich durch gute Vorbereitung ausräumen. So wächst etwa die Brandgefahr durch vernachlässigte Wartung, ist hier alles auf Stand, sinkt auch das Risiko enorm. Sind alle sicherheitsrelevanten Vorbereitungen getroffen, kann die Zeit auf dem Wasser genossen werden, ohne sich Horrorszenarien auszumalen.


Man Over Board

Manöver und Rettungsmittel sollten erprobt sein. Besser aber ist es, den Fall ganz zu verhindern.

Umsicht und eine Hand am Schiff helfen nicht immer. Besonders bei schwerem Wetter oder nachts sollten sich Crewmitglieder zusätzlich per Leine sichern. Dabei müssen Sicherheitsleinen griffbereit und auch Rettungswesten mit Gurtzeug getragen werden. Zudem müssen die Strecktaue an Deck sinnvoll platziert werden. Zu locker und zu dicht an der Bordwand verhindern sie einen Sturz eventuell gar nicht. Immerhin besteht dann zwar eine Leinenverbindung, aber die Person hängt dennoch im kalten Wasser, und der Weg zurück an Deck kann zur Herausforderung werden.

Besser die Positionierung der Strecktaue schon im Hafen überprüfen und gegebenenfalls verbessern. Außerdem kann es ratsam sein, in Luv aufs Vorschiff zu gehen, weil man dann aufs Deck fällt, wenn man das Gleichgewicht verliert und nicht außenbords. Leinen, die einmal ruckartig belastet wurden, müssen ausgetauscht werden. Mehr über den richtigen Umgang mit Lifelines erfahren Sie hier.

Eine gute Rettungsweste kann die Überlebenschancen deutlich steigern.

Rettungsweste

Liegt ein Crewmitglied im Wasser, ist bei der Gefahrenvermeidung schon etwas erheblich schiefgegangen. Dennoch sollten Segler auch darauf vorbereitet sein. Eine gute Rettungsweste erhöht hier die Chance, lebend gefunden zu werden, enorm. Alle Modelle der Auftriebsklasse mit 275 Newton und mehr sollen auch ohnmächtige Personen auf den Rücken drehen. Ein Notlicht oder Sender erleichtert dann das Wiederfinden. Eine Spraycap ist bei rauer See unerlässlich, um ungehindert atmen zu können, ohne sich an Spray zu verschlucken und daran zu ertrinken. Hier finden Sie unseren großen Rettungswesten-Vergleichstest.

Sicherungsleine

Konventionelle Karabiner an Sicherheitsleinen können sich in Padeyes oder unter Klampen so verhakeln, dass sie sich bei Belastung öffnen oder aufbiegen. Besser sind Haken mit einer zusätzlichen Sicherung, Strecktaue sind so zu führen, dass solche Gefahrenstellen möglichst vermieden werden.

Propeller

Bei Katamaranen liegen die Antriebe meist sehr weit achtern und können mit den Füßen erreicht werden. Bei MOB-Situationen ist deswegen besondere Vorsicht beim Manövrieren neben Personen nötig. Besonders wenn Crewmitglieder über die Badeleiter aus dem Wasser aufentern: Maschine auskuppeln.


Feuer an Bord

Ein Brand ist die wohl größte Katastrophe auf einem Boot. Löschversuche sind sehr gefährlich.

Ein außer Kontrolle geratener Brand zwingt die Crew, das Boot sofort zu verlassen. Löschversuche sind wegen der meist eingeschränkten Deckenhöhe gefährlich, weil die Flammen, statt sich nach oben auszubreiten, zurückschlagen. Brennt es auf dem Herd, sollte zuerst das Gas abgestellt werden. Wenn das Absperrventil in der Nähe der Kochstelle erreichbar ist, umso besser. Sonst im Gaskasten an der Flasche abdrehen. Unsere Löschversuche bei Fettbränden haben gezeigt, dass schon das Ausschalten des Herdes und ein Deckel über den Flammen einen Entstehungsbrand löschen können. Auf gar keinen Fall Wasser in brennendes Fett gießen, es besteht große Explosionsgefahr!

Die zweite häufige Brandursache ist fehlerhafte Elektroinstallation. Regelmäßige Kontrolle ist aber auch bei gut ausgeführter Verkabelung ratsam. Denn Korrosion oder durch Vibration gelöste Verschraubungen können zu hohen Übergangswiderständen und somit Hitzeentwicklung führen. Für den Notfall müssen Feuerlöscher an mehreren Stellen griffbereit sein.

Wie Sie im Notfall reagieren und welche Maßnahmen Sie schon präventiv ergreifen sollten, lesen Sie in diesem Artikel.

Die gefährlichste Notsituation an Bord. Löschversuch oder Flucht?
Foto: YACHT/Jozef Kubica

Brennstoff

Propan und Butan sind schwerer als die Umgebungsluft, sammeln sich also in der Bilge. Um das Brandrisiko zu verringern, die Entlüftung des Gaskastens überprüfen. Ein Gaswarner ist eine sinnvolle Investition.

Verbrennung, Gas, Feuer

In der Pantry droht dreifaches Ungemach: Bei Seegang die Töpfe gut sichern, eine Ölhose hilft gegen Verbrühungen. Unbeaufsichtigte Pfannen sind eine Fettbrandgefahr. Zudem kann Kohlenmonoxid entstehen: Niemals mit Herd heizen!

