Test Y7Minimalismus im XXL-Format

Fridtjof Gunkel

 · 16.02.2025

Der konvexe Steven und der feste Bugspriet sind nur zwei Markenzeichen der großen Y7.
Foto: YACHT/N. Krauss
Michael Schmidt hat mit der Tripp-Konstruktion Y7 eine Reihe von Semi-Einzelbauten in Leichtbauweise aufgelegt. Das 22 Meter lange Boot soll sich sogar ohne feste Crew von einer Familie gut bewegen lassen

Es gibt nur wenige Menschen, welche die deutsche Yachtbranche der Nachkriegszeit nachhaltig geprägt und ihr dabei zu internationaler Bedeutung verholfen haben: GFK-Pionier Willi Dehler gehört dazu, Bavarias Produktions-Genie Winfried Herrmann, das Konstrukteurs-Team Judel/Vrolijk und einer, der seit rund einem halben Jahrhundert offenbar nicht aufhören will, wenn es um modernen, innovativen Bootsbau geht.

Die Rede ist, wie könnte es anders sein, von Michael Schmidt. Der ebenso sture wie wechselhafte ehemalige OK-Jollen-Segler baut die deutsche Vertretung für kanadische C&C-Yachten in Kiel auf, reüssiert mit Reparaturen und Komplettierungen von Admiral’s Cuppern in einer Klitsche auf dem Gelände des Hamburger Yachthafens, gründet nach dem Mauerfall Hanseyachts in einer ehemaligen Fischkutter-Werft und verleibt sich dann noch Moody, Fjord, Sealine und Dehler ein, bringt die Gruppe gar als erste deutsche Werft an die Börse, verkauft seine Anteile an den Investor Aurelius.


Das könnte Sie auch interessieren:


Die berufliche Karriere ist mit der seg­lerischen Vita eng verknüpft. C&C-Boote segelt Schmidt eigenhändig zum Erfolg, sein selbstgebauter, infolge chronischer Unter­finanzierung ideenreich günstig produzierter, aber zukunftsweisender Admiral’s Cupper „Düsselboot“ wird zur Ikone mo­derner Hochseesegelei, mit „Rubin VIII“ gewinnt er den Cup, er gründet das erste deutsche America’s-Cup-Syndikat, zuletzt geht der Mann erfolgreich in der Drachenklasse an den Start.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Nach dem Verkauf von Hanseyachts bestimmte Austoben statt Ausruhen die Agenda des Michael Schmidt: auf seinem betagten Motorboot „Heckmatrose“ die Donau und Berliner Gewässer bereisen, mit dem Anker-9-mR „Pandora“ von 1907 im Mittelmeer am Klassiker-Circuit teilnehmen, auf der Herreshoff-Ketsch „Bounty“ durch die Dänische Südsee cruisen. Und auf der Hanse 630 „Sticky Toffee“ über den Atlantik nach Bra­silien und später kreuz und quer durchs Mittelmeer.

Individuelle, ästhetische und performante Boote

Was andere in einem ganzen Segler­dasein erleben, reicht dem Rastlosen nur für wenige Jahre. Schmidt: „Bei den typischen schwächeren Mittelmeerwinden war mir das Boot zu langsam. Ich habe dann nach etwas gesucht, das auch unter zehn Knoten Wind gut funktioniert, aber nix gefunden.“ Er tat das seinem Naturell und Erfahrung Naheliegende: gute Leute um sich versammeln, eigene Ideen einbringen und das Boot selbst bauen lassen.

So entstand in Zusammenarbeit mit dem Konstrukteur Lorenzo Argento und dem Designer Sir David Chipperfield die Brenta 80 DC (s. auch YACHT 25/15), welche Schmidts Summe der seglerischen Erkenntnisse mit seinen Vorstellungen eines individuellen, ästhetischen und performanten Bootes vereint. Das Ergebnis wurde viel beachtet, der Job machte ebensolchen Spaß wie das Schiff selbst, es entstand eine neue Werft, Michael Schmidt Yachtbau, heute YYachts. Das Besondere: Die Werft lässt Deck und Rumpf von externen Betrieben fertigen, beispielsweise Rega Yachts im Süden Polens. Dort entstehen weitere namhafte und den YYachts durchaus verwandte schnelle moderne Fahr­ten­yachten für italienische Marken wie Mylius oder Vismara, aber auch kleinere Einheiten wie der französische Tri Libertist oder ehemals auch der Jollenkreuzer JK 28 auf deutsche Rechnung.

