Bootsbau-ÖkolutionDiese Werften arbeiten an nachhaltigen Konzepten

Erste Großserienyacht, deren Rumpf am Ende der Lebensdauer voll recycelt werden kann. Sun Fast 30 OD in Beneteaus Spezialwerft Cheviré
Foto: Werft
Mit verschiedenen Methoden versuchen Konstrukteure und Werften, Yachten umweltfreundlicher zu produzieren. Manche sind hoch innovativ, andere genial einfach. Eine Spurensuche

Wenn es eines gibt, worin sich Bootsbauer und Zulieferer einig sind beim Thema Nachhaltigkeit, dann ist es dies: „Die eine Lösung existiert nicht. Es wird ein ganzes Bündel sehr individueller Schritte brauchen.“ Das sagt Ollie Taylor, stellvertretender Direktor der Anthesis Group, eines internationalen Beratungsunternehmens mit Sitz in London. Taylor befasst sich seit sechs Jahren damit, wie Schiffe in der Produktion und in ihrer Nutzung umweltverträglicher werden können. Es ist ein mühevolles Metier. Nach wie vor gebe es viele in der Branche, die sich darauf berufen, dass der Einfluss des Bootsmarkts auf die gesamten Emissionen verschwindend gering sei, so Taylor. „Deshalb glauben sie, dass es sich nicht lohne, über andere Verfahren und Materialien nachzudenken.“ Er hält das für einen Fehler. Denn selbst, wenn vorerst keine Vorgaben und regulativen Eingriffe seitens der EU drohen: Es ändert sich etwas.

Mehr und mehr bilde sich ein soziales Bewusstsein dafür, das alte Wirtschaftsmodell zu reformieren, einfach, weil es so nicht länger funktioniert. Der Bootsmarkt in seiner heutigen Form sei „ein Produkt des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegsära, die immer mehr Menschen Wohlstand gebracht hat“. In Kombination mit dem aufkommenden GFK-Serienbau in den siebziger Jahren wurden Segelyachten von einem Luxus für wenige zu einem leistbaren Hobby für Hunderttausende. „Niemand hat ernsthaft gefragt, was mit den Booten einmal passiert, wenn sie keine Eigner mehr finden, so Taylor. Diese Nonchalance werde gesellschaftlich aber nicht länger akzeptiert. Schon jetzt stellten die nachrückenden Generationen den Status quo in Frage. „Wenn wir keine Lösungen anbieten, wird es schwer.“

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Einige Vorreiter haben sich bereits auf den Weg gemacht, darunter manch kleine, innovative Startup-Werften, aber auch etablierte Marken. Wir stellen ihre Initiativen und Ansätze exemplarisch vor, die mal hoch innovativ, mal bewährt, mal technisch aufwändig, mal provokativ einfach sind.


Beneteau – ein Großer denkt groß

Die Sun Fast 30 wird mit Elium laminiert, einem neuartigen Harz, das sich aus dem Faserverbund herauslösen lässt
Foto: Jean-Marie Liot Iages

In Cheviré, einem nüchternen Industriegebiet südlich von Nantes, soll sie beginnen, eine der vielen kleinen Evolutionen, die nötig sind, um die CO2-Belastung durch Serienboote nennenswert zu verringern. An dem Standort, der schon in den achtziger Jahren als eine Art Laboratorium für den Hochseesport fungierte, damals noch unter dem Namen Jeanneau Techniques Avancées, entstehen derzeit die ersten Serienyachten, deren Rümpfe vollständig wiederverwertbar sein sollen.

