Seit Jahren ist die Navigation per App an Bord auf dem Vormarsch. Eigner nutzen diese als Plotter-Alternative oder Ergänzung, Chartercrews haben so ihr vertrautes Gerät im Fluggepäck. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kann das System überall im Cockpit oder unter Deck nutzen, muss sich nicht an ein neues Kartenbild oder andere Einstellungen gewöhnen und weiß genau, wann der Kartensatz zuletzt aktualisiert wurde. In der aktuellen YACHT-Leserumfrage gaben über 60 Prozent der Befragten an, Navi-Apps zu nutzen.
Die YACHT testete immer mal wieder die Programme auf ihre Features.
Dabei nutzte die Redaktion meist Top-Test-Hardware von Apple und Samsungs S-Serie, da dies die meistverkauften Marken des Tablets-Marktes sind und die App-Hersteller häufig für diese das Funktionieren der Apps optimieren. Die Top-Geräte haben allerdings auch einen Nachteil: Seit Jahren steigen die Preise kräftig. Das günstigste 10-Zoll-Modell von Apple mit GPS-Chip (das sind nur die „Wifi & Cellular“-Modelle) gibt es derzeit ab knapp 780 Euro, als Air-Typ sind es schon fast 1.000, und die Pro-Version startet bei 1.250 Euro. Samsungs günstigstes Top-Tablet S9 liegt bei etwa 870 Euro, das etwas einfachere S9 FE immer noch bei über 600 Euro. Stolze Preise also. Wenn das Budget klein ist oder man zu Hause Tablets selten nutzt, sind günstige Modelle verlockend, die oft nur um die 150 bis 230 Euro kosten.
Bisher hat die Redaktion bezogen auf die Hardware immer zu den Top-Geräten geraten, weil die Software dann flüssig lief, GPS-Positionen sehr genau waren, es fast keine Abstürze gab. Die Gründe waren einfach: Die Modelle verfügen über genug Prozessorgeschwindigkeit und viel Arbeitsspeicher, um Ruckler zu vermeiden. Außerdem sind die Displays hell und scharf genug im Sonnenlicht, weil in der Regel nur das Beste vom Besten verbaut wird.
Doch seitdem gab es eine zweigeteilte Entwicklung: Die Tablets wurden in rasantem Tempo besser. Schnellere Prozessoren, statt ein oder zwei nun vier, sechs oder gar acht Gigabyte Arbeitsspeicher, bessere, lichtstärkere Displays. Letztere waren bei Budget-Modellen das häufigste Ärgernis: Die billigeren LCD-Varianten ließen sich bei direkter Sonneneinstrahlung kaum noch ablesen, spiegelten stark.
Die Navi-Apps dagegen blieben vom benötigten Speicher und Prozessorgeschwindigkeit eher ähnlich. Schließlich gibt es keine aufwändigen grafischen Finessen, und über die Jahre kamen zwar viele Features dazu, aber nichts, was die Performance in die Knie zwang. Die Entwicklung der GPS-Chips der letzten Jahre hat die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Positionen zudem erhöht, auch weil die User-Daten für diverse genutzte Dienste immer wichtiger wurden.
Zwar sind dedizierte Marinegeräte mit externen, oft viel größeren Antennen noch immer in der Genauigkeit überlegen.
Die Frage ist aber, ob das eine Rolle spielt. Seit Jahren fahren viele Mitglieder der Redaktion, meist als Zusatz zu den Bordsystemen, mit Navi-Apps auf Tablets oder Smartphones. Dass ein Kollege von deutlichen Positionsfehlern berichtet hat, ist viele Jahre her. Außerdem: Wenn an Bord noch ein GPS-Plotter verbaut ist, kann jeder sein Gerät anfangs auf Abweichungen überprüfen. Obendrein lassen sich auch in viele Navi-Apps via W-Lan die Daten der Bord-GPS-Geräte einbinden.
Grund genug für die Redaktion, drei günstige Tablets von größeren Herstellern für die mobile Navigation auszuprobieren. Es handelt sich um das Samsung Galaxy Tab A8, das Lenovo Tab M10 Plus sowie das Redmi Pad SE.