YYachts’ Werftanlage wurde 2016 eigens neu gebaut, unweit von Hanseyachts im Stadtteil Greifswald-Ladebow. Die Halle misst 3000 Quadratmeter, der angeschlossene Bürotrakt nochmal 500. In der hohen Halle können die 35 angestellten Bootsbauer und weitere Experten oder Zulieferer an bis zu sechs Rohbauten gleichzeitig arbeiten.

Die Deckenhöhe erlaubt dies auch bei montiertem Kiel, beileibe keine Selbstverständ­lichkeit. Eine weitere Besonder­heit: Nur 400 Meter entfernt lassen sich die Boote wassern, das Becken ist sieben Meter tief und direkt mit dem Greifswalder Bodden und somit der Ostsee verbunden.

Segelfläche der Y7 ist überaus generös

YYachts agiert erfolgreich. „Vom Gebäude her könnten wir mehr Boote bauen, aber wir wollen mit den Mitarbeitern langsam wachsen. Im Moment fertigen wir so um die fünf Boote im Jahr.“ Das können auch schon mal reine Einzelbauten sein, wie das segelnde Mini-Forschungsschiff „Eugen Seibold“ (s. YACHT 9/2019), das Gerald Haug, unter anderem Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, ini­tiiert hatte. Kerngeschäft ist jedoch die kleine Serie. Neben der initialen Y8 hat sich die etwas kleinere Y7 zum Volumenschiff entwickelt, ein Design des US-Amerikaners Bill Tripp.

Das Boot folgt wie die Y8 der Schmidtschen Maxime nach Performance. Der Rumpf entsteht aus vakuumverdichtetem Schaum-Sandwich mit inneren Lagen aus Carbon und Epoxidharz für maximale Festigkeit, die äußeren Schichten sind aus E-Glas für eine bessere Punktbelastung her­gestellt. Die leicht und fest gebaute Y7 kommt auf ein vergleichsweise niedriges Gesamt­gewicht von rund 29 Tonnen, wobei knapp 10 Tonnen auf den Ballast entfallen, der in der Serie als fester T-Kiel mit einem Tiefgang von 3,50 Metern ausgeführt, optional aber als Teleskopkiel (2,70 bis 3,90 Meter) erhältlich ist.

Die Fläche besonders des Groß­segels ist mit 174 Quadratmetern generös, was auch an der Fathead-Geometrie liegt. Es gibt kein Achterstag, die Salinge sind um rund 30 Grad gepfeilt – eine Konfiguration, die für gewöhnlich auf deutlich kleineren Booten zum Einsatz kommt. Als Standard-Vorsegel werkelt wie auf einer Hanse eine Selbst­wendefock, mit 123 Quadratmetern jedoch eine im stattlichen Format. Mit diesen Eckdaten kommt die Y7 auf eine Segeltragezahl von 5,6 – damit stößt sie bereits in die Sphären von reinen Regattabooten vor.

Relativ ein­fache Bedienbarkeit der Y7

22 Meter, 30 Tonnen, 300 Quadratmeter: Das sind schon amtliche Eckdaten. Der Eigner der von uns gesegelten „Bella“ nimmt’s ganz locker, vielleicht in Ermangelung von Vergleichbarem, es ist sein erstes Boot. Der Unternehmer kam durch einen Defekt zu seiner Y7. Er wollte mit Familie von den Balearen aus mit seinem Motorboot in den Urlaub starten; ein simples Teil an der Maschine musste ersetzt werden, war jedoch nicht rechtzeitig zu beschaffen. Ein Freund mit einer Y8 hatte Platz und Zeit und nahm die gestrandete Familie mit auf einen Trip rund Sardinien.

