Adaptive Mould TechnologyBauen ohne Form – besser und günstiger?

Alexander Worms

 · 27.03.2024

Die vielen thermisch geformten Platten aus Schaum werden in einem Hilfsgerüst miteinander verklebt
Foto: PD-Composites/robbertevers
Ein neues Herstellungsverfahren für One-offs und Kleinserien arbeitet mit vorgefertigten Rumpfsegmenten und spart dadurch Material sowie Bauzeit. Wird das die nächste große Sache im modernen Bootsbau?

Wie baut man ein Schiff auf die bestmögliche Art und Weise? Diese Frage ist fast so alt wie die Erfindung des Einbaums. Jetzt aber gibt es dazu eine weitere spannende Antwort, wenn es um Rümpfe in Kompositbauweise geht, also auch solche aus GFK oder CFK. Und das geht so: Schaumteile werden erwärmt und über einer beweglichen Form so gebogen und verdreht, dass diese Schaumplatten zusammengefügt einen Rumpf ergeben.

Aneinandergeklebt in einem Hilfsgerüst, bilden sie den formgebenden Teil. Dann laminieren die Arbeiter innen auf diese Platten einige Lagen Harz und Härter, danach wird das Deck darauf gesetzt. Im Anschluss wird das Boot gedreht, von außen kommen noch Harz und Glas sowie Spachtel und Lack hinzu, und fertig ist der Rumpf samt Deck. Klingt simpel, denn eine teure Form ist für diese Methode nicht erforderlich. Ist das der große Wurf im modernen GFK-Bootsbau?

Die Antwort lautet hier wie so oft: Es kommt darauf an. Ein kleiner Exkurs in den Serienbootsbau: Um den Rumpf und das Deck an ihrer Außenseite sehr eben und glänzend zu gestalten, wird Gelcoat in eine ebenso glatte wie ebene Form eingebracht. Die glatte Oberfläche der Negativform bestimmt die Oberflächenqualität des Rumpfes.

Konventionelle Formen sind für Kleinserien und One-offs sehr teuer

Das Gelcoat gleicht die Unebenheiten des Laminats aus. So kann der Rumpf innen grob und außen glatt sein. Diese Fertigungsmethode ist auf den ersten Blick kostengünstig, da sie nach dem Ausformen keine weitere arbeitsintensive Optimierung an der Oberflächenqualität des Rumpfes erfordert. Durch die Form ist das Gelcoat außen glatt. Allerdings braucht es dafür eine sehr ebene und präzise Form. Und diese Formen sind in der Herstellung teuer.

So teuer, dass eine Werft sich fragen muss, über wie viele Rümpfe sie die Kosten für die Formen für Rumpf und Deck vermutlich verteilen wird. Kalkuliert man mit zu wenigen Einheiten, wird der Anteil pro Schiff zu hoch, der Preis wird am Markt unattraktiv. Nimmt man mehr Einheiten an, als letztlich verkauft werden, zahlt die Werft drauf, da die Kosten für die Formen nicht zurückverdient werden. Eine schwierige Abwägung. Geradezu unsinnig wird diese Bauweise, wenn nur eine kleine Serie oder gar nur ein einziges Schiff aus dieser Form jemals verkauft wird. Dann wird die Kleinserie oder der One-off-Rumpf zu teuer. Die Fertigung in einer Form scheidet in dem Fall aus.

„Wir haben dann für One-offs oder Kleinserien über einem Mallengerüst gebaut. Darauf wurden Schaumstreifen geklebt. Dann folgten Schleifen, Spachteln und schließlich Laminieren. Das hatte aber einige Nachteile“, berichtet Paul Dijkstra. Er ist Inhaber von Dijkstra Composites im friesischen Uitwellingerga.

Die Vorteile der Adaptive Mould Technology

Seine Werft ist auf One-offs und Kleinserien aus Komposit spezialisiert und hat nun erstmals Schiffe in der neuen Bauweise in der Fertigung. Die Nachteile der bisherigen Methode seien vor allem, dass durch das Schleifen und Spachteln ungleichmäßige Rümpfe entstehen. Kein Mensch kann so präzise mit den Schleifgeräten umgehen, dass die Rumpfseiten genau identisch sind. Außerdem, so der Werftchef, sei es doch absurd, zuerst Schaum aufzubringen, nur um ihn danach direkt wieder weg-zuschleifen, denn so entsteht viel Abfall.