Die nur 4.000 Quadratmeter messende Spezialwerft gehört zur Beneteau-Gruppe. Der mit weitem Abstand größte Sportboothersteller der Welt, dessen Hallen jedes Jahr an die 7.000 Schiffe von der 14-Fuß-Jolle bis zum 76-Fuß-Luxuskatamaran verlassen, will hier im Kleinen erproben, was später einmal im industriellen Maßstab Anwendung finden wird. Vorreiter ist die Jeanneau 30 One Design, ein Hochsee-Renner, der die Lücke zwischen Mini 6.50 und Class 40 überbrücken soll. Als erstes Serienmodell des Konzerns wird er von Beginn an statt mit Polyesterharz mit Elium laminiert. Das ist ein Kleber, der zum Thermoplast aushärtet, in einem speziellen Verfahren wieder verflüssigt und, von den Fasern getrennt, erneut verwendet werden kann. „Im Vergleich zu herkömmlichen Harzen können wir damit die CO2-Bilanz um 70 Prozent reduzieren“, sagt Erwan Faoucher, der Forschungs-Direktor von Beneteau und Chef des Nachhaltigkeitsprogramms „B sustainable“.

Exklusive Einblicke

Die YACHT erhält im September erstmals Zutritt zu dem Komplex, der ansonsten streng abgeschirmt bleibt. Fotos sind nur in wenigen Bereichen möglich; zu viel Vorarbeit und Entwicklung stecken in dem Verfahren, das einen der größten Problembereiche im Bootsbau zu entschärfen verspricht. So anders verlaufen die Prozessschritte freilich gar nicht im Vergleich zum üblichen GFK-Bau. Rümpfe und Decks entstehen in Negativformen; sie werden unter Vakuum laminiert. Lediglich die Aufbereitung des Harzes, das in blauen Fässern angeliefert wird, unterscheidet sich.

Dass Beneteau den Elium-Einstieg ausgerechnet an einem Regattaboot wagt, spricht für das Vertrauen des Unternehmens in den Kleber. Denn als Einheitsklasse wird die Sun Fast 30 OD fraglos bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gesegelt werden – unvergleichlich härter als Fahrtenyachten. Es sei „der ultimative Test“, sagt Damien Jacob, Chef über das gesamte Segelboot-Programm der Gruppe. Sorgen um die Haltbarkeit macht er sich dabei nicht. Sie erscheinen auch unbegründet.

Das Harz wird bei Arkema produziert und ist seit Jahren im Einsatz, vorwiegend beim Bau der Flügel von Windkraftanlagen. An deren Spitzen treten enorme Flieh- und Scherkräfte auf. Elium musste und muss aber auch interne Tests im firmeneigenen Labor von Beneteau durchlaufen, das eine Autostunde südlich von Nantes in La Roche-sur-Yon seinen Sitz hat.

Alle Baustoffe werden erprobt

Die Ingenieure, Chemiker und Techniker dort unterziehen alles, was an Baustoffen in die Boote kommt, rigorosen Erprobungen: Lacke, Hölzer, Furniere und Edelstahl-Komponenten aus dem laufenden Programm werden immer wieder auf ihre Eigenschaften hin untersucht, etwa auf Kratzfestigkeit und Beständigkeit gegen UV-Belastung und Bewitterung. Jede Charge Gelcoat und Harz wird schon bei Anlieferung getestet, bevor sie in die Produktion geht. Und natürlich alles, was noch gar nicht in Serie verbaut wird, wie etwa Schaumkerne aus recycelten PET-Flaschen, Matten aus in der Normandie angebauten Hanffasern, Flachs, biobasierte Harze sowie, natürlich, Elium. Ein Aufwand, den sonst keine andere Werft in diesem Maß betreibt. „So stellen wir sicher, dass es keine Überraschungen gibt, was gerade bei neuen Prozessen enorm wichtig ist“, sagt Erwan Faoucher. Auch die Entscheidung, bei kleinen Komponenten verstärkt auf natürliche Fasern wie Flachs oder Hanf zu setzen, wurde zuvor über Jahre in La Roche-sur-Yon validiert.

