Fridtjof Gunkel
· 11.12.2025
Der Standort scheint perfekt gewählt und macht die Sailing City Kiel um einen hochspezialisierten nautischen Fachbetrieb reicher. Die neue Werft Pure Yachts fertigt im maritim geprägten Stadtteil Friedrichsort nördlich der Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals. Das Gründungsteam um Matthias Schernikau konnte sich das Gelände der ehemaligen Lindenau-Werft sichern, was dem Interesse der Stadt Kiel folgt, die dort keine Hotel-, Büro- oder Wohnräume genehmigen, sondern weiterhin einen maritimen Fachbetrieb sehen wollte.
Das rund 12.500 Quadratmeter große Gelände war mit drei großen, bei der Übernahme hochmaroden Hallen mit einer Gesamtfläche von 3.600 Quadratmetern bebaut und einem 60 Tonnen hebenden Kran, der das gesamte Gelände bespielen kann. Am Uferstück soll ein kleiner Werfthafen für rund 15 Yachten entstehen.
Gebaut haben sie bereits eine moderne Halle mit Fenstern bis zum Boden. Eine gläserne Fabrik mit modernsten Maschinen: Da stehen eine Fünf-Achs-Fräse mit vier mal sechs Meter großem Frästisch, ein Laserschneider für drei mal zwei Meter große Platten, eine Metallkantbank zum Biegen der Bleche, eine 100 Tonnen starke Furnierpresse, eine neun mal sieben Meter große Lackierkabine und das interne Trockendock bereit. Darin werden bis zu 50 Fuß große Rümpfe auf eine angenehme Arbeitshöhe abgesenkt, die Wege für die Bootsbauer und ihre Materialien sind so kurz und einfach, Stellagen und Gerüste entfallen. Schrauben, Muttern und andere Kleinteile liefert ein Ausgabeautomat nach Eingabe auf einem Touchscreen.
Das Investment ist hoch, auch in Mitarbeiter. Chef Schernikau, der eine spezialisierte Fahrtstuhlmanufaktur großgemacht und gut verkauft hat, setzt auf ordentliche Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und ein Höchstmaß an flexibler Arbeitszeit, man nutze dafür acht verschiedene Modelle. „Wir haben keinerlei Probleme, gute Leute zu finden“, so der großgewachsene und meist fröhliche Werft-Neubesitzer. Im Führungsteam wirken Urs Kohler, der lange Jahre bei Sirius in Plön in verantwortlicher Position tätig war, und der Lette Ivars Linbergs, der seit Jahren als selbstständiger Bootsbauer und Komposit-Spezialist in verschiedenen Betrieben gearbeitet hat.
Nachdem die erste Halle für den Ausbau der Yachten stand, haben sie eine weitere renoviert und mit einem neuen Fußboden inklusive Heizung versehen.
Die Rümpfe bezieht Pure derzeit von dem holländischen Fachbetrieb Folmer, der von der sechs Meter langen Alu-Schaluppe über diverse Yachten bis hin zu Motorbooten und größeren Behördenfahrzeugen alles schweißt, biegt und schleift, was robust, leicht und durabel sein soll. Folmer hat bereits diverse Yachten nach Plänen von Martin Menzner/Berckemeyer Yacht Design gebaut. Der Konstrukteur aus Stein an der Kieler Förde ist durchaus vielseitig, steht aber auch für gut segelnde Aluminiumyachten. Menzner hat mit der Pure 42 das erste Serienschiff der Werft gezeichnet. Davor hat die Werft einen Einzelbau Pure 50 für amerikanische Rechnung gefertigt. Zum Programm gehört auch die Pilothouse-Yacht Pure 49. Die hatte Schernikau aus einem Kasko von der Yachtwerft Benjamins für sich selbst ausgebaut und später ins Werftportfolio integriert.
Beide Boote sind Semi-One-offs mit Hubkiel und achterstaglosem Carbonrigg mit Fatheadgroßsegel, und sie agieren auf der performanten Seite des Sports. Dazu tragen der leichte Innenausbau aus GFKSandwich und das GFK-Dach bei sowie der intelligente Einsatz der Alubauweise. Die Werft will sich künftig auch darauf einstellen, die Rümpfe und Decks selbst zu bauen, und ist Einzelbauten gegenüber nicht abgeneigt.
Damit wächst die Szene der Aluminiumwerften um einen vielversprechenden Player. Der Markt für große Segelyachten wird beherrscht von Huisman, Explorer kommen von K&M, Langfahrtyachten beispielsweise von Hutting, beide ebenfalls Niederlande, dazu fischen Garcia und Allures sowie Ovni und Boreal aus Frankreich im Markt. Jachtbouw Folmer in Holland und die Yachtwerft Benjamins im Ostfriesischen sind spezialisiert auf Kaskos und Einzelbauten.
Mit Pure Yachts hat der deutsche Bootsbau eine weitere ambitionierte Werft dazugewonnen, die ihre Nische gesucht und gefunden hat: komfortable und performante Langfahrtyachten aus Aluminium mit Allwetter-Deckshaus. Performance-Explorer sind eine seltene Gattung.