Fehlt in unserem Alltag an Land etwas in der Küche, können wir schnell zum nächsten Supermarkt gehen, um es nachzukaufen. Unsere ersten Törns auf Ost- und Nordsee dauerten meist nicht länger als einen Tag, sodass unsere Versorgung auf dem Schiff gesichert war oder wir an Land in Restaurants gehen konnten.
Je länger die Törns wurden, desto wichtiger wurde es für uns, uns mit der Ernährung an Bord zu beschäftigen. Wie ist es, wenn man wochenlang auf See ist, wenn wir irgendwo ankommen und es nur spärliche oder sündhaft teure Einkaufsmöglichkeiten gibt? Wie war das mit dem Tipp des Voreigners der INTI, den Strunk eines Weißkohls auszuhöhlen und mit einem in Wasser getränkten Tampon auszustopfen?
Kam uns dieser Tipp am Anfang unserer Reise noch seltsam vor, so erschloss sich im Verlauf der Reise der Sinn dieses Ratschlags. Der Kohl bleibt länger haltbar, wenn der Tampon stets feucht gehalten wird. Diese Methode führte zwar zu viel Gelächter bei anderen Crews, doch reist dieser Tipp weiter bei ihnen an Bord mit.
Am Anfang unserer Segelreise waren wir noch etwas ratlos, was die Bevorratung mit Lebensmitteln angeht. Auch das Internet gab zu diesem Thema noch nicht viel her. Ergiebig war dann die Zeit ab Portugal, wo wir viele Blauwassersegler trafen. Ein erster Tipp, der in Europa mit seinen gut ausgestatteten Supermärkten leicht umzusetzen ist, war der, sich reichlich einzudecken, wenn es Lebensmittel gibt, die uns schmecken und bezahlbar sind.
Der Grund hierfür ist recht einfach: Wir können nie wissen, ob es diese Waren im weiteren Verlauf der Reise noch irgendwo zu kaufen gibt, und wenn ja, zu welchem Preis. Das mag Kaffee sein, Vollkornmehl, Linsen, Reis oder schmackhafte Gerichte in Konservendosen (ja, die gibt es!).
Vor allem in den französischen Überseegebieten fanden wir Dosen mit gut gewürztem Chili con Carne, Rosenkohlgemüse oder Gratins. Milch haben wir zuerst noch im Tetra Pak (haltbare Milch) und später als Pulver ordentlich gehortet, da wir morgens nirgendwo auf dieser Welt auf unsere große Tasse Milchkaffee verzichten können. Auch gute Gewürze durften in unserer Bordküche nicht fehlen. Da wir vor allem die asiatische Küche sehr mögen, hatten wir Sojasoße, Currypasten und Sesamöl stets vorrätig.
Grundnahrungsmittel wie Linsen, Hülsenfrüchte, Nudeln, Reis, Mehl und Zucker hatten wir ebenfalls immer ausreichend gebunkert. Zum Verstauen haben wir Fünf-Liter-Wasserflaschen desinfiziert, getrocknet und durch einen Trichter mit beispielsweise Mehl oder Reis gefüllt. Nachdem das Leben auf dem Boot alltäglicher geworden war, fingen wir mit Freude an, mit Gewürzen und Techniken des Haltbarmachens zu experimentieren. Wir hatten schließlich Zeit und davon sehr viel!
Da es fast überall auf der Welt auf den Märkten Weißkohl gibt, lag es nahe, sich mit diesem Gemüse näher zu beschäftigen. Roh verwendeten wir Weißkohl zum Füllen von Wraps und für Salate. Auch an das Fermentieren tasteten wir uns heran. Durch den Fermentationsprozess wird aus Weißkohl Sauerkraut. Klein geschnitten wird er mit Salz vermischt und geknetet, bis Wasser austritt. Was für eine meditative Beschäftigung! Die Gedanken fliegen so dahin, während das Kraut Wasser verliert, was einige Minuten in Anspruch nimmt. Wir genossen das fertige Kraut meist kalt als Salat. Die Säure regt die Geschmacksnerven an und schenkt wertvolle Vitamine.
Ein Lebensmittel, das es tatsächlich überall gibt, sind Eier. Vor der Atlantiküberquerung hatten wir eine Palette mit 30 Eiern gekauft. Damit sie länger halten, müssen sie regelmäßig umgedreht werden. Lange Zeit drehten wir mühsam Ei für Ei um, bis wir den Tipp bekamen, den ganzen Karton samt Eiern umzudrehen. Learning by Doing … Die Lösung liegt manchmal so nah! Und erstaunlich: Eier halten bestimmt einen Monat, auch wenn sie nicht in die Kühlung kommen.
Während der Atlantiküberquerung versuchten wir Fisch zu fangen. Das klappte zu Beginn nicht gut, immer wieder rissen sie sich vom Haken. Ein ganzes Jahr verbrachten wir in der Karibik. Ein guter Ort, um Fangtechniken zu präzisieren. In Tobago fingen wir Red Snapper, vor den San-Blas-Inseln Jackfische. Unseren ersten Thunfisch bekamen wir vor Tobago an den Haken. Später kam die Harpune dazu und bereicherte unseren Speiseplan mit kostenlosem Hummer und anderen Krustentieren.
