Furlex und Co. sind enorm bequem. Zum Setzen des Vorsegels zieht man nur an der Schot, und wenn es nicht mehr benötigt wird, ist es ebenso schnell wieder weggerollt, ohne Platz auf dem Vorschiff zu belegen. Kein Wunder also, dass so gut wie jede Fahrtenyacht und ein Großteil der Performance-Cruiser wie unsere X‑37 mit Rollreffanlagen unterwegs sind. Sowohl Segel als auch Rollanlage hatten in unserem Fall schon bessere Tage gesehen und mussten ersetzt werden. Zeit, über Alternativen nachzudenken.
Im Zuge der bequemen Bedienung geraten oft die Nachteile des Wickelns in Vergessenheit. Am augenscheinlichsten ist der schlechtere Stand des eingerefften Segels. Aber auch ungerefft ist das Segel ein Kompromiss, denn das Achterliek kann nicht optimal ausgerundet werden. Damit sinkt der Wirkungsgrad des Segels.
Das betrifft vor allem Yachten, auf denen nicht-überlappende Vorsegel gefahren werden. Diese von Haus aus eher kleinen Focks sind im Top so schlank, dass sie dort eher Widerstand als Vortrieb erzeugen. Vertikale Latten versprechen Abhilfe, erlauben aber auch keine große Achterlieksrundung und machen das Segel im Fall eines Wechsels enorm sperrig.
Auf Regattayachten, die Ein- oder Zweihand gesegelt werden, zeichnet sich daher seit einigen Jahren ein Trend zurück zum Stagreitersegel mit horizontalen Latten ab, und zwar in Kombination mit einem Bindereff. Die Idee, das Vorsegel horizontal zu reffen, ist nicht neu, dank moderner Materialien und weit entwickelter Technik funktioniert das System aber wesentlich einfacher und effektiver als mit den Dacron-Tüchern der 70er-Jahre.
Triebfeder der Entwicklung sind die Class Mini 650 und Class 40. Dort ist maximale Segelleistung bei einfacher Bedienung und Robustheit gefordert. Hinzu kommt, dass im Mini nur sechs Segel an Bord sein dürfen. Die reffbare Fock erspart damit nicht nur den Segelwechsel, sondern ersetzt auch die Genua 4 und spart zudem Gewicht und Platz.
Was bei der Einhand-Regatta angesagt ist, verspricht auch für sportliche Familiencrews geeignet zu sein. Daher wurde anstelle einer neuen Rollanlage ein Rodvorstag angeschlagen und eine maximal große Genua 3 mit horizontalen Latten und Reff geordert. Das von UK-Sails gefertigte X‑Drive-Segel besitzt in 1,20 Meter Höhe ein zweites Halsauge und ein zusätzliches Schothorn, beides aus Dyneema-Gurtband. Außerdem sind auf jeder Seite zwei lange, parallel zum Unterliek verlaufende Reißverschlüsse vorhanden. Damit lässt sich das überschüssige Tuch beim Reffen zu einer kompakten Rolle stauen. Gerefft wird ähnlich wie beim Großsegel, sprich, das Fall wird gefiert und das zusätzliche Halsauge nach unten gezogen, bis es am Bugbeschlag eingeschäkelt werden kann. Außerdem muss die Schot in das obere Schothorn gewechselt und das überschüssige Tuch gesichert werden. Am leichtesten funktioniert das Manöver, wenn das Vorsegel dazu kurz geborgen wird. Mit ein wenig Übung lässt sich das Segel aber auch im Betrieb verkleinern.
Dazu wird am Bugbeschlag eine Niederholerleine geriggt, die durch einen Block oder eine Kausch am oberen Halsauge läuft und von dort zurück zum Bugbeschlag und weiter ins Cockpit zu einem Stopper umgelenkt ist. Damit ergibt sich eine Zwei-zu-eins-Übersetzung, was die nötige Kraft verringert.
Zum Reffen wird die freie Luvschot am oberen Schothorn angeschlagen und durch den aktuellen Holepunkt in Lee zur Winsch geführt. Nun fällt man kurz so weit ab, dass die Fock vom Großsegel abgedeckt wird und so nicht mehr unter Druck steht, fiert das Fall und holt gleichzeitig den Niederholer dicht, bis der Reffhals am Bugbeschlag sitzt. Anschließend holt man die neue Schot durch, damit das Segel nicht mehr killen kann. Nun muss nur noch der Halsschäkel gelöst werden, damit das überschüssige Unterliek aufgerollt werden kann.
Der Trick dabei sind die Reißverschlüsse. Man schlägt das Unterliek um und fädelt den Zipper ein. Anschließend arbeitet man sich am Unterliek nach achtern und schließt den Reißverschluss. Am Ende wird der Zipper mit einer kleinen Klettlasche gesichert, und das Manöver ist abgeschlossen. Die inzwischen ungenutzte Schot kann ebenfalls am Reff-Schothorn angeschlagen werden und wird als neue Luvschot gefädelt. Klingt kompliziert, ist in der Praxis aber ein schnell gelernter Ablauf. Die Position des Reff-Schothorns ist so gewählt, dass der Holepunkt praktisch nicht verändert werden muss. Die Tuchrolle am Unterliek fällt kaum auf und stört weder die Aerodynamik noch das Handling des Segels.
Das Ausreffen läuft in umgekehrter Reihenfolge ab und ist einfacher, zumal die Bedingungen auf dem Vorschiff bei abnehmendem Wind in der Regel auch angenehmer werden. Wer die beiden Schoten nicht gleichzeitig durch den Holepunkt führen kann oder keine Winsch frei hat, wendet oder halst, nachdem er die Luvschot am Reff-Schothorn angeschlagen hat. Selbst wenn das Segel zum Reffen geborgen wird, ist es deutlich leichter, die Schoten und den Hals umzuriggen, als das Segel komplett zu wechseln.
Für die Zusatzausstattung muss man etwa zehn Prozent Aufpreis kalkulieren, im Vergleich zur Anschaffung eines weiteren Segels nicht viel Geld. Die Nachrüstung vorhandener Segel ist möglich, Aufwand und Kosten sind aber von Art und Material des Segels abhängig und lassen sich nicht pauschal beziffern.
Nach unseren Erfahrungen auf rund 1500 teils windigen Seemeilen im vergangenen Sommer ist die Reff-Option eine gute Lösung, die den Windbereich deutlich erweitert. Das Segel steht ein- und ausgerefft optimal, lässt sich mit kleiner Crew gut handeln und ist merklich effektiver als eine Rollgenua.
Dank Toplatte kann das Achterliek ausgerundet werden, das fördert die Effizienz und bringt schon bei leichten Bedingungen mehr Vortrieb
Saubere Anströmung ohne Tuchwulst, und das Profil des Segels ist optimal. Tiefe und Position werden mit der Fallspannung eingestellt
Dyneema-Gurte mit Klipps haben sich bewährt, sie lassen sich sehr einfach bedienen und gleiten gut auf dem Rod
Beide Schothörner sind aus Gurtband, das ist vor allem für das Reffhorn wichtig, damit es wenig stört und schlägt
Mit einem durch das Reffauge am Hals laufenden Niederholer muss das Segel nicht komplett geborgen werden