In der gesamten Beneteau-Gruppe macht ihr Anteil bisher erst weniger als zehn Prozent aus, soll aber sukzessive steigen. Bei der Verwendung von biobasierten Harzen streben die Franzosen in diesem Jahr 35 Prozent an (2022: 14 Prozent). Die Bezugsstoffe ihrer Polster bestehen schon jetzt mehrheitlich aus Recycling-Fasern. Abfälle aus der GFK-Produktion gehen ab kommendem Jahr komplett in die Automobilindustrie zur dortigen Wiederverwertung. Bis 2030 will das Unternehmen mit diesen und weiteren Maßnahmen die CO2-Emissionen insgesamt um 30 Prozent drücken. Aber dabei lässt es Erwan Faoucher nicht bewenden.

Der Nachhaltigkeits-Direktor, der in Chemie und Wirtschaftswissenschaften promoviert hat, will nicht nur die eigenen Produktionsbetriebe mobilisieren, sondern auch die Zulieferer einbinden. So sollen bis Ende 2025 mehr als die Hälfte der Firmen den gleichen Öko-Audit durchlaufen, den auch Beneteau absolviert, um auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette CO2-Einsparpotenziale zu identifizieren – und zu nutzen.

Er kann sich dabei auf ein Team von 40 Mitarbeitern stützen, die an allen Standorten technische Unterstützung leisten beim Bemühen, die Emissionen zu verringern. Zusammen mit der Regierung und externen Beratern lässt er derzeit ein Zertifizierungsverfahren entwickeln, an dessen Ende ein objektiver CO2-Index für jedes Serienboot stehen soll, das auf dem Markt ist. Es würde jene Transparenz schaffen, vor der die Werften bisher kollektiv zurückschrecken.

Wie weit würden die Marktführer gehen?

Ein komplexer, ja kühner Plan, der zeigt, wie weit der Marktführer bereit ist zu gehen, um die Transformation zu einer nachhaltigeren Form von Bootsbau zu schaffen. Wie kompliziert das sein kann, zeigt sich am Prestigeprojekt Elium. Erwan Faoucher spricht davon, mit Hilfe des Harzes die Emissionen um 70 Prozent gegenüber Polyester senken zu können. „Es ist der größte Hebel im gesamten Kompositbereich, den wir haben.“

Der Prozentwert wird von Experten jedoch kritisch gesehen. Zum einen, weil sich der Effekt – wenn überhaupt – erst am Ende der Nutzungsdauer und nur bei vollständiger Wiederverwertung des Harzes erzielen lässt. Zum anderen, weil heute noch keine entsprechenden Verfahren im industriellen Maßstab existieren. Es ist also eine Wette auf eine ferne Zukunft in 20, 30, 40 oder noch mehr Jahren.

Aktuell gibt es zwar ein Unternehmen, das in der Lage ist, Elium zurückzugewinnen: Das Schweizer Start-up arbeitet auch an einer Anlage zur mobilen Rückgewinnung und könnte damit künftig Rümpfe und Decks dezentral recyceln. Ohne langfristige Finanzierung, eine gesetzliche Rücknahmepflicht oder staatliche Förderung ist freilich keinesfalls sicher, ob der Betrieb noch existiert, wenn die Yachten dereinst ihre letzte Reise antreten.


Der Ecoracer von Eco Yachts

Zertifizierte CO2-Neutralität. Der Ecoracer 30 definiert in Sachen Nachhaltigkeit neue Standards für Sportboote
Foto: Werft

Vollständig klimaneutral Schiffe bauen – geht das überhaupt? Ja, sagen die Macher von Northern Light Composites. Die Denkfabrik in Monfalcone nahe Triest hat die letzten vier Jahre einen vollständig recycelbaren Verbundwerkstoff für die Bootsbau-Industrie entwickelt und das Produkt auch gleich patentieren lassen. Es ist für den 11th Hour Racing Sustainability Award vom Weltsegelverband World Sailing nominiert. Der prestigeträchtige Nachhaltigkeitspreis ging letztes Jahr an Greenboats . Dieses Jahr nun gehören die Italiener zu den Finalisten.