Immer häufiger hatten wir Glück beim Angeln. Uns gingen große Fische wie Mahi-Mahi an den Haken oder verschiedene Arten von Thunfisch. Ist der Fisch an Bord, ausgenommen und filetiert, schmeckt er wunderbar als Ceviche. Er wird einfach eine Weile in Zitronen- oder Limettensaft gegart, dazu ein paar Zwiebeln und eine Prise Chili. Frischer und köstlicher geht es gar nicht! Waren auf längeren Törns die Zitronen alle, aßen wir den Fisch roh als Sashimi. Dazu mischten wir uns aus Sojasoße und etwas Ketchup, vermischt mit Sesamöl, ein Dressing. Die restlichen Filets haben wir gebraten.
So viel wie das Meer hergab, so mau sah es auf manchen lokalen Märkten in der Karibik aus. Schon wieder Kürbis? Langer, runder, spitzer, heller, dunkler? Die Märkte schienen vor Kürbis nur so zu strotzen. Wir machten uns Gedanken, was man denn mit diesem Gemüse so alles anstellen könnte. Unsere Experimentierfreude erwachte. Gibt es nicht sauer eingelegten Kürbis in den deutschen Supermärkten?
Flugs waren wir dabei, sterilisierten Marmeladengläser, kochten den Kürbis süß-sauer mit einem Schuss Sojasoße ein, und fertig war ein anregender Snack für zwischendurch. Was könnte man noch daraus zaubern? Versuchen wir mal ein Chutney! Mit Nelken, Zimt, Ingwer und einer Prise Chili eine prima Soße zu Fisch und Fleisch.
Zwiebeln und Möhren legten wir ebenfalls sauer ein. Wenn es sie auf dem Markt gab, lag es auch nahe, Gemüsebrühe zu produzieren. Das ist ganz einfach: Die Möhre, Zwiebel oder Frühlingszwiebel – wenn vorhanden, auch Staudensellerie – wird sehr klein geschnitten und kommt mit einer bestimmten Menge Salz vermischt in ein Glas. Das Salz konserviert diese Brühe und das Gemüse gibt Geschmack. Zum Würzen von Suppen und Soßen war das immer ein Highlight.
Mit dem Einkochen begannen wir auf der Atlantikseite von Panama kurz vor unserer Fahrt durch den Panamakanal in den Pazifik. In den hiesigen Supermärkten gab es gutes Rindfleisch. So kochten wir probeweise Bolognese und Gulasch ein. Probeweise, um auf den langen Passagen im Pazifik nicht von schlecht Schmeckendem überrascht zu werden. Wir stellten zum Beispiel fest, dass Paprika, eingekocht im Gulasch, uns nicht schmeckte, es gab dem Gericht einen starken und leicht bitteren Beigeschmack.
Das Hack für Bolognese kochten wir nach einigen Versuchen lieber pur, ohne Tomatensoße, ein. Die Dosen mit Tomatenstücken rührten wir dann beim Kochen dazu, Zwiebeln und Knoblauch hatten wir ebenfalls immer an Bord. Auch hier gilt: Learning by Doing.
Eine Bereicherung unserer Bordküche waren Milchprodukte, denn die gibt es außerhalb Europas nur spärlich oder zu sehr hohen Preisen. Von einer österreichischen Seglerin bekamen wir in Panama eine Joghurtkultur, die unglaublich lange hielt.
Auf den abgelegenen San-Blas-Inseln vor Panama, auf denen es keine Mini-, geschweige denn Supermärkte gibt, produzierten wir einen Joghurt, der unvergleichlich lecker war, er war cremig und schmeckte so, wie wir ihn noch aus der Kindheit kannten. Die Kultur hielt sich lange und verlor dadurch nicht an Intensität. Praktisch war auch, dass wir keine Schwierigkeiten mit der richtigen Temperatur hatten, die für die Reifung des Joghurts nötig ist. Die tropischen Temperaturen erwiesen sich als perfekte Bedingungen für das Gelingen. Abends gaben wir einen Löffel eines fast aufgebrauchten Joghurts, sozusagen die Restkultur, in eine aus Milchpulver angerührte Milch, und schon am nächsten Morgen war der frische Joghurt fertig. Gäste an Bord liebten unsere Milchspeise! War sie mit frischem Obst wie Ananas oder Papaya gemischt, konnten wir alle nie genug davon bekommen.
Kannten wir von unseren vorherigen Reisen hauptsächlich die Trink-Kokosnuss, machten wir im Pazifik unsere ersten Schritte hin zu diversen Zubereitungsmethoden dieser Palmfrucht. Das frische Fleisch kann man reiben, wobei Flüssigkeit freigesetzt wird: die richtig frische, weiße Kokosmilch. Hiermit wird das in Polynesien sehr beliebte Gericht Poisson Cru zubereitet. Es besteht aus frischem rohen Fisch, der mit Limettensaft in der Kokosmilch durchgart. Gibt es Zwiebeln und Möhren, die mit dazugeschnitten werden, ist das ein absoluter Höhepunkt.
