Mit der Drohne durch die WerftHammer-Video von Hallberg-Rassy

Jochen Rieker

 · 31.07.2024

Mit der Drohne durch die Werft: Hammer-Video von Hallberg-RassyFoto: Magnus Rassy
Mit Hilfe von 3D-Brille und Präszisionsfernsteuerung manövrierte FPV-Pilot David Luther seine Spezialdrohne beim Dreh des jüngsten Werft-Videos von Hallberg-Rassy
Haarscharf an den Absaugschläuchen in der Endmontage vorbei, durch die Beine eines Bootsbauers hindurch, eine Handbreit neben der Kappsäge längs, via Vorschiffsluke unter Deck – der junge schwedische FPV-Drohnenpilot David Luther hat in den Werfthallen von Hallberg-Rassy sein ganzes Können unter Beweis gestellt. Dabei entstand eine rasante Dokumentation der HR-Produktion. Prädikat: absolut sehenswert! Wir haben das Making-of recherchiert und erklären, wie das Video entstanden ist

Gut zwölf Minuten dauert der Flug durch die Werfthallen in Ellös auf der westschwedischen Insel Orust. Und es wirkt, als sei der Film in einem einzigen Take gedreht worden, also ohne Unterbrechung. Das macht den Reiz der einzigartigen Produktion aus – aber auch die Geschwindigkeit und mehr noch die vielen haarsträubend knappen Begegnungen der Drohne mit all den Komplexitäten, die der Yachtbau im Echtbetrieb so mit sich bringt.

“Wir wollten einmal zeigen, dass bei uns ständig 23 Yachten gleichzeitig in Arbeit sind”, sagt Magnus Rassy. “Und das geht ja eigentlich nur so.” Der Werftchef, stets für neue Ideen offen, machte sich dabei die FPV-Technik zunutze. FPV steht für “First Person View” und umschreibt die besondere Perspektive, aus der sowohl Drohnenpilot als auch Zuschauer die Videobilder sehen: als wären sie selbst an Bord.

Zwei junge Video-Producer setzen neue Maßstäbe

Der Impuls für die FPV-Produktion kam von Anton Bylund, der seit einigen Jahren für Hallberg-Rassy Videos produziert. Das bislang beeindruckendste ging im vergangenen Winter online und zeigt das neue Flaggschiff in allen Details: “Hallberg-Rassy 69 The Movie” lautet der Titel. In nur einem halben Jahr ist es mehr als 680.000-mal geklickt worden. Der erst vor zwei Wochen veröffentlichte Drohnenflug durch die Werfthallen toppt die detaillierte Bootstour durch die HR 69 zwar nicht, was die Abrufzahlen anbelangt. Aber aufwändiger und diffiziler war dessen Herstellung allemal.

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Profi mit High-End-Fluggerät. David Luther hat die Drohnenbilder gedreht. Er hat eine eigene Produktionsfirma, fliegt mit Mountainbikern durch den Wald, mit Motocrossern über Sprunghügel oder über die Bühne von Live-KonzertenFoto: Luther Immersive CinematicsProfi mit High-End-Fluggerät. David Luther hat die Drohnenbilder gedreht. Er hat eine eigene Produktionsfirma, fliegt mit Mountainbikern durch den Wald, mit Motocrossern über Sprunghügel oder über die Bühne von Live-Konzerten

Statt selbst zu fliegen, holte Anton Bylund kurzerhand einen anderen jungen Profi ins Team. “Einen extra, extra, extra guten FPV-Piloten”, sagt Magnus Rassy. Den fand Bylund in Landsmann David Luther, der hinter der 3D-Brille und an den Reglern der Fernbedienung zauberte. Aber Coolness und Können reichen bei Weitem nicht aus für solche Aufnahmen.

Allein für die Planung der Flugstrecken sowie der gesamten Logistik brauchten sie zusammen mit dem Werftchef einen vollen Tag. Als es ans Drehen ging, mussten auch noch sämtliche Mitarbeiter in der Produktion instruiert werden. Den Beginn jeder einzelnen Sequenz zählte Anton Bylund per Megafon herunter: “fünf – vier – drei – zwei – eins – und ... Action!”

Im Film fliegt man zunächst aus der Vogelperspektive in die Endmontage, dann in die Lackiererei, weiter in die Tischlerei und das Holzlager, in die Elektrik-Abteilung, wo Kabelstränge konfiguriert werden, in die Spritzkammern für den Antifouling-Auftrag, kurz raus ins Freie, in den Verkaufsraum von Hallberg-Rassy Parts, der jedem Ausrüster Konkurrenz machen kann, und dann in den Hafen und hoch ins Rigg eines eben gewasserten Bootes.

Anders als viele FPV-Videos ohne Ton oder lediglich mit nichtssagender Musik unterlegte Filme kommt die Drohnentour von Hallberg-Rassy mit authentischen O-Tönen, die das Erlebnis noch erheblich steigern: Man hört Hammerschläge, Unterhaltungen, Schritte, Schleifmaschinen, als wäre man selbst dabei. Eigens dafür haben Anton und David einen Tontechniker engagiert, der die Atmosphäre eingefangen hat. Der Ton kommt also gar nicht von der Drohne, obwohl es genauso wirkt.

Ein Tag Planung, ein Tag Dreh – und vier Wochen für den Schnitt!

Wie aufwändig so eine Produktion ist, lässt sich an einer Zahl festmachen. Vier Wochen dauerte es vom Dreh bis zum fertigen Video. Die “Post Production”, die aus Bild- und Tonschnipseln am Ende ein homogenes Gesamtkunstwerk entstehen ließ, erforderte also bei Weitem die meiste Zeit. Nur so ließ sich ein “nahtloser” Flug realisieren. Der längste Take ist gleich der am Anfang: Die Bilder von der Montage der großen Boote fing David Luther tatsächlich in einem Durchgang ein; der Rest ist stärker segmentiert, ohne dass es freilich sichtbar würde.

Auf die Frage, wie oft die Drohne bei den Aufnahmen abgestürzt oder mit Hindernissen kollidiert ist, schweigt Magnus Rassy schmunzelnd: “Das traue ich mich nicht zu sagen.” Man darf von einer zweistelligen Anzahl ausgehen. Aber Crashs gehören bei solchen Projekten einfach dazu. Viele FPV-Drohnen sind deshalb besonders klein, wendig – und ihre Rotoren werden von einer Art Käfig geschützt, sodass weder fürs Fluggerät noch für die HR-Belegschaft eine Gefahr ausging.

FPV-Videos sind im Segelsport insgesamt noch nicht wirklich angekommen. Während sie im Fußball oder Motorsport inzwischen zum festen Programmbestandteil zählen, gibt es von Booten oder Regatten kaum sehenswerte Footage. Die besten Clips entstanden bisher im Rahmen des SailGP , die einer der Cracks der Szene gedreht hat: Johnny FPV. Auch The Ocean Race und die Imoca-Klasse haben kurze Elemente in ihr Bewegtbild-Angebot eingebaut.

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