„Das hat mir die Augen geöffnet. Der Törn hat so viel mehr Spaß gemacht, besonders bei Wind, die Bewegungen sind viel angenehmer. Und wenn ich dann noch sehe, was ich jedesmal beim Tanken mit dem Mobo hingeblättert habe … Also meinen Kindern habe ich das lieber verschwiegen, was wir da immer rauspusten mussten.“ Die Argumente saßen, der Konvertit orderte eine Y7, machte zusammen mit seinem ebenfalls ahnungslosen Skipper Segelkurse und Manövertrainings, los ging’s.

Beiden zugute kommt eine relativ ein­fache Bedienbarkeit des Bootes, die Schmidts Credo folgt: „Segelspaß ist am besten möglich mit einem simplen Boot, das auf seine Grundlagen reduziert ist, ohne Komfort zu opfern.“ Wobei man sich trefflich darüber streiten könnte, was noch aufwändig und was simpel ist und wo Komfort beginnt oder aufhört.

Doppelruder, Doppelmotoren

Das Deckslayout jedenfalls ermöglicht das Handling durch die kleine Crew oder in Kombination mit einem guten Autopiloten gar den Einhandbetrieb. Vier große Harken- Winschen im Kaliber 80, elektrifiziert natürlich, stehen für Fallen und Schoten vor und achterlich des Steuermanns bereit. Die Fallen und auch der Fußpunkt der Großschot ist den weiter vorne sitzenden Gästen aus dem Weg. Die Selbstwendefock rollt elek­trisch, ebenso der in den Bugspriet integrierte Furler für den Code Zero. Somit ist die Hauptarbeit unter Segeln das Bergen und Legen des Großsegels, das Schmidt partout weder in den Baum noch in den Mast rollbar anbieten mag. Für leichte Bedienung und Kontrolle stehen zudem die weit außen ansetzenden doppelten Ruderblätter.

Und doppelte Motoren. Zwei 80 PS starke Nanni-Diesel mit Sail­drives und Drehflügel­propeller treiben das Boot nicht nur an, sondern verbessern die Manövrierbarkeit, obendrein gibt es einen ausfahr­baren starken Bugstrahler. Die Doppelmotoren haben weitere Vorteile: Bei geringerer Fahrt wird wechselseitig nur ein Motor genutzt, das reduziert Verschleiß und Wartungskosten, so wie es auch auf Kats üblich ist. Und das System liefert eine gute Redundanz, steigert also die Betriebssicherheit.

Zum Einsatz werden die beiden Aggregate nicht oft kommen müssen, wie sich bereits auf der Probefahrt zeigt. Das Boot funktioniert auch unter zehn Knoten Wind, so wie gewünscht. Es springt schnell an, erzeugt sich dann recht einfach selbst den scheinbaren Wind, ist agil in Manövern sowie bei wechselnden Winden und segelt ausreichend hoch. Mit dem Code Zero lässt sich ein schöner Turbo dazuschalten, zügig beschleunigt die Y7 auf Speeds jenseits der Windgeschwindigkeit. Sie steuert sich dabei traumhaft und direkt genug, und auch die Bedienung erfüllt alle Wünsche. Vorstellbar ist jedoch, dass der lange Weg durch das breite Arbeitscockpit von Lee nach Luv oder umgekehrt das Potenzial hat, misslich zu geraten, knapp sechs Meter Weg können lang und bei Krängung steil werden.

Diverse Möglichkeiten beim Innenausbau

Für das Interieur hat Schmidt diesmal auf ein junges skandinavisches Team gesetzt: Norm Architects aus Kopenhagen pflegen einen reduziert-aufgeräumten, aber dennoch warmen Stil, eine sehenswert gelungene Kombination an Bord einer modernen Yacht. Schmidt bezeichnet die Gestaltung als Kombination aus dänischen und italienischen Elementen.