Unter dem Markennamen Eco Yachts zeigt Northern Light Composites auch gleich, was damit möglich ist. Ein Prototyp, der Ecoracer 25, hat es als Versuchsträger bereits weit gebracht. Die Konstruktion von Matteo Polli gewann voriges Jahr die stark besetzte italienische Sportboot-Meisterschaft überlegen. Im Rahmen von Europas Yacht des Jahres erhielt sie den Sonderpreis für Nachhaltigkeit.

Jetzt geht der größere Ecoracer 30 in Serie. Ein erstes Boot ist bereits fertiggestellt, ein zweites kurz vor dem Stapellauf. Eco Yachts arbeitet zudem an der Entwicklung eines Zwölf-Meter-Performance-Cruisers sowie an einem reinen Racer für die Class 40. Auch eine Reihe von Motoryachten gleicher Bauart ist geplant.

Speziell entwickeltes Faserverbund-System

Die Recycelbarkeit von Rumpf und Deck wird dabei durch die Nutzung eines von Northern Light Composites speziell für die Anwendung im Bootsbau entwickelten Faserverbund-Systems namens „rComposite“ erreicht. Statt mit duroplastischen Harzen wie Polyester, Vinylester oder Epoxid wird bei Eco Yachts mit einem thermoplastischen Harz laminiert, das auch die Beneteau-Gruppe einsetzt:

Elium. Das heißt: Ab einem bestimmten Temperaturbereich wird das Harz verformbar und kann so aus einem festen Faserverbund wieder herausgetrennt werden. Kurz: Klein gesägt lassen sich Rumpf und Deck in ihre Grundbestandteile zerlegen. Aus Matten, Kernmaterial und Harz entstehen dann andere, wenn auch weniger hochwertige Bauteile, etwa für den Bau von Formen oder Möbeln. Nur ein Downcycling zwar, aber nicht: Endstation Müllverbrennung, Parkbank oder Straßenfundament.

Auch ein thermochemisches Verfahren für das Aufsplitten der Komponenten im Faserverbund ist möglich. Dabei wird das Harz von einem speziellen Lösungsmittel aus dem Gewebe herausgetrennt. Es kann, wieder aufbereitet, dann erneut für den Kompositbau eingesetzt werden, ebenso wie die Fasern und das Kernmaterial. Daraus lassen sich zwar keine Rümpfe mehr laminieren, aber kleinere, nicht strukturelle GFK-Formteile wie Steuersäulen oder Abdeckungen.

Zugänglichkeit für andere Werften

Northern Light Composites will die Technologie hinter dem Faserverbund-Recycling nicht nur für die Eigenmarke Eco Yachts nutzen, sondern auch anderen interessierten Werften zugänglich machen. CEO Fabio Bignolini dazu: „Ökologische Nachhaltigkeit und die Bewältigung globaler Umweltprobleme müssen eine kollektive Anstrengung sein. Indem wir unser Wissen und unser Verfahren teilen, wollen wir andere Werften ermutigen, ebenfalls daran mitzuarbeiten, einen positiven Wandel im Yachtbau zu bewirken.“

Die klimaneutrale Strategie von Eco Yachts wurde mittlerweile von der unabhängigen Prüfstelle Climate Standard verifiziert. Die Bewertung umfasst den gesamten Produktionsprozess, von der Beschaffung der Rohstoffe bis zur Auslieferung des Bootes an den Kunden. Emissionen, die sich nicht verhindern lassen, werden zumindest durch flankierende Umweltmaßnahmen kompensiert.

Als Teil der Unternehmensphilosophie, die Transparenz als wesentlich für Nachhaltigkeit ansieht, will Eco Yachts die Zertifizierung öffentlich machen. Das bedeutet, dass nicht nur die Kunden des Unternehmens, sondern auch Interessierte aus der Branche Zugang zu den Daten über die Schadstoffemissionen haben und so die Fortschritte der Emissionsreduzierung verfolgen können. Daran mangelt es bisher im Wassersport noch.


