SeemannschaftVorsegel reffen – lieber mit Rollanlage oder Leinenreff?

Hauke Schmidt

 · 23.10.2024

Kaum zu erkennen, aber effektiv: Hier das Boot unter Vollzeug, ...
Foto: YACHT/Jozef Kubica
Vorsegel mit Bindereff stehen auch verkleinert optimal. Wir haben die Alternative zur Rollanlage eine Saison getestet

Furlex und Co. sind enorm bequem. Zum Setzen des Vorsegels zieht man nur an der Schot, und wenn es nicht mehr benötigt wird, ist es ebenso schnell wieder weggerollt, ohne Platz auf dem Vorschiff zu belegen. Kein Wunder also, dass so gut wie jede Fahrtenyacht und ein Großteil der Performance-Cruiser wie unsere X‑37 mit Rollreffanlagen unterwegs sind. Sowohl Segel als auch Roll­anlage hatten in unserem Fall schon bessere Tage gesehen und mussten ersetzt werden. Zeit, über Alternativen nachzudenken.

Im Zuge der bequemen Bedienung geraten oft die Nachteile des Wickelns in Vergessenheit. Am augenscheinlichsten ist der schlechtere Stand des eingerefften Segels. Aber auch ungerefft ist das Segel ein Kompromiss, denn das Achterliek kann nicht optimal ausgerundet werden. Damit sinkt der Wirkungsgrad des Segels.

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Das betrifft vor allem Yachten, auf denen nicht-überlappende Vorsegel gefahren werden. Diese von Haus aus eher kleinen Focks sind im Top so schlank, dass sie dort eher Widerstand als Vortrieb erzeugen. Vertikale Latten versprechen Abhilfe, erlauben aber auch keine große Achterlieksrundung und machen das Segel im Fall eines Wechsels enorm sperrig.

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Auf Regattayachten, die Ein- oder Zwei­hand gesegelt werden, zeichnet sich daher seit einigen Jahren ein Trend zurück zum Stagreitersegel mit horizontalen Latten ab, und zwar in Kombination mit einem Bin­de­reff. Die Idee, das Vorsegel horizontal zu reffen, ist nicht neu, dank moderner Materialien und weit entwickelter Technik funktioniert das System aber wesentlich einfacher und effektiver als mit den Dacron-­Tüchern der 70er-Jahre.

Triebfeder der Entwicklung sind die Class Mini 650 und Class 40. Dort ist maximale Segelleistung bei einfacher Bedienung und Robustheit gefordert. Hinzu kommt, dass im Mini nur sechs Segel an Bord sein dürfen. Die reffbare Fock erspart damit nicht nur den Segelwechsel, sondern ersetzt auch die Genua 4 und spart zudem Gewicht und Platz.

Reffen: So wird die Vorsegelfläche verkleinert

Was bei der Einhand-Regatta angesagt ist, verspricht auch für sportliche Familiencrews geeignet zu sein. Daher wurde anstelle einer neuen Roll­anlage ein Rodvorstag angeschlagen und eine maximal große Genua 3 mit horizontalen Latten und Reff geordert. Das von UK-Sails gefertigte X‑Drive-­Segel besitzt in 1,20 Meter Höhe ein zweites Hals­auge und ein zusätzliches Schot­horn, beides aus Dyneema-Gurtband. ­Außerdem sind auf jeder Seite zwei lange, parallel zum Unterliek verlaufende Reißverschlüsse vorhanden. Damit lässt sich das überschüssige Tuch beim Reffen zu einer kompakten Rolle stauen. Gerefft wird ähnlich wie beim Großsegel, sprich, das Fall wird gefiert und das zusätzliche Hals­auge nach unten gezogen, bis es am Bugbeschlag eingeschäkelt werden kann. Außer­dem muss die Schot in das obere Schot­horn gewechselt und das überschüssige Tuch gesichert werden. Am leichtesten funktioniert das Manöver, wenn das Vorsegel dazu kurz geborgen wird. Mit ein wenig Übung lässt sich das Segel aber auch im Betrieb verkleinern.

Schot umstecken: Die Luvschot ins obere Schot­horn wechseln und durch den Lee-Holepunkt führen. Dann so weit abfallen, dass die Fock abgedeckt wird
Foto: YACHT/Jozef Kubica

Dazu wird am Bugbeschlag eine Niederholerleine geriggt, die durch einen Block oder eine Kausch am oberen Hals­auge läuft und von dort zurück zum Bugbeschlag und weiter ins Cockpit zu einem Stopper umgelenkt ist. Damit ergibt sich eine Zwei-zu-eins-Übersetzung, was die nötige Kraft verringert.