Spannend die Innenraumaufteilung im leicht-lichten Salon, der rund ein Drittel der Fläche einnimmt: Am Hauptschott ist die Pan­try untergebracht, die in dieser Bootsgröße unter dem Fachwort Galley firmiert. Ge­genüber eine Büronische mit Weinschrank. Dahinter die langgestreckte Lounge, vis-à-vis der Essbereich mit Bank und filigranen Stühlen. Achterlich davon eine Navigationsecke mit Sitz, etwas Elektrik und Elektronik. Achtern noch eine Gästekabine und eine Crewkammer, aus dem Cockpit begehbar. Der Eignerbereich mit komplett frei stehendem Doppelbett liegt vorne. Im Heck eine Lazarette, eine Garage für ein bis zu 3,45 Meter langes Dingi und mehr. Das Heck ist geschlossen, damit der Raum trocken bleibt, das Beiboot wird von oben durch eine große Luke per Großbaum ins Schiff gekrant.

Und das alles ist nur eine Option, für Gestaltung und Ausbau gibt es diverse Möglichkeiten bis hin zum Einzelbau. Der „Bella“-Eigner jedenfalls ist restlos begeistert, vom Boot und vom Thema Segeln. So sehr, dass er bereits ein größeres Vehikel optioniert hat, eine Y9.

Schmidt happens

Werftgründer Michael Schmidt.Foto: YACHT/N. KraussWerftgründer Michael Schmidt.

Mit YYachts führt Michael Schmidt bereits seine vierte Werft. Es begann mit der Lizenzproduktion für kanadische C&C-Yachten in Kiel, gefolgt von der Yachtwerft Wedel, wo unter anderem Admiral’s Cupper komplettiert wurden, die Schmidt teils selbst segelte. Sportliche Erfolge aus dieser Ära fuhr der frühere OK-Jollensegler mit der radikalen „Düsselboot“ und der „Rubin VIII“ ein, die 1985 den Admiral’s Cup für Deutschland gewinnen half. 1990 gründete Schmidt Hanseyachts, brachte den Betrieb als erste deutsche Werft 2007 an die Börse und verkaufte seine Anteile 2011.

Große Boote, kleine Stückzahlen

Rümpfe und Decks für die YYachts werden von Zulieferwerften laminiert und in Greifswald ausgebaut und komplettiert.
Foto: Werft

YYachts startete 2014 als Michael Schmidt Yachtbau mit der Brenta 80 DC (s. auch YACHT 25/2015). Die Werft operiert in Greifswald in neu erstellten Hallen und liegt keine 4000 Meter entfernt von der 1990 ebenfalls von Michael Schmidt gegründeten Werft Hanseyachts. Rümpfe und Decks für die YYachts werden von Zulieferwerften laminiert und in Greifswald ausgebaut und komplettiert.

Rund fünf Boote pro Jahr entstehen auf diese Weise aus dem Programm, das die Typen Y7, Y8, Y9 und YX umfasst. Es handelt sich um Serienbauten, die sich im Interieur und von den Oberflächen her maximal individualisieren lassen. Die Rümpfe aller Typen entstehen aus Carbon-Schaum-Sandwich; Schmidt setzt auf Leichtbauweise und reduziert ausgestattete Boote für eine hohe Performance, die sich schon bei Windgeschwindigkeiten deutlich unter zehn Knoten zeigen soll.

Technische Daten der Y7

Drei Kabinen, drei Bäder und die Galley am Mast sind Standard. Möglich sind eine Mittelkabine, die Pantry achterlich vom Niedergang und ein begehbarer Schrank für die Bugkabine – oder auch ein ganz neues Interieur.Foto: WerftDrei Kabinen, drei Bäder und die Galley am Mast sind Standard. Möglich sind eine Mittelkabine, die Pantry achterlich vom Niedergang und ein begehbarer Schrank für die Bugkabine – oder auch ein ganz neues Interieur.
  • Konstrukteur: Bill Tripp
  • Rumpflänge: 21,68 m
  • Wasserlinienlänge: 20,35 m
  • Breite: 5,75 m
  • Tiefgang (Std. ): 3,50 m
  • Gewicht: 28,9 t
  • Ballast/-anteil: 9,6 t/33 %
  • Segelfläche: 297,0 m²
  • Segeltragezahl: 5,6
  • Preis (o.Segel): 2,25 Mio. €

Der Artikel erschien zum ersten Mal 2021 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.

Meistgelesen in der Rubrik Yachten