Mit nervösen Blicken manövriert sich die Chartercrew mit laut flatterndem Großsegel in den Hafen. Das Schothorn ist mehrfach notdürftig um den Mast gewickelt, doch weiter oben bildet sich ein großer Sack, der immer wieder Wind fängt. Der Mast zerrt das Schiff recht wild hin und her, es bockt unberechenbar. Keine optimalen Startbedingungen für ein gelungenes Anlegemanöver.
Ein Problem, das immer wieder vorkommt. Die Ursache: ein verklemmtes Großsegel. Das passiert meist, wenn es etwas stärker weht, denn dann bilden sich durch das Schlagen während des Wegrollens des Tuches, das mit dem Bug im Wind gefahren wird, beim Aufrollen Falten. Und die dicken sich im Mastprofil irgendwann so weit auf, dass nichts mehr geht. Es klemmt. Das Großsegel geht weder rein, wo es eigentlich hin soll, noch raus. Denn dann könnte man es wenigstens per Fall sacken lassen.
Die möglichen Gründe für die unerwünschte Klemmung im Mast sind vielfältig: Fehlbedienung mit zu wenig Gegendruck auf der Ausrollleine, aufrollen in die verkehrte Richtung, zu wenig Spannung auf dem Fall oder zu viel Spannung auf dem Achterstag. Mit viel Gefummel, meist mit jemandem im Mast, der versucht, die Falten zu klarieren, so gut es geht, kommt das Tuch in der Regel wieder frei. Definitiv ist das aber kein Job, den man auf See erledigen kann.
Dennoch sind viele Yachten heute mit Rollgroßsegeln ausgestattet. Und das aus gutem Grund, denn korrekt bedient bieten sie durchaus Komfort und sichere, einfache Handhabung. Doch was genau ist eine korrekte Bedienung, und welche Vor- und Nachteile bietet das System gegenüber einem durchgelatteten Großsegel mit Einleinenreff und Lazy-Bag? Und: Welche bequemen Alternativen gibt es dazu?
Ein Rollgroßsegel ist eigentlich das Gleiche wie ein Rollvorsegel, nur eben im Mast. Ein Profil mit Nut, in die das Segel eingezogen wird, ein Antrieb, der das Profil dreht, der manuell, elektrisch oder hydraulisch sein kann, sowie eine Leine, die das Segel entlang des Baums aus dem Mast zieht. Der große Unterschied zum Vorsegel ist jedoch der beengte Raum, in den das Tuch passen muss. Deshalb gehört es sauber aufgerollt. Passiert das beim Vorsegel mal nicht, ist das kein Beinbruch. Einmal aus- und wieder eingerollt, mit etwas mehr Gegendruck von der Schot, und schon liegt das Tuch perfekt um das Vorstag. Beim Groß kann es bei falscher Wicklung jedoch zum eingangs beschriebenen Szenario kommen: Alles klemmt, nichts geht mehr. Das jedoch muss nicht sein.
Da das Segel um das Profil im Mast gewickelt wird, sind waagerechte Latten wie beim konventionellen Großsegel nicht möglich. Um nun nicht ständig mit flatterndem Achterliek unterwegs zu sein, wird dieses hohl geschnitten, konkav. Dadurch geht dem Rollgroß im Vergleich zu anderen Tüchern Fläche verloren. Gelöst werden kann das Problem durch sehr lange, vertikale Latten. Die stehen senkrecht parallel zum Mast im Segel und werden einfach mit eingerollt. Das ermöglicht mehr Fläche und sogar ausgestellte Achterlieken. Dann hat ein Rollgroß kaum weniger Power als sein herkömmliches Pendant.
Da die Latten jedoch auch in das ohnehin enge Mastprofil passen müssen, ist beim Aufwickeln besondere Sorgfalt gefragt. Oftmals passen die Latten jedoch einfach nicht mit rein, was besonders dann der Fall ist, wenn das Mastprofil eher klein ausgelegt ist. Wer also von einem lattenlosen Rollgroß auf mehr Fläche mit Latten wechseln möchte, muss das mit dem Segelmacher besprechen.
Durch das kompliziertere Mastprofil, das Segel, das immer oben bleibt, auch wenn es gerefft wird und das Profil samt Wickelvorrichtung ist das Rollrigg etwas schwerer. Dadurch erhöht sich das Toppgewicht, was wiederum das aufrichtende Moment herabsetzt. Es kann also sein, dass ein Schiff die Kriterien der CE-Kategorie A mit normalem Mast erfüllt, mit einem Rollrigg aber nicht mehr. Auf einem unruhigen Ankerplatz kann es sein, dass das Segel im Mast hin- und herschlägt. Das ist laut und schwerlich abzustellen.