Zum Reffen wird die freie Luv­schot am oberen Schot­horn angeschlagen und durch den aktuellen Hole­punkt in Lee zur Winsch geführt. Nun fällt man kurz so weit ab, dass die Fock vom Großsegel abgedeckt wird und so nicht mehr unter Druck steht, fiert das Fall und holt gleichzeitig den Niederholer dicht, bis der Reffhals am Bugbeschlag sitzt. Anschließend holt man die neue Schot durch, damit das Segel nicht mehr killen kann. Nun muss nur noch der Halsschäkel gelöst werden, damit das überschüssige Unterliek aufgerollt werden kann.

Der Trick dabei sind die Reißverschlüsse. Man schlägt das Unterliek um und fädelt den Zipper ein. Anschließend arbeitet man sich am Unterliek nach achtern und schließt den Reißverschluss. Am Ende wird der Zipper mit einer kleinen Klettlasche gesichert, und das Manöver ist abgeschlossen. Die inzwischen ungenutzte Schot kann ebenfalls am Reff-­Schot­horn angeschlagen werden und wird als neue Luv­schot gefädelt. Klingt kompliziert, ist in der Praxis aber ein schnell gelernter Ablauf. Die Position des Reff-­Schot­horns ist so gewählt, dass der Hole­punkt praktisch nicht verändert werden muss. Die Tuchrolle am Unter­liek fällt kaum auf und stört weder die Aerodynamik noch das Handling des Segels.

Ausreffen: Zurück zur vollen Größe

Das Ausreffen läuft in umgekehrter Reihenfolge ab und ist einfacher, zumal die Bedingungen auf dem Vorschiff bei abnehmendem Wind in der Regel auch angenehmer werden. Wer die beiden Schoten nicht gleichzeitig durch den Hole­punkt führen kann oder keine Winsch frei hat, wendet oder halst, nachdem er die Luv­schot am Reff-­Schot­horn angeschlagen hat. Selbst wenn das Segel zum Reffen geborgen wird, ist es deutlich leichter, die Schoten und den Hals umzuriggen, als das Segel komplett zu wechseln.

Niederholer fieren, Fall holen: Ausgerefft wird wieder in der Abdeckung des Großsegels. Durch Fieren der Halsleine und Durchsetzen des Falls wird der Hals etwa bis zum Bugkorb vorgeheißt
Foto: YACHT/Jozef Kubica

Für die Zusatzausstattung muss man etwa zehn Prozent Aufpreis kalkulieren, im Vergleich zur Anschaffung eines weiteren Segels nicht viel Geld. Die Nachrüstung vorhandener Segel ist möglich, Aufwand und Kosten sind aber von Art und Material des Segels abhängig und lassen sich nicht pauschal beziffern.

Nach unseren Erfahrungen auf rund 1500 teils windigen Seemeilen im vergangenen Sommer ist die Reff­-Option eine gute Lösung, die den Windbereich deutlich erweitert. Das Segel steht ein- und ausgerefft optimal, lässt sich mit kleiner Crew gut handeln und ist merklich effektiver als eine Rollgenua.


Groß oder klein: Immer optimaler Vortrieb

Ungereffte Segel

Profil ungerefftFoto: YACHT/Jozef KubicaProfil ungerefft

Dank Toplatte kann das Achterliek ausgerundet werden, das fördert die Effizienz und bringt schon bei leichten Bedingungen mehr Vortrieb

Gereffte Segel

Profil gerefftFoto: YACHT/Jozef KubicaProfil gerefft

Saubere Anströmung ohne Tuchwulst, und das Profil des Segels ist optimal. Tiefe und Position werden mit der Fallspannung eingestellt


Bewährte Details

Textile Stagreiter

Stagreiter WariantenFoto: YACHT/Jozef Kubica

Dyneema-Gurte mit Klipps haben sich bewährt, sie lassen sich sehr einfach bedienen und gleiten gut auf dem Rod

Softes Schothorn

, Ausreffen des Vorsegels, Wechsel des Anschlagpunkts, Wechsel des Anschlagpunkts der, Wechsel des Anschlagpunkts der Schot am SchothornFoto: YACHT/Jozef Kubica

Beide Schot­hörner sind aus Gurtband, das ist vor allem für das Reffhorn wichtig, damit es wenig stört und schlägt

Halsleine

Hals snschlagenFoto: YACHT/Jozef Kubica

Mit einem durch das Reff­auge am Hals laufenden Niederholer muss das Segel nicht komplett geborgen werden


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