Wenn das Fruchtfleisch der Kokosnuss schon härter ist, die Nuss also etwas älter, lässt es sich dünn geschnitten in der Pfanne wie Chips rösten. Durch das enthaltene Fett spart man sich das Öl. Etwas Salz darauf, und ein leckerer Knabbersnack ist fertig!
Ist die Nuss noch älter, bildet sie im Inneren eine styroporähnliche Masse, die süß wie Zuckerwatte schmeckt. Durch die einfache Versorgung sparten wir Geld und gewannen viele neue Erkenntnisse über die Zubereitungsarten der jeweils einheimischen Produkte.
Wir trafen einige deutsche Crews, die selbst im tropischen Pazifik Braten mit Rotkohl aßen, da sie das deutsche Essen schätzten und sehr vermissten. Das ging uns selten so, stets waren wir neugierig, was in den von uns bereisten Ländern so auf den Tisch kommt.
Doch eines fehlte auch uns manchmal, und das waren die typisch deutschen Backwaren wie Vollkorn- oder Roggenbrot. In der Karibik begannen wir selbst zu backen. In den Bäckereien vor Ort gab es nur Weizenbrot oder Toast, meistens war es sogar leicht gesüßt. Ab und zu bekamen wir von Crews, die ihr Boot für eine Weile allein ließen, um in die Heimat zu reisen, deren Vorräte geschenkt. War Olivenöl dabei, waren wir schon happy, doch was waren wir froh, wenn eine Tüte Roggen- oder Vollkornmehl darunter war! Außerhalb Europas fanden wir selten dunkles Mehl, sodass wir unsere spärlichen Vorräte davon in geringen Dosen mit Weizenmehl mischten.
Glücklicherweise gab es fast überall auf unserer Route Haferflocken, selten auch mal Sonnenblumenkerne, mit denen wir unseren Brotteig aufpeppten. Die Freude am selbst gebackenen Brot war jedes Mal unbeschreiblich. Besonders wenn es noch frisch war und eine knusprige Kruste hatte, denn in den Tropen wird es schnell matschig.
In den Tuamotu-Atollen schenkte uns ein Segler eine Kefirkultur. Einige unserer Freunde am Ankerplatz experimentierten bereits damit herum. Bei diesen Versuchen ging es allerdings nicht um den besten Kefir, sondern um Käse! Mit dieser Kultur kann man, wird sie mit Wasser und stark dosiertem Milchpulver gemischt, wunderbaren Käse herstellen.
Wir probierten alles aus: Am Anfang der Reifung steht fluffiger Frischkäse, später wird er härter wie Gouda, in feuchter Umgebung bekommt er einen Pelz wie Camembert, und ganz durchgetrocknet wird er hart wie Parmesan. Was für eine Abwechslung zum Käseangebot der lokalen Minimärkte! Dort wurde gerade mal eine Käsesorte angeboten, die sich „Cheddar“ nannte, mit dem englischen Original allerdings nichts zu tun hatte. Verwundert hat uns außerdem, dass dieser Käse im Regal lag und nicht gekühlt angeboten wurde. Legten wir ein Brot, belegt mit diesem Käse, in die Sonne, schmolz er sofort und schmeckte seltsam nach Gummi.
Sogar das Selbstbrauen von Bier lernten wir am Ende unserer Reise. Auf die Fidschi-Inseln brachten uns Freunde aus Neuseeland ein Set zum Bierbrauen mit, das wir mit Freude betrieben und das einige neue Freunde zum Probieren an Bord lockte. Vorher adaptierten wir die Art der Pazifikbewohner, Alkohol selbst herzustellen, das war jedoch nicht halb so köstlich. Sie mischen Zucker und Wasser mit Hefe, manchmal kommt noch ein Schuss Kokoswasser hinzu. Die an Federweißen erinnernde Mischung gärt dann vor sich hin, und die Flaschen müssen regelmäßig entlüftet werden, sonst explodieren sie. Einige Crews erzählten uns von der klebrigen und stinkenden Sauerei, die eine große Putzaktion nach sich zog.
So kochten und experimentierten wir uns um die halbe Welt und hatten dabei nie das Gefühl, dass es uns an etwas fehlte. Natürlich gab es mal das Verlangen nach Spargel oder Süßigkeiten. Alles in allem waren wir mit unserer Bordküche aber zufrieden, und bekanntlich trägt ja gutes Essen zu guter Stimmung bei.
Vom Bootskauf bis zur Seekrankheit – in 33 umfassenden Fragen und Antworten liefern Claudia Clawien und Jonathan Buttmann (Autoren von „Sieben Farben Blau“) einen profunden Ratgeber zum Thema Blauwassersegeln in all seinen Facetten. Delius Klasing, 22 Euro.