Windelo – Newcomer aus Frankreich

Innovativer Fahrten-Kat. Der Windelo 50 verwendet alternative Materialien. Die Fotovoltaik an Deck liefert Strom für die E-Motoren
Foto: Werft

Der Katamaran-Hersteller aus Südfrankreich zählt zu den Newcomern am Markt, und er geht in vielerlei Hinsicht eigene Wege beim Thema Nachhaltigkeit – weitaus konsequenter als alle etablierten Marken. Mit verantwortlich dafür war ein Erweckungserlebnis, das den Gesellschafter, einen erfolgreichen Unternehmer, zum Umdenken brachte. Beim Besuch einer Atlantikinsel sah er in einer ansonsten unberührten Bucht einen Berg aus Kunststoff-Überresten – und beschloss, etwas zu tun.

Geschockt vom direkten Anblick der schieren Menge praktisch unverrottbarer Plastikpartikel, die man sonst nur aus Dokumentationen kennt, blies er den geplanten Kauf eines Großserien-Katamarans aus GFK ab. Stattdessen ließ er Alternativen recherchieren. So entstand Windelo, die erste Werft, die Zweirumpfboote aus Basaltfaser in Serie fertigt und auch sonst unkonventionelle Baustoffe und Systeme favorisiert.

Basalt ist im Grunde nichts anderes als das Nebenprodukt eines Vulkanausbruchs – erkaltete Lava also und gleichermaßen auch das Gestein mit der weltweit größten Verbreitung. Längst haben die daraus gewonnenen Fasern den Zugang zur industriellen Nutzung gefunden, etwa als geeignetes Material zur Isolation und Wärmedämmung oder als Verstärkungsgewebe für Verbundwerkstoffe, zum Beispiel für die Produktion von Windkraftanlagen.

Im Yachtbau dagegen steht die Anwendung von Basaltfaser noch ganz am Anfang. Das könnte sich aber bald ändern, zumal die Produktionskapazitäten für die Glasfaser-Herstellung begrenzt sind. Windelo leistet hier Pionierarbeit, ebenso Norbert Sedlaceks Firma Innovation Yachts, die nach dem Bau von One-offs und offenen Kats eine Kleinserienfertigung von Motorkatamaranen plant.

Das Material hat etliche vorteilhafte Eigenschaften: Basaltfaser verfügt im Vergleich zu herkömmlicher Glasfaser über eine deutlich höhere Zugfestigkeit. Dazu ist das Material temperatur- und feuerbeständig sowie unempfindlich gegen UV-Strahlung. Vor allem aber erfordert seine Herstellung kaum mehr Energie als die von Glasfaser. Wenn man so will, eine Art Carbonersatz zum Öko-Spartarif. Erzeugt wird Basaltfaser durch Einschmelzen von Vulkangestein in Hochöfen. Daraus werden Filamente gezogen: lange, hauchdünne Fäden. Zu Matten oder Gelegen verwoben, lassen sie sich ähnlich wie Glasfaser verarbeiten.

Plastik-Trinkflaschen als Sandwichmaterial

Als Sandwichmaterial verwendet Windelo Catamarans einen PET-Kern, hergestellt aus wiederverwerteten Plastik-Trinkflaschen – ein Baustoff, den andere Werften bisher nur für nicht strukturelle Teile einsetzen. Allerdings müssen die Hartschaumplatten noch etwa zur Hälfte mit PVC-Anteilen verstärkt werden. Das ist nötig, weil die Scherfestigkeit von PET-Kernen zumindest derzeit noch nicht vollständig ausreicht.

Mit diesem Laminataufbau erzielen die innovativen Franzosen nach eigenen Angaben bei der Produktion ihrer Katamarane ein um bis zu 47 Prozent geringeres CO2-Äquivalent im Vergleich zu klassischem GFK-Sandwich. Das zeigen Berechnungen der Hochschule im südfranzösischen Alès, welche die Werft bei der Verarbeitung der Basaltfasern wissenschaftlich begleitet und beraten hat.

