Aufregender ArbeitstagIn der Sirius-Werft gehen Träume in Erfüllung

Nils Leiterholt

 · 24.03.2025

Das begrenzte Platzangebot vor Ort erfordert, dass in den Werfthallen regelmäßig rangiert werden muss.
Foto: Sirius Yachts
Deckssalonyachten von Sirius gelten als robust und zuverlässig. Woher der Ruf stammt und wie die beliebten Blauwasseryachten entstehen, zeigt der Werftbesuch im schleswig-holsteinischen Plön.

“Vorsicht, ich fahre langsam raus!“ Unmittelbar nach dem lauten Ruf setzt sich in der großen Produktionshalle ein Gespann in Bewegung und mit ihm ein 40 Fuß langes Schiff. Routine hier, denn jedes Schiff muss während der Produktion einmal aus der hinteren Reihe nach vorne umgestellt werden. Und doch zieht das Geschehen jedermanns Aufmerksamkeit auf sich. Alle Arbeiten werden für den Moment eingestellt, um den Geräuschpegel zu senken und die Kommunikation der Akteure nicht zu stören. Die findet über Mobiltelefon statt, zwischen einer Bootsbauerin, die hinter dem Schiff herläuft, und dem Fahrer des Gespanns, dem sie Anweisungen gibt.


Auch aus der Reihe:


Wir sind am Plöner See, auf dem Gelände der Sirius-Werft. Knapp 80 Mitarbeiter arbeiten hier daran, die nach den Zeichnungen des deutschen Konstrukteurs Marc-Oliver v. Ahlen gebauten Rümpfe auszubauen. Die Deckssalonyachten sind bekannt für ihre solide Bauweise und gute Qualität, viele werden von Blauwasserseglern bewegt. „Wir sind im Grunde ein zu schnell gewachsener Handwerksbetrieb, das hat sowohl Vor- als auch Nachteile“, sagt Johannes Erdmann über den Betrieb. Der ehemalige YACHT-Redakteur ist seit Anfang 2024 der Marketing-Chef hier und arbeitet auch im Vertrieb mit.

Sirius-Yachten sollen 100 Jahre alt werden

Die Unternehmenskultur, so Erdmann, sei immer noch von den flachen Hierarchien der einst kleinen Werft geprägt, andererseits seien immer häufiger logistische Probleme zu lösen – denn die Schiffe aus Plön wurden immer mehr, immer größer und immer komplexer. Viele der in Plön gefertigten Yachten werden etwa mit Kimmkielen ausgerüstet, die das Trockenfallen besonders einfach machen.

„Wir haben grundsätzlich vier Schiffe gleichzeitig im Bau“, sagt Torsten Schmidt, Geschäftsführer und Inhaber des Betriebs, „zwei 35er und zwei 40 Fuß lange Schiffe.“ In Summe würden zwölf Schiffe im Jahr fertiggestellt, deren Rümpfe angeliefert werden. Alle weiteren Arbeiten werden von Schmidts Mitarbeitern erledigt. „Ich möchte mit meiner Mannschaft Schiffe bauen, auf denen wir auch selber gerne segeln gehen“, sagt er. Dementsprechend legt der Chef großen Wert auf die Qualität der Deckssalonyachten, auf die sich die Werft in den späten 1980er-Jahren spezialisiert hat.

„Die Kaskos liefert eine Werft aus Polen, die auch die Rümpfe für Axopar baut“, so Erdmann. „Das machen wir aus Platzgründen so, viel günstiger ist das gar nicht.“ Aber da der Platz in den Hallen es nicht zulasse, sie hier am Standort selber zu bauen, würden die Rümpfe importiert.

Die Unternehmensphilosophie sei geprägt von Liebe zum Handwerk, so Erdmann. Und das bis ins kleinste Detail. „Wir haben hier den Anspruch, dass die Schiffe 100 Jahre alt werden sollen.“ Das hat natürlich seinen Preis und braucht seine Zeit. So hat die Sirius 35 DS etwa eine Vorlaufzeit von rund zwei Jahren, auf die Sirius 40 DS müssen Käufer nach ihrer Bestellung fast drei Jahre warten.

Am liebsten regionale Lieferanten

Ausgestattet ist die Werft mit modernen Werkzeugen bis hin zur großen CNC-Fräse. An der steht heute eine zierliche Bootsbauerin und schneidet hölzerne Bauteile millimetergenau zu. Dafür hebt sie große Platten mit der Luftdruck-Sauganlage aus dem Regal und legt sie auf den Tisch der Fräse. Als sie das Holz ausgerichtet und die Pläne aufgerufen hat, muss sie nur auf den Knopf drücken und die Fräse legt los. Nach weniger als einer Minute sind die Holzteile ausgeschnitten.