Diesen Nachteilen steht eine ganze Reihe von Vorteilen gegenüber. Einmal weggerollt ist das Segel auch schon komplett versorgt. Kein Fall, das abgebunden werden muss, keine hakenden Reißverschlüsse, kein sperriges Segelkleid. Richtig bedient, lässt sich das Tuch auf jede Windbedingung perfekt einstellen, da es nicht stufenweise gerefft werden muss. Notfalls lässt sich das Segel auch auf tieferen Kursen einwickeln. Das geht eher schwer, da es stark an der Einlasskante am Mast schamfilt, das Tuch leidet. Wenn jedoch die Alternativen fehlen, ist es zumindest möglich. In Verbindung mit elektrischem oder hydraulischem Antrieb ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt. Oftmals dreht ein Motor das Profil im Mast und der andere bewegt den Outhaul. Fiert der langsamer, als im Mast gewickelt wird, baut sich zu viel Spannung auf, was das System blockieren kann. Ein freier Blick ins Segel während der Bedienung ist daher unabdingbar. Das gilt freilich auch bei der manuellen Bedienung.
Wenn zwei Personen das Segelmanöver durchführen, ist bei diesen beiden ebenfalls eine gute Abstimmung wichtig. Wickelgeschwindigkeit und die Spannung der Ausholleine müssen zueinander passen. Mit etwas Übung ist es dann auch möglich, das Segel zu setzen oder zu bergen, wenn das Schiff nicht im Wind steht.
Das Setzen, Reffen oder Bergen vor dem Wind ist bei horizontal durchgelatteten Segeln sehr schwierig bis unmöglich. Die Reibung am Rigg ist zu groß, und das Tuch verhakt sich dann gerne mit den Lazy-Jacks. Nur mit viel Gefummel und Akrobatik lässt sich das beheben.
Um das Tuch zu bergen und ordentlich aufzutuchen, muss ein kleinerer Winkel zum Wind gefahren werden; mit gelöster Großschot verschwindet dabei der Druck aus dem Segel. Mit entsprechend vorbereitetem Fall – es muss ganz frei ausrauschen können – fällt das Tuch ganz von selbst in den Lazy-Bag oder die Lazy-Jacks.
Eine ins Cockpit umgelenkte Bergeleine am Vorliek kann dabei zusätzlich helfen und den Weg auf Deck ersparen, um das Segel im geborgenen Zustand zu sichern, sodass es nicht gleich wieder in jeder Welle emporsteigt. Reffen funktioniert idealerweise mit nur einer Leine. Fall lösen, Reffleine durchsetzen, Fall durchsetzen. Fertig. Eine geübte Crew schafft das in kürzester Zeit. Weniger komfortabel ist es, wenn man zum Einhängen der Refföse an den Mast muss. Ansonsten ist das ganze System sehr simpel: Ein Fall und ein paar Mastrutscher, mehr bewegliche Teile gibt es nicht. Wer auf eine saubere Keep im Mast achtet und Rutscher oder Wagen mit Teflonspray schmiert, macht es sich noch einfacher. Eine Elektrowinsch auf dem Kajütdach oder Süll sowie ein Block mit 1:2-Übersetzung am Fall lässt die Arbeit noch leichter werden.
Das Großsegel selbst kann vom Segelmacher nahezu ohne Einschränkungen geschnitten werden: Besonders viel Profil? Ein stark ausgestelltes Topp? Sehr schweres Tuch? Loses oder am Baum befestigtes Unterliek? Vieles ist möglich. Diese Vorteile erkauft sich der Eigner durch etwas mehr Arbeit mit dem Tuch: Im Hafen muss es ordentlich gepackt und sodann vor UV-Strahlung geschützt werden. Dafür muss ein meist langer und schwer erreichbarer Reißverschluss geschlossen werden. Gerade auf größeren Yachten oder besonders bei Katamaranen sitzt der Lazy-Bag jedoch so weit oben, dass vom Deck aus einige Kletterei erforderlich ist, um dort überhaupt heranzukommen. Im Bereich der Sprayhood und des Cockpit ist das besonders problematisch. Das ist sicher nicht jedermanns Sache. Die Folge: Der Reißverschluss bleibt zu oft offen, das Großsegel altert in der Sonne schnell.
