Das Problem kann immer mal auftauchen: Bei einer Yacht in Fahrt und rund laufender Maschine, eingekuppelt in Voraus- oder Rückwärtsfahrt, versagt der Motor plötzlich den Dienst und geht abrupt aus. Ein Schockmoment, besonders wenn das Maschinenversagen während einer engen Passage, bei einem Hafenmanöver oder auf Legerwall vor der Küste passiert.
Vor dem erneuten Starten rattert die innere Checkliste zur Ursachenforschung durch den Kopf: Treibstoffzufuhr, Motorschaden, Elektrik? Der kurze Blick nach achtern bringt Licht in die jetzt anbrechende dunkle Stunde des Schiffsführers: Da liegt ein Tampen auf der Klampe und legt sich stramm über die Bordwand und weiter eng am Rumpf hinunter Richtung Wasserlinie – bis hinunter zum Propeller. Das lose Ende ist quasi angesaugt worden, um die Welle gewickelt und hat dann die Umdrehung des Propellers von 2.500 auf null gewürgt. Ungläubiges Staunen, Fluchen, Schuldzuweisungen – doch das bringt jetzt alles nichts. Im Gegenteil, die Sekunde der Wahrheit erfordert maximal schnelles Handeln: Umgebung checken, Seekarte sichten, Segel hoch und sich sofort aus einer möglichen Gefahrenlage frei segeln.
Wer so weitere Schäden an Leib, Seele und Rumpf verhindert hat, kann von Können oder Glück sagen und in den nächsten Hafen segeln, sich erst mal an den Anker legen oder Schlepphilfe anfordern – und sich dann voll auf das Desaster am Propeller konzentrieren.
Einen Versuch ist es wert: Motor auskuppeln und an der verursachenden Leine ziehen. Dazu muss diese natürlich noch an Deck zu greifen sein. Mit etwas Glück lässt sich der Prop befreien und der Motor neu starten. Wenn das nicht funktioniert, wird ein eigener oder beauftragter Tauchgang nötig, um die festgezurrte Leine, das Netz oder die Plastikplane von Welle oder Saildrive zu lösen. Und selbst wenn das Knäuel viele Lungen voll Luft später mühevoll zwischen Stevenrohr und Propellerlager herausgeschnitten wird, ist noch nicht klar, wie es um Propeller, Welle, Kupplung und Getriebe steht.
Ob im Wasser hängende Schoten oder Festmacher, nicht sichtbare treibende Fischernetze, losgerissene Reusen, herrenlose Tampen oder Plastikmüll – es gibt einige Gefahren für den rotierenden Antrieb unter Wasser. Und egal was die Maschine in den ungewollten Stopp gewürgt hat, es besteht dringender Handlungsbedarf: „Das Beste ist nach so einem Vorfall mit Fremdkörpern, der zum Motorstopp führt, den nächsten Kran und eine Werkstatt anzulaufen“, erklärt Manuel Keinberger. Der Geschäftsführer bei Kiesow Schiffsmotoreninstandsetzung in Kappeln weiter: „Die möglichen Auswirkungen auf die betroffenen Materialien sind nicht ohne Weiteres ersichtlich und können bei Weiterbetrieb zu Folgeschäden führen und ein Sicherheitsrisiko bedeuten.“ Der Verdacht, dass der Experte mit solchen Aussagen das Geschäft ankurbeln möchte, ist allerdings abwegig – die Auftragsbücher sind voll, und Neukunden haben kaum eine Chance, betreut zu werden.
Was Keinberger und seine Zunft nach einer ungewollten Tampenverwicklung am Propeller dringend empfehlen, ist eine fachgerechte Demontage und Zerlegung des Propellers, je nach Bautyp als Drehflügel-Falt- oder Festpropeller kann es hier zu unterschiedlichen äußeren und „inneren Verletzungen“ von Mechanik, Zahnrädern und Bolzen kommen, und eine weitere Nutzung des Propellers kann weitere Schäden verursachen, bis hin zu einem endgültigen Verlust der Antriebskraft – mit dem damit verbundenen Risiko einer Havarie.
Neben dem Propeller sollte auch die Welle ausgebaut und penibel auf Deformation geprüft werden. Denn im eingebauten Zustand ist das nicht möglich. Selbst wenn die Welle in Gänze sichtbar ist, würden Schäden nur bei großer Deformation sichtbar sein, eine kleine Verformung ist nur mit Messgeräten zu verifizieren. Keinbergers Mitarbeiter spannen hierzu die betroffene Welle in eine Drehbank ein und messen millimetergenau, ob es Schwankungen gibt. „Selbst kleine Verformungen führen zu Unwucht am Antriebsstrang, was sich negativ auf die Kupplung und das Getriebe auswirken kann“, so Keinberger. Zudem leidet die gesamte Peripherie, wie Wellenendlager, Propellerwellenabdichtung und andere Dichtungen, was mittelfristig die nächsten Schäden verursacht und im schlimmsten Fall Wassereinbruch bedeuten kann. Auch bei einem Saildrive kann es zu Komplikationen kommen, wenn der Antrieb durch Tauwerk gewaltsam gestoppt wird: Die Wellendichtungen und Lager können beschädigt und undicht und die Welle und Umlenkung deformiert werden.