Die erste handfeste Überraschung gibt es beim Auspacken: Waren Budget-Tablets früher oft von der Anmutung und Haptik billig wirkende Plastik-Geräte, bieten die drei Testkandidaten ein geradezu gediegenes Finish: wertig aussehende und sich auch so anfühlende Alu/Glas-Gehäuse, schmalere Rahmen zwischen Display und Außenkante statt dicker schwarzer Balken wie früher, die das nominelle Zehn-Zoll-Tablet auf neun Zoll herabstuften.
Die zweite, diesmal aber sehr unangenehme Überraschung erleben wir beim Installieren der Navigations-Apps via Google-Play-Appstore: Das Redmi Pad SE installiert zwar Apps wie Navionics Boating oder C-Map, verweigert aber die Installation der NV-App mit dem Hinweis, das Gerät sei dafür nicht geeignet. Etwas Recherche zeigt ein unerwartetes Problem:
Für den Test wählte die Redaktion unter den Dutzenden von verfügbaren Modellen aller möglichen Hersteller auch ein Gerät aus, das sich nach Lieferung und Installation der Software als ungeeignet erwies: Das Redmi Pad SE des chinesischen Unternehmens Xiaomi hatte entgegen den Angaben des Online-Händlers, der es im Angebot hatte, gar keinen GPS-Chip verbaut.
Eine Überprüfung der Hersteller-Seite ergab: Dort ist der Chip nicht explizit in den technischen Spezifikationen genannt. Heißt im Umkehrschluss, er ist nicht an Bord. Solche Nachlässigkeiten der Händler sind keine Seltenheit, wie ein Blick auf weitere Angebote ergab. Tipp: Zwingend die Webseite des Produzenten checken, ist kein GPS-Chip gelistet, Finger weg von dem Gerät!
Das Gerät besitzt gar keinen GPS-Chip, obwohl der in den technischen Spezifikationen des Verkäufers aufgelistet war! Eine Nachforschung auf der Webpage des Herstellers ergibt nur, dass ein GPS-Chip nicht explizit als vorhanden genannt ist. Im Betriebssystem findet sich unter „Standort“ dann schließlich klein zu lesen der Hinweis, dass das Gerät Satellitennavigation nicht unterstützt, sondern lediglich über Funkmasten trianguliert, wie es auch die günstigeren iPads nur tun.
Das zeigt sich dann gleich beim Testlauf mit der Navionics-App: In der Seekarte ist eine Position unseres Bootes eingezeichnet, die aber gut 150 Meter falsch ist und sich zudem auch teils sprunghaft um 100, 200 Meter bewegt, obwohl wir im Cockpit sitzen.
Damit ist das Tablet für Navigation ungeeignet, selbst wenn man es theoretisch natürlich noch nutzen könnte, indem man die Daten des Bord-GPS via W-Lan verwendet. Aber: Deshalb kauft sich wohl niemand ein Tablet zur Navigation.
Bleiben also das Samsung- und das Lenovo-Gerät. Die Installation der Software von Navionics Boating, NV-Charts, C-Map und Garmin Active Captain klappt auf beiden problemlos. Beim Hochfahren der App wird die Liegeplatz-Position der Testyacht im Kieler Hafen Stickenhörn sofort auf den Meter genau angezeigt. Was dann aber auffällt : Scrollt man das Kartenbild in der NV-App mit dem Samsung Galaxy Tab A8, bleiben für eine Sekunde kurz graue Balken ohne Daten stehen, erst dann wird das Bild nachgeladen. Die Funktion beeinträchtigt das jedoch nicht.
Mit der Navionics-App läuft es aber problemlos und glatt. Aus Test-Erfahrung und auch vom Hersteller NV-Verlag wissen wir, das die Applikation relativ viel Arbeitsspeicher braucht. Bei Top-Geräten, die vier Gigabyte oder mehr haben, ist das überhaupt kein Problem, doch das Samsung hat in der getesteten Version nur drei. Eine größere, teurere Version mit vier Gigabyte ist allerdings verfügbar. Wer also später plant, die NV-App zu nutzen, sollte das Galaxy mit mindestens vier Gigabyte Arbeitsspeicher kaufen oder eine App aussuchen, die auch mit weniger gut auskommt, wie die von Marktführer Navionics.
