Ein Schockmoment für Crews und zehntausende Zuschauer beim Start des Ocean Race Europe in Kiel: Nicht einmal zwei Minuten nach dem Startschuss krachte es – das Schweizer Team Holcim-PRB mit Skipperin Rosalin Kuiper (Niederlande) kollidierte mit dem Team Allagrande Mapei Racing unter Ambrogio Beccaria. Die italienische Yacht bohrte ihre Deckssaling in den Rumpf von “Holcim-PRB”. Zurück blieb ein über anderthalb Meter langer, senkrechter Riss mittschiffs in der Backbordseite des Bootes.
Die Etappe war für beide Boote gelaufen, das war bei näherer Betrachtung schnell klar. Doch vor allem für das Team “Holcim-PRB” stand überhaupt in Frage, ob es zurück ins Rennen finden würde. Die Schäden am Rumpf schienen zu massiv. Es begann ein Wettlauf gegen die Zeit, ein Rennen ums Comeback!
Heute, gut zwei Monate später, steht fest: Ja, das Team “Holcim-PRB” hat es geschafft! Innerhalb weniger Tage reparierten sie den Schaden und machten das Boot pünktlich zum Start der zweiten Etappe nach Portsmouth, England, wieder rennklar.
An dieser technischen und logistischen Meisterleistung war die renommierte Knierim-Werft aus Kiel maßgeblich beteiligt. Die auf Hightech-Yachtbau spezialisierte Werft, die nur einen Steinwurf von der Schleuse Kiel-Holtenau entfernt liegt, empfing die schwer beschädigte “Holcim-PRB” noch am Abend der Kollision.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Knierim-Werft im Rampenlicht der internationalen Segelszene steht. Das Familienunternehmen in zweiter Generation glänzt immer wieder mit außergewöhnlichen Neubauten, Spezialprojekten und Reparaturen.
Bereits 2023 war Knierim maßgeblich an der schnellen Instandsetzung des Bootes des europäischen Team Guyot beteiligt, das vor der amerikanischen Küste den Mast verloren hatte. Mit einem internationalen Team wurden die Schäden in Kiel behoben – und das Boot konnte das Rennen schließlich wieder fortsetzen.
Nun kam es also erneut auf die Expertise der Kieler Werft an. Über die Tage der Reparatur hat Knierim-Geschäftsführer Steffen Müller jetzt im Rahmen einer Vortragsreihe berichtet. Der Nautische Verein zu Kiel, maritime Interessenvertretung und Netzwerk-Plattform für das Schifffahrts- und Hafenwesen der Stadt, hatte zu diesem exklusiven Einblick in die Arbeit der Werft eingeladen. Mehr als 70 Personen kamen dazu in die Räume der Kieler Seglervereinigung.
Die YACHT hat mit dem Knierim-Chef, Steffen Müller, kurz nach dem Vortrag gesprochen:
Für uns war die Aufgabe ungemein spannend. Wir wollten das unbedingt hinkriegen. Es ging uns nicht um Marketing für die Werft. Vielmehr war es für uns als Regattasegler und Werftbetrieb eine Herausforderung. Diese haben wir angenommen und schließlich gemeistert.
Die Resonanz war durchweg positiv. Glückwünsche erreichten uns vom Konstrukteur des Boots, vom Holcim-Team und auch von anderen Ocean-Race-Teams. Für das gesamte Event war es entscheidend, dass möglichst viele Boote teilnehmen konnten. Wären “Holcim-PRB” und “Mapei” ausgefallen, hätte das Rennen eindeutig an Attraktivität verloren. So aber blieb die Spannung erhalten – und ein Stück weit ist es wie bei der Formel 1: Auch dort sorgen spektakuläre Zwischenfälle für zusätzliche Aufmerksamkeit.
Diese Art von Reparatur haben wir bereits zuvor durchgeführt – vielleicht nicht in diesem Umfang und nicht mit solch hohen Ansprüchen an die Komposit-Arbeit, neu war das für uns aber nicht. Auch unsere Auftragslage hat sich dadurch nicht verändert. Vielleicht wurden wir für einen Moment stärker wahrgenommen – aber auch das ebbt erfahrungsgemäß schnell wieder ab.
Zu Beginn wurde der Schaden genau begutachtet, um gemeinsam mit dem Designer und dem Struktur-Ingenieur des Bootes das beste Reparaturkonzept zu entwickeln. Anschließend fertigten wir die nötigen Formen an – basierend auf den CAD-Daten, die der Konstrukteur bereitgestellt hatte.
Danach wurde das neue Bauteil hergestellt. Parallel dazu bereiteten wir den Rumpf vor und passten die Schotts hinter dem beschädigten Abschnitt entsprechend an. Im nächsten Schritt wurde das Bauteil eingepasst, eingeklebt und wieder mit allen anderen Komponenten verbunden. Dass es anschließend noch gespachtelt, geprimert und lackiert wurde, war dann noch die Kür.
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Die größte Herausforderung war definitiv der Zeitdruck. Dazu kam die Gewissheit, dass im Falle eines Fehlers die Folgen endgültig wären. Das setzte uns ganz schön unter Druck.