Maschine

Eine lockere Schlauchschelle am Krümmer reicht, und es gelangen Kühlwasser und Abgase ins Schiff. Außerdem kann von Dieselleckagen ein Brandrisiko ausgehen. Etwa wenn der Kraftstoff in die Motorraum­isolierung zieht und dann durch einen Kurzschluss entzündet wird. Dagegen hilft, den Motorraum sauber zu halten, um Lecks schnell erkennen und beseitigen zu können. Außerdem sollten die Kanten des Dämmmaterials mit Tape versiegelt werden.

Elektrik

Fällt die Stromversorgung aus, fehlen auch Navigation oder Beleuchtung. Zudem können lockere Kabel- und Quetschverbindungen große Hitze bis hin zum Brand verursachen. Bei großen Verbrauchern müssen auch die Kabelquerschnitte passen.


Tauwerk

Schoten und Fallen sind vor allem für die Hände riskant. Wenige Regeln schützen vor Verletzungen.

Welches Gefahrenpotenzial von Tauwerk ausgeht, wird häufig unterschätzt. Das Problem: Unter Last kann sich das eigentlich geschmeidige Material zu einer wahren Hautfräse entwickeln, wenn es durch ungeschützte Hände slippt. Schwielen und Blasen sind eher harmlose, heftige Schürf- und Brandwunden schwerwiegendere Folgen.

Segelhandschuhe verringern das Verletzungsrisiko, wichtiger noch ist der richtige Umgang mit dem Tauwerk. Das fängt beim Greifen an. Ein beliebter Fehler ist es, die Leine für mehr Grip um die Hand zu schlingen. So kann sie aber nicht vollständig freigegeben werden und frisst sich ins Fleisch. Besser: wie ein Mikrofon im Faustgriff halten. Öffnet man die Faust, fällt die Leine aus der Hand und läuft ohne Verletzungen aus.

Zudem sollte es immer ausreichend Sicherheitsabstand zu Winschen, Klemmen und Klampen geben, damit die Hand nicht in den Beschlag gezogen wird, bevor sie die Leine freigeben kann.

Winschen bergen einige Verletzungsrisiken.
Foto: YACHT/M. Amme

Winschen

Wer die Leine zu dicht an der Trommel fasst, riskiert beim Fieren mit der Hand hineingezogen zu werden. Außerdem sollte die Schot nie um die Hand geschlungen werden. Denn so lässt sie sich im Notfall nicht einfach loslassen. Beginnt die Leine dann zu slippen, schneidet sie schmerzhaft ins Fleisch. Besser mit der Faust fassen, wie es unten zu sehen ist.

Schot-Taljen

Taljen-Untersetzungen verwandeln Kraft in Weg, das hilft beim Dichtholen. Im Umkehrschluss erzeugt der Schotzug beim Fieren enorme Seilgeschwindigkeiten, daher sollte die Leine nur Hand über Hand gefiert oder komplett losgelassen werden. Ein durch die Hand rutschendes Tau erzeugt derart viel Reibungswärme, dass schnell Verbrennungen entstehen, außerdem schleift sich die Leine blitzschnell durch die Haut. Segelhandschuhe und der Faustgriff verringern die Verletzungsgefahr deutlich.

Fallenstopper

Wie viel Last auf einer im Stopper fixierten Leine ist, wird häufig unterschätzt. Öffnet man die Klemme, leidet nicht nur das Tau, es kann auch durch die Hand gezogen werden, was wie an Schoten und Winschen zu Brand- und Schürfwunden führen kann. Daher sollte das Fall auf die Winsch gelegt und angekurbelt werden. Anschließend wird es bei geöffneter Klemme kontrolliert über die Winde gefiert.

Drahtfallen

Metallische Fallen sind nur noch selten an Bord - gut so, denn sie neigen dazu, Fleischerhaken zu bilden. Speziell der Bereich direkt hinter dem Schäkel ist gefährdet, er liegt bei gesetztem Segel auf der Fallscheibe und wird mit jeder Laständerung durchgewalkt, das lässt das Material ermüden und einzelne Kardeele brechen. Diese dünnen Drähtchen stehen dann als Spitzen hervor. Handschuhe tragen oder auf Dyneema-Fallen umrüsten.

Mooringleinen

Die Festmacher liegen die meiste Zeit auf dem Grund und sind entsprechend verschmutzt sowie häufig mit scharfkantigen Muscheln und Pocken bewachsen. Da sie beim Anlegen zügig zum Bug geführt werden müssen, besteht Schnittgefahr. Am besten pickt man die Mooring mit einem Haken auf und trägt zum Belegen Handschuhe.

Festmacher

Lange Landleinen werden schnell zur Fußfessel, wenn man beim Hantieren in eine an Deck liegende Schlaufe tritt. Zudem sollte das Tauwerk um eine Klampe gelenkt werden, damit man plötzliche Belastungen nicht aus Hand und Rücken abfangen muss.

Buch: Medizin auf See

"Medizin auf See", von Jens Kohfahl, Delius Klasing VerlagFoto: YACHT/Jozef Kubica

Wenn Prophylaxe nicht hilft und doch etwas passiert, ist in „Medizin auf See“ von Jens Kofahl nachzulesen, wie die Crew diverse Verletzungen unterwegs auf See ohne Arzt behandelt. Delius-Klasing, 59,90 Euro.

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