Das Lenovo-Pad hat vier Gigabyte, und dort läuft jede von uns ausprobierte Software vollkommen flüssig.
Wir legen ab. Beide GPS-Positionen wandern mit der ersten Boots-Bewegung sofort aus, die Sensibilität des GPS-Chips stimmt schon einmal. Doch tatsächlich wird die Fahrtrichtung trotz sich korrekt bewegendem Cursor im Lenovo-Tablet für wenige Sekunden mit der Pfeilspitze falsch angezeigt. Die Position des Schiffes ist richtig, aber der Cursor steht so, als würden wir rückwärts fahren. Seltsamerweise trat das Problem später, als sich das Boot eigentlich immer leicht bewegte, aber nicht mehr auf. Richtungswechsel wurden fehlerfrei dargestellt, die Position sprang nicht und stimmte bei der engen Passage von festen Tonnen und dem Leuchtfeuer Friedrichsort exakt. Beide Geräte haben in unserem Test, in dem wir immer wieder fixe Landmarken wie Hafeneinfahrten, Peilmarken, ein Leuchtfeuer passieren, keinerlei Probleme mit der Positionsangabe, der Cursor läuft gleichmäßig mit, es gibt keine Sprünge oder Aussetzer.
Nach einer halben Stunde auf dem Wasser kommt wie erhofft die Sonne heraus, wichtig, um zu sehen, wie sich das Display in der Tageslicht-Helligkeit macht. Unsere beiden Budget-Tablets haben günstigere LCD- beziehungsweise TFT-Displays, keine topmodernen OLED-Varianten wie viele High-End-Geräte. Allerdings gibt es auch im LCD-Bereich mittlerweile einige Techniken, die zu sehr unterschiedlicher, aber durchaus auch sehr guter Display-Qualität führen können.
In der Auto-Funktion für Helligkeitsregulierung erscheinen uns beide Tablets als zu dunkel für den Bordgebrauch, doch das ist teils auch bei teureren Modellen der Fall. Dann muss die Helligkeit manuell via Betriebssystem nach oben korrigiert werden. Wir tun dies und stellen sie auf die maximale Stufe.
Der hellere der beiden Kandidaten ist eindeutig das Lenovo, dessen Display kräftiger strahlt und besser abzulesen ist. Das Tablet spiegelt weniger als das Samsung, selbst wenn das Licht ungünstig einfällt. Aber natürlich ist das eine der Stärken eines Tablets im Cockpit : Man kann es immer so halten, dass es ideale Helligkeit bietet, da es eben nicht fest auf einer Halterung montiert ist. Wer genau das vorhat, ist mit dem Lenovo dann aber eindeutig besser bedient.
Wer Budget-Tablets kauft, muss zwangsläufig Android als Betriebssystem akzeptieren. Die Navi-Apps gibt es bei fast allen Anbietern für Android, einzige Ausnahme ist TZ iBoat von Nobeltec/Maxsea.
Vorsicht vor Huawei-Geräten, die wegen eines US-Embargos kein Android benutzen dürfen und dafür ein chinesisches Betriebssystem haben. Damit funktioniert keine der gängigen Navi-Apps. Eine Schwachstelle von Android ist, dass viele Hardware-Hersteller, vor allem die günstigerer Geräte, meist nur zwei bis drei Android-Versions-Updates bieten und dann noch ein, maximal zwei Jahre Sicherheits-Updates. Lenovo und Redmi äußern sich nicht generell dazu, Samsung verspricht für A-Tablets drei große Updates, danach folgen meist noch etwa ein Jahr Sicherheits-Updates. Da sind die Top-Geräte im Vorteil: Apple und Samsungs S-Serie bieten fünf Jahre Minimum.