Auf den ersten Blick scheint es nur selten vorzukommen, dass sich Segelyachten im Würgegriff eines Tampens befinden. Zumindest macht diese Schadensart für den Yachtversicherungsspezialisten Pantaenius nur einen kleinen Anteil von unter einem Prozent am jährlichen Schadenaufkommen aus. „Wenn es einen konventionellen Antrieb von Segelyachten erwischt, ist das aus finanzieller Sicht sehr ärgerlich, aber meist ein überschaubarer Schaden. Bei einem Saildrive wird es schnell komplexer, auch in der Peripherie. Deutlich gravierender sieht das bei Motoryachten aus, wo je nach Bauart dann auch das Getriebe betroffen ist“, erklärt Holger Flindt, der bei Pantaenius die internationale Schadensabteilung leitet. Wenn beispielsweise ein Jetantrieb, Z-Antrieb oder das IPS-System von Volvo durch Treibgut oder Grundberührung beschädigt wird, geht das ans Eingemachte, die Kosten für eine Reparatur können leicht fünfstellig werden.
Im Bereich Wassersport sind Leine oder Netz in der Schraube für die DGzRS der dritthäufigste Grund, auszulaufen. Im Jahr 2023 wurde das insgesamt 32-mal notwendig. Im Vergleich zu Grundberührung (293 Einsätze) und Motor- oder Getriebeschaden (237 Einsätze) ist das keine gravierende Größenordnung, allerdings geben diese Zahlen keine Auskunft über die tatsächliche Anzahl der Zwischenfälle und Schäden durch blockierte Propeller, da es Segler auch aus eigener Kraft oder mit selbst organisierter Schlepphilfe in den Hafen schaffen.
Davon wissen auch die Mechaniker von Kiesow zu berichten, die allein jedes Jahr etwa 20 Fälle von Propeller-Problemen durch Tampen und Treibgut beseitigen. „Schäden an der Schraube und Wellenanlage können vermieden, aber nie ganz verhindert werden“, weiß Keinberger. „Doch Yachteigner und Werkstätten können im Vorfeld eine Menge tun, das Szenario einer Manövrierunfähigkeit zu verhindern und damit die Sicherheit zu erhöhen und viel Geld zu sparen.“
Denn neben den selbst oder unverschuldeten Schäden durch Fremdkörper in der Schraube und Wellenanlage gibt es noch einige andere Gründe, warum eine Maschine ihre Leistung nicht mehr für den Vortrieb nutzbar machen kann. Ein großer Feind des Propellers und der Welle kann die Elektrolyse sein. Dabei wandern elektrisch geladene Atombestandteile – Elektronen – von einem metallischen Bestandteil des Antriebsstrangs zum anderen.
Denn die Antriebswelle des Bootes besteht aus Edelstahl. An ihr Ende wird auf einem Konus der Propeller montiert, der wiederum aus Bronzeguss gefertigt ist, einer Legierung verschiedener Metalle. Im Kampf der Elektronen verliert die Bronze, mit dem Ergebnis von Unwucht und Rissen bis hin zum Bruch des Materials bei Volllast.
Ganz vermeidbar sind die galvanischen Ströme nicht. Die Lösung liegt im Einsatz von Opferanoden auf der Welle und am Propeller selbst, die quasi als schwächstes Glied in der Kette unterschiedlicher Metalle die zerstörerische Energie durch Selbstauflösung eliminieren. Die Notwendigkeit und Wirksamkeit von Anoden werden von Bootseignern oftmals unterschätzt. „Eine fehlende oder zur Hälfte abgenutzte Anode sollte unbedingt ersetzt werden“, erläutert Keinberger und weiß aus Erfahrung, dass hier ein teures Markenprodukt deutlich mehr Effektivität aufweist als ein Schnäppchen aus der No-Name-Abteilung.
In der Flensburger Förde wurde der Eigner einer Stahlyacht vom Hafenbetreiber aufgefordert, seine Yacht zu „erden“, damit es bei den Nachbarliegern nicht zu „galvanischen Problemen“ komme. Bei seinem Stegnachbarn hatte sich in kurzer Folge die Welle destabilisiert und war porös geworden. Verursacher der starken Fremdströme war aber nicht der Stahlrumpf, sondern eine defekte Elektroanlage am Steg, die elektrische Ströme ins Wasser leitete.
Diese Fremdströme kriechen durch die leitenden Teile der Yacht, Anoden altern schneller und an der Wellenanlage oder am Saildrive wird erhebliche Korrosion mit Folgeschäden angerichtet. In modernen Marinas ist das Szenario nahezu auszuschließen, doch wie das Beispiel zeigt, kann es in veralteten Häfen mit maroder Verkabelung und mangelnder Absicherung durchaus dazu kommen.