„Die CNC ist vermutlich die größte Einzelinvestition der gesamten Firmengeschichte. Mit ihr könnten wir während des Jahres theoretisch Holz für bis zu 100 Schiffe zuschneiden“, sagt Johannes Erdmann begeistert. Allerdings verhindere die Größe des Grundstücks am Plöner See, dass die Produktion ausgeweitet werden könne.

Ihre Lieferanten wählt die Werft nach Möglichkeit regional aus. Die Dieseltanks werden beispielsweise beim Hamburger Unternehmen Tanknologie geordert, den Großteil der verbauten Edelstahlteile bezieht die Werft von der Firma Freudenstein aus Flensburg. Bei der Segelgarderobe setzt Sirius auf Tücher von Elvström. „Wir können den Kunden meistens fünf oder sechs Segeloptionen anbieten“, sagt Erdmann. „Am häufigsten bestellen sie das ‚XRP Cruise‘-Tuch.“ Das ist ein Laminat, dessen Hauptbestandteile aus recyceltem Polyester bestehen.

Nach dem Kauf nutzen Eigner Vorteile der Nähe zur Werft

Den Wunsch, das Thema Nachhaltigkeit auch beim Bau ihrer Yachten zu berücksichtigen, hat bei Sirius einen immer größeren Stellenwert bekommen. „Um beispielsweise das Deck an den Stellen zu verstärken, wo hohe Lasten auftreten, etwa im Bereich der Winschen, verwenden wir als Kernmaterial Lukenausschnitte aus dem Superyachtbereich“, sagt Erdmann. „Das hat sowohl ökologische wie auch ökonomische Vorteile, denn die GFK-Teile würden sonst im Müll landen.“ Und als Decksbelag wird schon lange kein Teakholz mehr verwendet. Die Werft setzt auf Flexiteak aus PVC.

Die Masten bezieht die Sirius-Werft von Seldén aus Schweden, die Riggs werden mit den Fallen ausgerüstet geliefert. Für die restlichen Leinen vertrauen die Bootsbauer auf das Material von Robline. Die Firma hat eigens ein Tauwerk entwickelt, das auf die Bedürfnisse der Kunden von Sirius zugeschnitten ist. Die Leine, die ein Alleskönner an Bord sein soll und besonders UV-beständig ist, heißt sogar Sirius 500.

In der Ancora Marina in Neustadt hält die Werft 15 Liegeplätze vor. „Die meisten Eigner bleiben mit ihren neuen Schiffe zwei Jahre erst einmal in der Gegend“, erzählt Erdmann. Erst dann fühlten sie sich mit den Schiffen so vertraut, dass sie damit auf weltweite Fahrt gingen. Um bei Problemen zu helfen, hat die Werft ein eigenes Service-Team, das den Eignern nach dem Kauf bei technischen Fragen und Problemen unter die Arme greift.

Vielseitige Ausbildung bei Sirius

Lukas Botteck hat auch schon in diesem Bereich mitgearbeitet. Der 30-Jährige hat 2018 seine Ausbildung als Bootsbauer in der Fachrichtung Technik bei Sirius abgeschlossen. Anschließend absolvierte er ein Mechatronikstudium an der Fachhochschule Kiel.

»Den Auszubildenden wird hier viel geboten. Die Schiffe sind qualitativ wirklich gut gebaut und es macht Spaß, daran mitzuwirken.«

Während des Bachelor-Studiums arbeitete Botteck weiter in der Werft mit. Demnächst beginnt er sein Masterstudium. „Offiziell arbeite ich gerade als ‚Leiter technische Entwicklung‘, kümmere mich also um die inhaltliche Planung von allem, was ein Kabel hat“, erklärt der Techniker. Neben seiner Planungstätigkeit hat er in der Vergangenheit auch häufig im Service-Team ausgeholfen. „Gerade zu Beginn der Saison ist es üblich, dass dort zwischen 40 und 50 Anrufe auflaufen“, berichtet Botteck. Dann sei ein gewisses Organisationstalent gefragt, um die Aufträge zu priorisieren und entsprechend zu verteilen. Auch während des Masterstudiums wird er weiterhin im Betrieb arbeiten.

Wilko Arndt-Engelbart sitzt in seinem Büro und schaut aus dem Fenster auf das rege Treiben in der Halle, wo parallel zwei 40 Fuß lange Yachten im Bau sind. Unten wird gesägt und geschraubt, in seinem Büro ist es ruhiger. Auch Arndt-Engelbart hat seine Ausbildung bei Sirius absolviert und ist nach dem Ende seiner dreijährigen Ausbildung 2022 übernommen werden. Heute ist der 28-Jährige für die Auszubildenden zuständig. „Ich koordiniere die Einsätze der Azubis und bin sowohl für sie als auch für die Ausbilder ansprechbar, falls es Probleme gibt“, sagt er. Am Ende der Ausbildung sollen die Lehrlinge jegliche Stationen in der Werft durchlaufen haben.