Die nächste wichtige Frage ist, wie lange die Akkus der Geräte auf maximaler Helligkeitsstufe durchhalten. Wir nutzen sie dafür so, wie man es an Bord auch tun würde: Die App läuft samt eingeschaltetem Tracking für die gesegelte Strecke die ganze Zeit mit, auch wenn sie nur im Hintergrund arbeitet. Das Tablet wird für einen regelmäßigen Check von Kurs und Karte oder mal eine Distanzmessung beziehungsweise Hafenansicht genutzt, und wir lassen es in den Pausen dazwischen in den Schlafmodus wechseln, sodass das Display dunkel wird. Wie schnell das geht, ob nach wenigen Sekunden oder später, lässt sich über die Betriebssysteme einstellen. Derart genutzt, waren beide Geräte nach rund 3,5 Stunden Gebrauch bei noch etwa 50 Prozent Akku-Leistung. Nach fünf Stunden kommt man also in den Bereich, in dem besser nachgeladen werden sollte, um später definitiv bei der Hafenansteuerung noch genug Saft zu haben.
Zurück im Hafen, hängen wir die beiden Tablets an die 220-V-Ladegeräte mit dem neuen EU-Standard USB-C-Anschluss. Die sind leider mit zehn Watt Leistung arg schwach auf der Brust. Ein Zugeständnis der Hersteller an den Preis, das bedauerlicherweise immer häufiger selbst in der Top-Preisklasse zu finden ist.
Zwei Stunden, 25 Minuten bis zum Stand von 50 Prozent und 3:36 bis zur vollen Ladung für das Lenovo beziehungsweise 2:38 und 3:50 Stunden für das Samsung sind nicht gerade schnell. Doch Letzteres verträgt auch ein 15 Watt starkes Ladegerät, das Lenovo sogar 20 Watt. Die schnelleren Geräte samt Kabel müssen als Extra erworben werden und kosten etwa 13 bis 25 Euro, je nach Händler. Oder es findet sich im allgemeinen Zubehörhandel oder gar in den meist reichlich zu Hause herumliegenden Ladegeräten mit USB-C-Anschluss etwas Passendes. Dann sollten deutlich fixere Ladezeiten drin sein.
Noch ein paar Worte zu den nicht segelspezifischen Features der Tablets: Schön ist, dass beide für Kopfhörer noch den klassischen Klinkenanschluss haben, für den wohl jeder noch Kopfhörer herumliegen hat. Zum Lieferumfang gehören sie in der Preisklasse nicht. Wer mag, kann in dem Fall gleich noch den Speicher per Mikro-SD-Karte vergrößern, beide können dann bis zu ein Terrabyte aufnehmen. Die Maßnahme schafft reichlich Platz für gestreamte Filme oder eigene Musik. Die zwei getesteten Modelle bringen eine Haupt- und eine Selfie-Kamera mit, beim ersteren beide mit acht Gigabyte. Als Belegfotos etwa für die Logbuch-Funktion der App durchaus brauchbar – aber sonst ist die Bildqualität eher mäßig. Zurück im Hafen, ist es dann Zeit für ein Fazit.
Unerlässlicher Begleiter für ein Navi-Tablet ist eine Shockproof-Hülle, um vor Herunterfallen zu schützen. Etwas teurere Modelle haben bereits Haltelaschen auf der Rückseite, Aufsteller und sind spritzwassergeschützt. Wasserdichtigkeit darf man von den Geräten dieser Preisklasse nicht erwarten, aber selbst viele iPads und Samsung-Top-Geräte sind nur vor Süßwasser spritzwassergeschützt. Schutzhüllen für die Budget-Tablets sind günstig, oft schon ab 16 bis 25 Euro (plus Versand). Wasserdichtigkeit bieten sie aber nicht, da die Ladeanschlüsse offen bleiben.
Daher laden viele das Gerät zwischendurch an einer USB-Steckdose unter Deck. Darauf achten, dass die mit mindestens 10 Watt oder besser mehr lädt. Eine simple und praktische Alternative dazu: eine größere Powerbank kaufen. Modelle mit mehr als 10.000 bis 20.000 mAh füllen die Test-Tablets locker komplett auf und kosten 20 bis 40 Euro. Kombiniert mit einer wasserdichten Folientaschen-Hülle, kann das Gerät dann im Cockpit geladen werden – bei Kleinboot-Seglern trifft man häufiger solche Lösungen an. Gut sind beispielsweise die von Aquapac ab etwa 50 Euro.