Laut Propellerhersteller SPW ist neben der Elektrolyse und Fremdeinwirkung durch Treibgut auch der Bewuchs und damit der Effizienzverlust problematisch. Zudem kann bei Faltpropellern die offene Verzahnung beschädigt werden, und zunehmender maritimer Bewuchs beeinträchtigt die Funktion und fördert den Verschleiß. Beim Drehflügelpropeller ist die Mechanik in einem geschlossenen Gehäuse vor Bewuchs geschützt. Hier ist es für eine längere Lebensdauer wichtig, den Drehflügelpropeller regelmäßig zu fetten, um Verschleiß der Verzahnungen zu verringern.
Eine weitere Gefahr, unter Maschine nicht mehr manövrierfähig zu sein, ist die mangelnde Befestigung des Propellers auf der Welle, was nicht selten den kompletten Verlust der Schiffsschraube zur Folge hat. „Wenn sich beispielsweise die Welle-Propeller-Verbindung löst, dreht die Schiffsschraube frei auf der Welle oder fliegt ganz ab“, resümiert Ragnar von Winterfeld. Mangelnde Wartung der wichtigen Halteelemente, unbemerkter Verschleiß und falsche Montage können zu diesem unerwünschten Ereignis führen. „Die Reparatur und Instandsetzung dieser sensiblen Bereiche sollten Bootseigner ohne technische Vorkenntnisse einem Fachbetrieb überlassen“, findet von Winterfeld. Der Maschinenbauingenieur, Gutachter und Workshop-Referent: „Wartung und Pflege können Segler aber selbst übernehmen.“
Auch wenn es technisch wie geschmiert läuft, kann es bei der Crew trotz gebotener Vorsicht, Umsicht und Weitsicht zu Fehlern kommen. Beim An- und Ablegen als Standardmanöver sind unbeabsichtigt im Wasser treibende Leinen seltener. Wird aber beispielsweise an Schären festgemacht oder lange Leinen sollen zusätzlich Landsicherung geben, kann es unübersichtlich werden.
Wenn jetzt noch der Wind dreht und ein nächtliches Ablegemanöver notwendig macht, wird es bunt. Dann ist die Situation komplexer als erwartet, lose Leinen können im Wasser landen und, vom Schraubenwasser angezogen, die Welle blockieren. „Der Steuermann sollte das natürlich im Blick haben, aber in schwierigen Situationen und besonders bei Dunkelheit sollte ein Crewmitglied explizit die Tampenkontrolle übernehmen“, schlägt von Winterfeld vor. „Im Grunde geht es um eine Sensibilisierung der gesamten Crew mit folgender Fragestellung: Wie funktioniert die Antriebstechnik, wie vermeide ich Schäden und wie reagiere ich auf ein mögliches Problem?“
Das fängt für von Winterfeld schon bei der Nutzung des Schalthebels an: „Von Vorwärts nach Rückwärts in einem Schlag – autsch! Das tut allen Antriebseinheiten richtig weh und nimmt dem Material die Lebensdauer, wenn es nicht sogar ad hoc zum Schaden führt.“ Auf den direkten Durchmarsch des Hebels reagiert der Sachverständige in seinen Workshops mit der einfachen Erläuterung physikalischer Grundlagen. Das kann Propellerleben retten.
So wichtig und bequem ein gut funktionierender Jockel an Bord ist – die Segel sollten jederzeit klar zum Setzen sein, bis die Yacht angelegt hat oder der Anker sicher liegt. Die Vorbereitung auf ein Worst-Case-Szenario ist schlicht gute Seemannschaft.
Die Idee: Auf der Welle drehen sich eine Reihe Schneidemesser, und von der Rotation des Propellers angezogene im Wasser treibende Tampen, Leinen, Plastik und Seegras werden sofort zerschnitten, bevor sie sich um die Welle legen können. Die Realität: Je nach Tampen, Geschwindigkeit, Propeller und Anströmung kann sich der Erfolg einstellen. Jedoch gerät selbst im niedrigen Drehzahlbereich zu viel Tauwerk um die Welle, als dass noch ein effektiver Schnitt möglich ist. Preise von 100 bis 400 Euro, einfacher Einbau. Mehr Informationen: www.spw-gmbh.de/de/produkte/tampenschneider; www.svb.de/de/tau-schneider.html
Der „Spurs Line Cutter“ aus den USA verspricht mit einem anderen Schneidewerkzeug und mehr Schutz vor dem Vertörnen mehr Erfolg beim Tampenschneiden. Das Gerät kostet etwa 900 Euro und der Einbau ist aufwendig. Mehr Informationen: www.spursmarine.com/shaft-cutters
Ein Ersatzpropeller erspart lange Lieferzeit und kann besonders auf Langfahrten sinnvoll sein. Statt Dreh- oder Faltprop genügt ein simples Modell. Tauchermesser, Neopren, Schnorchel und Maske gehören an Bord.