„Wir würden zum Beispiel drei Auszubildende, die gleichzeitig anfangen, nicht mit derselben Arbeit betrauen“, sagt Arndt-Engelbart. „Vielmehr würde dann beispielsweise einer in der Vorfertigung, einer im Ausbau und einer im Außenbereich eingeteilt werden.“

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Warum er sich vor knapp sechs Jahren für die Sirius-Werft entschieden hat? „Das war tatsächlich wegen des Arbeitsschutzes“, berichtet der Bootsbauer. „Ich habe damals viele Praktika gemacht und in einigen Betrieben gab es vor allem für Azubis und Praktikanten keine Handschuhe oder Gas-Masken. Das darf aber nicht passieren und ist hier auch ganz anders.“

Wachstum der Werft ist begrenzt – teilweise erwünscht

Sirius setzt beim Vertrieb der Schiffe gänzlich auf das Können der eigenen Mitarbeiter. „Wir müssen daher auch keinem Händler einen Prozentsatz abgeben“, sagt Torsten Schmidt. Und so komme der gesamte Kaufpreis bei den Bootsbauern in Plön an. „Natürlich könnten wir statt zwölf Schiffen im Jahr auch fünfzehn bauen“, so Schmidt. „Da hätte ich auch nichts gegen und da kommen wir vielleicht auch mal hin.“ Bei 20 Neubauten jedoch sei eine Grenze erreicht, ab der das System kippen würde. „Dann müssten wir auch mit Händlern arbeiten. Und dann müssten wir zum einen deren Margen auf den Kaufpreis draufschlagen und zum anderen würden wir auch die Kundenkommunikation und das Feedback aus der Hand geben“, so Schmidt und ergänzt lachend: „Das wollen wir aber nicht!“

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Im Büro von Sven Düsener klingelt das Telefon. „Wenn der Anruf aus unserem Haus kommt, ist etwas kaputtgegangen oder die Jungs finden ein Teil nicht“, sagt er. Dieses Mal ist es allerdings ein Anruf von außerhalb. Düsener ist bei Sirius Yachts für den Einkauf zuständig. Der Maschinenbau-Meister war schon bei verschiedenen Werften tätig, bis er schließlich zu Sirius kam. „Ich habe schon immer gesegelt“, erinnert sich der 63-Jährige. Früher habe er ein Fahrradgeschäft in seiner Heimatstadt Münster betrieben.

„Hier hat sich in den vergangenen Jahren viel getan, die Einführung des Warenwirtschaftssystems hat unsere Arbeit sehr viel produktiver gemacht“, erzählt er. Vorher habe man mit Excel-Listen gearbeitet, was die Sache sehr viel komplizierter gemacht habe.

Wie vielerorts: Mitarbeiter gesucht

Geschäftsführer Torsten Schmidt versucht, die Werft trotz der allgemein angespannten Konjunktur in Deutschland in sicherem Fahrwasser zu halten. „Eigentlich sind wir in der Vergangenheit ganz gut durch alle Krisen gekommen“, sagt er. „Auch wenn wir wegen der Energiekrise zum Beispiel ein paar anvisierte Preise nicht ganz halten konnten, so sind die meisten Kunden nicht abgesprungen, sondern bei ihren Aufträgen geblieben.“ Einige wenige hätten allerdings auch ihr Angebot angenommen, wegen des höheren Preises vom Kauf zurückzutreten.

»Wir versuchen, mit jedem Kundenwunsch zu wachsen. Denn wer weiß – vielleicht lässt er sich ja auch auf andere Schiffe adaptieren.«

„Momentan sind wir händeringend auf der Suche nach neuen Mitarbeitern“, sagt Schmidt, „seien es Auszubildende, Ausgelernte oder Quereinsteiger.“ Vor einigen Jahren hätten sich bis zu 180 Bewerber um freie Ausbildungsplätze auf der Plöner Werft beworben, wo man sich die fünf besten aussuchen konnte. Das sei heute anders. „Das Interesse am Handwerk hat einfach abgenommen“, so der 52-jährige Bootsbaumeister. Dabei seien die Arbeitsbedingungen gut: „Gegenüber vielen anderen Betrieben haben die Auszubildenden bei uns über das Jahr hinweg einen geregelten Arbeitsablauf. Wir haben keinen knallharten Saisonbetrieb, wo man im Winter Überstunden anhäuft und sie im Sommer abfeiert“, so Schmidt. Außerdem würden die Lehrlinge das ganze Jahr über in einer warmen Halle arbeiten.

Und so werden sie auch weiter Yachten bauen, die von den Kunden für weltweite Fahrt geordert werden – gebaut mit Blick auf den Plöner See.

Meistgelesen in der Rubrik Yachten