Im ersten Schritt überträgt Leonardo Ferragamo, der Nautor vor 26 Jahren übernommen und zu neuem Glanz geführt hatte, 60 Prozent der Anteile an die italienische Werft. Dies sei “ein sehr wichtiger und positiver Schritt, um das weitere Wachstum des Unternehmens zu fördern und seinen Ruf als einen der wichtigsten Segelyachthersteller weltweit zu stärken”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Die vollständige Übernahme soll erst nach einer fast vier Jahre währenden Übergangszeit erfolgen, im April 2028. Dann jährt sich Ferragamos Einstieg zum 30. Mal. “Dies wird eine schrittweise Integration der beiden Marken ermöglichen und schließlich den größten Akteur im High-End des nautischen Segments schaffen”, so die Mitteilung.
Nautor soll dabei seine eigenständige DNA beibehalten. Auch die Produktion im finnischen Pietarsaari, die einen Gutteil des Swan-Mythos ausmacht, wird bestehen bleiben. Daran hatte auch Leonardo Ferragamo nie gerüttelt, obwohl er und sein Top-Management die operative Führung mehrheitlich von Florenz aus erledigten.
Der Bereich, von dem sich Nautor wie Sanlorenzo positive Effekte der Fusion erhoffen, ist vor allem Forschung und Entwicklung. Die Finnen etwa haben durch ihre Racer/Cruiser wie ClubSwan 50 oder 80 erstklassiges Knowhow bei Kohlefaser-Verbundwerkstoffen. Zudem verfügen sie über die vermutlich beste Expertise in der Holzverarbeitung branchenweit. Sanlorenzo wiederum kann wertvolles Wissen im Bereich alternativer Antriebe einbringen. Und fraglos werden beide Partner im Einkauf sowie beim Vertrieb profitieren.
Die Vorteile also, sie liegen auf der Hand. Umso erstaunlicher erscheint auf den ersten Blick, wie lange sich die Parteien Zeit mit den Verhandlungen gelassen haben. Ursprünglich war eine Entscheidung über den Einstieg Sanlorenzos bereits für Mai avisiert.
Zu den Gründen für die Verzögerung gab es bisher keine Stellungnahme. Zwei Faktoren dürften dabei eine Rolle gespielt haben. Zum einen ist da Leonardo Ferragamos enge emotionale Bindung an Nautor, die das Loslassen ohne jeden Zweifel erschwert hat. Der Patron war in die Belange der Werft ungleich mehr involviert als üblich, weit mehr auch, als es deren finanzieller Ertrag je gerechtfertigt hätte.
Nautor war ganz einfach Leonardos Passion. Entscheidungen wie jene über die Neuentwicklung der Swan 51 etwa, dem neuesten Modell aus der Kernserie von Nautor, traf er im Zweifel selbst. Features wie die doppelt abklappbare Badeplattform der Swan 58, die dem Boot eine Alleinstellung gaben, setzte er gegen alle Bedenken seiner Ingenieure durch. Auch die Ausweitung des ClubSwan-Programms, das bald von 28 bis 125 Fuß reicht, vom Sportboot bis zum Offshore-Rekordjäger, trägt eindeutig seine Handschrift.
Ferragamo hat zudem nie aufgehört, den Betrieb in Finnland auszubauen und auf dem jeweils aktuellsten Stand zu halten. Dabei ließ er die einstigen Konkurrenten von Baltic Yachts in den vergangenen zehn Jahren mehr und mehr achteraus. Klar, dass ein Abschied von dieser Berufung, und sei er auch gestaffelt über mehrere Jahre, schwer zu verhandeln gewesen sein muss für einen wie ihn, der auch beim Regattasegeln stets am Rad drehte. Abzugeben, woran er zweieinhalb Jahrzehnte gearbeitet hat, muss ihm unendlich schwerfallen – selbst an eine Werft wie Sanlorenzo, die den gleichen Hang zur Perfektion hat, ihrerseits Technologieführer ist und obendrein um ein Vielfaches größer als Nautor.
Der andere Grund für die verspätete Vermählungsanzeige könnte in der derzeit unsicheren Konjunktur liegen. Zwar haben beide Werften, Nautor wie Sanlorenzo, Rekordaufträge in den Büchern stehen und auf Jahre Vollbeschäftigung. Zwar sind sie aufgrund ihrer absoluten Premium-Orientierung weniger anfällig für Nachfrageschwankungen, weil Luxus nahezu immer geht.
Doch steht auch dieser Markt vor möglichen Umwälzungen, deren Auswirkungen nur schwer zu prognostizieren sind: Wird es in der EU oder anderen Märkten Auflagen für den CO2-Ausstoß von Superyachten geben? Werden Verbrennermotoren auf privat genutzten Schiffen im 100-Fuß-Format mittel- bis langfristig überhaupt noch gesellschaftliche Akzeptanz finden – oder kippt da etwas?
In einem solchen Umfeld erscheint es nachvollziehbar, dass Sanlorenzo sich Zeit lassen will bis zur vollständigen Integration Nautors – und sich im Zweifel eine Chance für Nachverhandlungen offenhält, falls Nautors fraglos großes Potenzial nicht voll zum Tragen kommt.
Interessant in dem Zusammenhang ist, dass einer der Risikofaktoren – das wachsende Umweltbewusstsein insbesondere in der jüngeren Generation – am Ende sogar förderlich gewesen sein könnte bei den Gesprächen.
Die Tochter von Sanlorenzo-Chef Massimo Perotti nämlich engagiert sich mit großer Überzeugung für einen bewussteren Umgang mit natürlichen Ressourcen. Sie soll eine treibende Kraft hinter dem Einstieg gewesen sein und auch bei der Evaluierung aktiv mitgearbeitet haben. Schließlich sind Segelyachten im Bau wie im Betrieb nachhaltiger als Motorboote. Weil sie aus Prinzip nicht mehr fliegt, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, reiste sie vorigen Winter im Zug von Norditalien nach Finnland.
Leonardo Ferragamo jedenfalls hätte keinen besseren Nachfolger finden können für seine “so geliebte und respektierte Marke”. Dass sie als Teil der Sanlorenzo Group fortbestehen wird, steht außer Zweifel. Massimo Perotti sicherte zu, “das Erbe und die Exklusivität der Marke zu bewahren”.
Er selbst wird künftig gemeinsam mit dem bisherigen CEO, Giovanni Pomati, die operative Führung übernehmen, Leonardo Ferragamo bleibt als Präsident an Bord. Er wird aber wohl mehr Zeit zum Segeln finden. Jedenfalls ist ihm, ohne den es Nautor Swan in der jetzigen Form sicher nie gegeben hätte, etwas mehr Muße auf dem Meer zu gönnen.