Windelo weicht von gängigen Lösungen ab

Außer im Komposit-Bau weicht Windelo auch beim Antriebskonzept und der Energieversorgung von gängigen Lösungen ab. Ausgestattet werden die Kats mit zwei großen Elektromotoren von je 20 kW Leistung. Den Strom dafür liefern zwei Akku-Bänke mit einer Kapazität von jeweils 11 kWh. Das reicht aus, um mit dem über 15 Meter langen und 11,2 Tonnen verdrängenden Boot knapp vier Stunden bei sechs Knoten Fahrt unterwegs zu sein.

Für eine weitgehende Autonomie unterwegs sorgen große Fotovoltaik-Module, die auf dem Dach sowie auch an Deck montiert werden und bis zu 5 kWh Spitzenleistung produzieren. Zusätzliche Energie bringen die im Segelbetrieb mitlaufenden Propeller im Rekuperationsmodus. Ihr Widerstand verlangsamt den Kat zwar um gut einen Knoten Fahrt, dafür können die Akkus auf diese Weise innerhalb eines Tages wieder vollständig aufgeladen werden, sofern die Geschwindigkeit unter Segeln dauerhaft um die zehn Knoten liegt. Darüber hinaus gibt es gegen Aufpreis Windgeneratoren.

Lizenzierte Nachhaltigkeit kann Windelo selbst für den Innenausbau seiner Katamarane vorweisen. Die Werft verarbeitet ausschließlich Hölzer aus nachhaltiger und geprüfter Forstwirtschaft. Teakdecks gibt es nicht einmal auf Wunsch. Die Schiffe entstehen in Canet-en-Roussillon, unweit der Grenze zu Spanien. Aktuell bietet die Werft zwei Typen an, den Windelo 50 und den Windelo 54. Geplant sind noch zwei weitere Modelle von 47 und 57 Fuß Länge.


Bestevaer und Vaan: die grüne Wahl

Zukunftsweisende Komponenten für den Yachtbau: PET-Schaum aus Plastikflaschen ...
Foto: Werft

In der Preisliste der neuen Bestevaer 36 finden sich hinter diversen Zubehöroptionen kleine grüne Blätter. Sie erinnern an die Symbole für vegane Gerichte auf den Speisekarten von Restaurants. Die Legende verrät, dass es sich dabei um eine „Green Choice“ handelt, eine grüne Wahl also. Das ist neu im Bootsbau. Zu den nachhaltigen Extras zählen etwa der E-Antrieb von Oceanvolt, Solarzellen oder Segel aus Elvstrøms Ekko-Serie, die aus recycelten Fasern hergestellt werden.

Auch die Kat-Bauer von Vaan setzen voll auf Nachhaltigkeit: E-Antrieb, Recycling-Materialien im Interieur, CO2-Kompensation in der ganzen Lieferkette. Die meinen das ernst. Nachhaltigkeit, sagen die Chefs der Aluwerften, werde immer wichtiger. Viele Kunden erwarten diese von ihrem Haus, ihrer Heizungsanlage, ihrem Auto und inzwischen selbst von ihrer Yacht. Wer es sich leisten kann, zeigt das durch entsprechende Produkte.

Nun ist es schwierig, eine Yacht irgendwie zu „vernachhaltigen“, wenn sie aus vielen Tonnen GFK hergestellt wird, das bislang nicht sinnvoll wiederverwendbar ist. Ganz anders Aluminium. Liegt darin eine Antwort auf die Frage, wie man den ökologischen Fußabdruck von Booten überhaupt verringern kann – und zwar ohne Verfahrensinnovationen, deren Umsetzbarkeit sich erst in Jahrzehnten erweisen wird?