Das beste aus beiden Welten scheint ein Rollsystem im Baum zu kombinieren. Wie der Name schon sagt, wird dabei das Segel nicht in den Mast, sondern in den Baum gewickelt. Ein fast normales Segel mit horizontalen Latten ist kein Problem. Die Latten aber müssen genau parallel zum Baum aufgewickelt werden. Deswegen ist es enorm wichtig, dass Mastkeep und Baum genau einen rechten Winkel zueinander bilden, wenn gewickelt wird. Wegen der oft erforderlichen Mastbiegung muss ein Ausgleichstück am Mast befestigt werden, das die Durchbiegung nivelliert.
Zudem wird bei manchen Systemen das Vorliek aus der Mastnut ausgefädelt, wenn das Segel geborgen wird, um es vollkommen vor UV-Strahlung zu schützen. Dann verschwindet es gänzlich im Baum. Umgekehrt muss dann beim Setzen das Vorliek in die Nut eingefädelt werden. Manche Eigner belassen den Kopf des Segels in der Nut und nehmen die UV-Belastung billigend in Kauf, ein wachsames Auge, ob das Vorliek reibungslos in die Nut gleitet, ist beim Setzen dennoch unabdingbar. Das Zusammenspiel zwischen Fallbedienung und einer Person am Mast kann dabei erforderlich sein. Schließlich muss der Baum obendrauf auch abgedeckt werden, damit sowohl Regen als auch UV-Strahlung nicht durch die Öffnung ins Segel gelangen. Die scheinbar perfekte Lösung aus beiden vorgenannten Bergesystemen hat mithin durchaus ebenfalls einige Nachteile. Viele Eigner jedoch schwören drauf.
Eine weitere Möglichkeit ist das sogenannte Dutchman Reef. Hierbei werden je nach Segelgröße zwei bis fünf starke Angelsehnen von der Dirk senkrecht zum Baum durch kleine Kauschen im Segel gefädelt. Löst man nun das Fall, legt sich das Großsegel wie von selbst in großen Falten auf den Baum und bleibt auch dort. Es ist ja auf den Angelsehnen aufgefädelt. Besonders Einhandsegler schwören auf das System. Beim Bergen muss die Dirk durchgesetzt sein, was aber ja ohnehin erforderlich ist, zumindest wenn kein Rodkicker an Bord ist.
Der Nachteil des Systems ist allerdings, dass das Segelkleid etwas fummelig zu montieren ist: Jede Sehne braucht einen eigenen, seitlichen Reißverschluss. Erster Ansprechpartner für ein solches System ist daher der eigene Segelmacher. Der liefert im Idealfall auch gleich die Dirk mit den Angelsehen darin. Nachrüsten lässt sich das Dutchman Reef ohne Probleme. Was viele Eigner am System schätzen ist zudem, dass es unsichtbar ist. Kein schlabbernder Lazy-Bag, keine zusätzlichen Leinen im Mast, einfach ein schieres Großsegel.
Egal welches System auf der eigenen Yacht verbaut ist, wichtig ist, sich damit zu beschäftigen. Wie lässt sich die Handhabung optimieren, wie Fehler und damit verbundene Probleme vermeiden? Beim Neukauf ist die Wahl des Großsegelbergesystems letztlich eine Frage des eigenen Geschmacks. Vielleicht aber stellt sich die Frage auch gar nicht, weil auf der eigenen, gebrauchten Traumyacht schlicht eines der Systeme installiert ist. Während ein Rollbaum durchaus nachrüstbar ist, gilt das für ein Rollgroß im Mast nur bedingt. Nachrüstsätze, wie das CF-System von Facnor, werden nicht mehr angeboten. Auch der Umbau vom Furler zu einem durchgelatteten Tuch ist nicht möglich, da das Mastprofil einfach nicht passt. Dann steht meist der Tausch des gesamten Riggs an, ein immenser Aufwand.
Bevor es so weit kommt, ist es deutlich sinnvoller, sich mit dem eigenen Reffsystem auseinanderzusetzen, denn womöglich lassen sich viele Nachteile durch Übung oder sinnvolle Investitionen ausgleichen.
Die einen schwören drauf, die anderen wollen nichts davon wissen. Warum?
Der Rollreffmast ist aufwendiger, bringt aber einen sehr hohen Bedienkomfort mit
Eigentlich simpel zu bedienen, hat das System dennoch seine Tücken. Welche?
Die technische Seite ist simpel, aber das Reffen und Zusammenlegen sind deutlich aufwendiger
Es erscheint logisch: Segel samt horizontaler Latten in den Baum wickeln. Doch ist es das?
Wickeln, aber horizontal. Ist das die ideale Lösung für das Reffen und Bergen?