Die Eckdaten jedenfalls sind so schlecht nicht: 75 Prozent allen jemals produzierten Aluminiums sind noch im Umlauf. Das Leichtmetall ist glücklicherweise ohne Verlust seiner Eigenschaften als Werkstoff beliebig häufig wiederverwendbar. Es kann einfach eingeschmolzen werden. So segeln heute Schiffe, die früher Fensterrahmen, Kaffeekapseln oder Verkehrsschilder waren. Das eingeschmolzene Material lässt sich durch Zusatz von zum Beispiel Magnesium auf die im Schiffbau gewünschte Qualität 5083 auflegieren. Aluminium dieses Typs ist gut bis sehr gut schweißbar, hat eine ausreichend hohe Festigkeit und ist obendrein absolut seewasserbeständig.

Gesamtbilanz des Werkstoffs

Da sich die Legierung schon bei 570 Grad Celsius verflüssigt, ist die erforderliche Energie beim Recycling-Prozess vergleichsweise gering. Wie aber steht es um die Gesamtbilanz des Werkstoffs?

Das lässt sich nur im direkten Vergleich klären. An erster Stelle wäre da: Glas, hergestellt aus Quarzsand, Kaolin, Kalkstein und Borsäure. Um daraus lange Fasern zu produzieren, muss es bei Temperaturen von über 1.000 Grad geschmolzen und zu haarfeinen Fäden gezogen werden. Diese wiederum lassen sich bündeln oder zu Gelegen verweben. Der Primärenergiebedarf ist also erheblich, die Wiederverwertung bisher unwirtschaftlich. Deshalb gilt dem GFK-Bau im Bemühen um mehr Nachhaltigkeit mit die größte Aufmerksamkeit.

Stahl ist ebenfalls hochschmelzend (bei rund 1.500 Grad), wäre aber sehr gut recycelbar. Allerdings ist er als Bootsbaumaterial nahezu unbedeutend geworden, da schwer und korrosionsanfällig. Holz wiederum hat viele positive Eigenschaften. Würde ein Schiff ganz oder zu großen Teilen daraus gebaut, wäre es ökologisch sehr günstig, da Bäume beim Wachstum CO2 aus der Atmosphäre binden. Doch wird es wegen der besseren Langlebigkeit im Bootsbau derzeit, wenn überhaupt, immer in Verbindung mit Harzsystemen eingesetzt. Die Trennung von Harz und Holz ist bislang nicht möglich, die Wiederverwendung des Materials im Sinne einer Kreislaufwirtschaft damit ausgeschlossen. Und: Der hohe Energiebedarf bei der Harzherstellung bleibt, wenn auch der Anteil des Klebers bei der Holz-Epoxid-Bauweise deutlich geringer ist als im GFK-Bootsbau.

Vieles spricht damit für Alu – wäre da nicht der enorme Aufwand bei seiner ursprünglichen Herstellung. Um aus dem Rohstoff Bauxit Aluminium zu erzeugen, sind unfassbar große Mengen von elektrischer Energie erforderlich: rund 16.000 Kilowattstunden pro Tonne – der Jahresbedarf von sechs Haushalten. Das allein entspricht einem CO2-Äquivalent von 6,4 Tonnen.

Anders ausgedrückt: Bestünde eine Bestevaer 36, für deren Bau rund fünf Tonnen Aluminium nötig sind, nicht zu weiten Teilen aus Recyclingmaterial, würde schon der Bau von Rumpf und Deck die Atmosphäre mit 32 Tonnen CO2 belasten. Tatsächlich aber ist es nur etwas mehr als ein Drittel davon, nämlich 11,6 Tonnen, weil der Energieaufwand fürs Einschmelzen kaum ins Gewicht fällt.

Zum Vergleich: Eine GFK-Yacht vergleichbarer Länge hat einen Kompositanteil (Harz, Fasern) von etwa 30 Prozent der Gesamtverdrängung, das sind rund zwei Tonnen. Bei der Herstellung des Baumaterials entstehen rund 16 Tonnen CO2 ; die weit überwiegende Menge geht auf das Konto des Polyesterharzes. Aluminium schneidet insofern tatsächlich besser ab. Die Kosten liegen aufgrund der aufwändigeren Bauweise allerdings deutlich über denen von Kunststoffyachten aus Großserie.

Alu-Yachten sind, um es mit einer doppelten Verneinung zu sagen, so wenig wie möglich nicht nachhaltig. Denn zur Gesamtbetrachtung gehört eine Energie- und Umweltbilanz über die gesamte Lebensdauer. Auch da haben Boote aus Bauxit den Bug vorn, sofern sie sauber gebaut und isoliert werden. Anders als bei GFK-Yachten braucht der Rumpf keinen Schutz, keinen Lack, keine Politur. Er bildet selbst eine Oxidationsschicht, die ihn vor Umwelteinflüssen bewahrt.

Ein Plus für die Ökobilanz

KM Yachtbuilders hat an seinem jüngsten Modell, der hier schon mehrfach erwähnten Bestevaer 36, gezeigt, wie weit sich der Vorteil von Aluminium noch treiben lässt. So braucht das Boot an Deck weder Strukturlack noch einen Belag, um die nötige Rutschfestigkeit zu gewährleisten. Die Werft hat das blanke Metall schlicht glasperlgestrahlt, um Füßen oder Schuhsohlen Halt zu geben. Ein Plus nicht nur für die Ökobilanz, sondern auch für die Eigner, die sich durch die ebenso einfache wie geniale Maßnahme langfristig Pflegeaufwand und Folgeinvestitionen sparen.

Diese Kunst der Reduktion ist dem Bootsbau im Länger-größer-besser-Fieber der zurückliegenden Jahrzehnte fast vollständig verloren gegangen. Hier war sie ein Konstruktionsprinzip. Es mag verstörend wirken, die unkaschierte Rohheit des Werkstoffs überall zu sehen und zu spüren. Doch liegt genau darin auch ein Gewinn.

Man kann lange diskutieren und rechnen, ob der gegen Aufpreis verfügbare Elektroantrieb tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Ökobilanz hat oder sie nicht vielmehr belastet. Denn anders als bei viel bewegten E-Autos, die bereits nach 70.000 bis 90.000 Kilometer Laufleistung besser abschneiden als hocheffiziente Verbrenner, erreichen Yachten selten die für einen echten Netto-Vorteil nötigen Betriebsstunden – und wenn, dann erst nach vielen Jahren, wenn Wechselrichter, Regler und Akkus womöglich schon wieder erneuert werden müssen.

Ein unbestreitbarer Punkt

In einem Punkt aber zeigt die Bestevaer 36 unbestreitbar, wie Nachhaltigkeit geht. Und er hat nur indirekt mit den Komponenten an Bord oder dem Baustoff Aluminium zu tun: Konstrukteur Gerard Dykstra und seine Auftraggeber von KM hielten eisern Maß.

Während sich das Gros des Marktes längst oberhalb von 40 Fuß eingependelt hat, wo Bug-, mitunter auch Heckstrahlruder inzwischen fast die Norm sind, wo elektrische Schotwinschen entweder schon in Serie verbaut oder als Option wie selbstverständlich geordert werden, beließen es die Holländer bei einem Boot im menschlichen Format, auf dem das Groß, wenn’s schnell gehen muss, noch Hand über Hand gesetzt werden kann.

Kein Verfahren, kein Baustoff wird je völlig emissionsfrei sein können. Der Verzicht auf ein, zwei Meter Rumpflänge dagegen spart gleich mehrfach, weil sich der Effekt durch das ganze Boot zieht: Er bedeutet nicht nur weniger Alu oder GFK, sondern auch weniger Arbeitsstunden, ein kürzeres Mastprofil, weniger Ballast, kürzere Kabel, kleinere Beschläge, weniger Ausbau. Insofern ist die Bestevaer 36 auch in dieser Hinsicht eine „Green Choice“.


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