Die in Form gebrachten Schaumplatten seien viel präziser, es gibt keine Abweichungen von der endgültigen Form, man benötigt weniger Spachtel und muss weniger schleifen. Das alles sei einfach effizienter. „Und wir werfen weniger weg, weil wir eben direkt in der schlussendlichen Form arbeiten. Das Mallengerüst besteht aus deutlich weniger Holz. Darum gibt es auch da nicht so viel Abfall. Das Ganze ist also auch noch nachhaltig“, so der Werftchef.

Und es gibt einen weiteren Vorteil: „Früher haben wir über einem auf dem Kopf liegenden Mallengerüst gebaut. Als der Rumpf fertig war, musste er erst gedreht werden. Heute geht das andersrum. In die aneinandergeklebten Schaumplatten wird das Innenlaminat eingebracht, samt Strongback und Schotten. Dann kommt zuerst das Deck drauf“, erzählt der umtriebige Friese und ergänzt : „So ist das ganze Schiff schon sehr stabil, wenn es gedreht wird. Das sorgt für deutlich bessere Formtreue im Bau. Wir müssen dann nur noch die Außenlage des Laminats aufbringen und spachteln und lackieren. Dann ist der Kasko fertig.“

Die Nachteile der Technologie

Natürlich hat die Bauweise auch Nachteile. So dauert die Fertigung eines 15-Meter-Kaskos durchaus einige Monate. Rumpf und Deck einer Bavaria 46 werden in einem Tag laminiert. Der Prozess ist natürlich deutlich aufwändiger als der Bau in der Großserie. Würde man allerdings die Formenkosten für eine Kleinserie kalkulieren, dann kann sich das neue Fertigungsverfahren dennoch lohnen. Und sie ist flexibel: „Natürlich können wir mit jedem Eigner Anpassungen besprechen und umsetzen“, so Dijkstra. Ein Winschpodest weiter vorn? Kein Problem. Ein längerer Kajütaufbau? Machbar. Andere Rumpföffnungen für einen alternativen Antrieb? Jederzeit! Das geht in der Großserie freilich nicht. Dass eine Durchlaufzeit von mehreren Wochen teurer ist als die für einen Großserienrumpf, der in einem Tag laminiert wird, dürfte klar sein. Dennoch: Günstiger als die herkömmliche Bauweise über dem Mallengerüst ist der neue Prozess allemal.

Möglich macht diese Magie ein Unternehmen namens Curveworks. Die Niederländer verfügen über eine flexible Form, die sich computergestützt verändern lässt, Fachbegriff : Adaptive Mould Technology. Darauf wird der Corecell-Schaum auf gut 100 Grad Celsius erwärmt und dann verformt. So lassen sich 3D-Formen erstellen, die nur wenige Limitierungen haben. Eine davon sind die Radien. Die müssen mindestens 250 Millimeter betragen, weniger macht der Schaum nicht mit. Chines lassen sich also nicht biegen. Übrigens fertigt Curveworks auch schon Elemente an, bei denen außen und innen bereits Laminat aufgebracht ist. Vergleichbare Leistungen bietet beispielsweise die Firma Adapa an, die für Curveworks die Anlage gebaut hat und die neben diversen Architekturlösungen auch verschiedene Bootsprojekte als Referenz vorweisen kann.

Wird die neue Bauweise den Bootsbau revolutionieren? Vielleicht. „Ab einer identischen Stückzahl von etwa fünf lohnt der Bau in der Form wie bisher, da man dabei das Schleifen und Spachteln spart“, so Dijkstra. Wenn aber Individualisierung ein Megatrend in der Gesellschaft ist, wie Forscher es seit Jahrzehnten prophezeien, dann ist die neue Fertigungsweise die Antwort darauf. Den eigenen Rumpf bauen lassen? Seine persönlichen Vorlieben und Abmessungen realisieren? Auch in der kleinen Stückzahl? Was bislang vornehmlich in Aluminium möglich war oder eben als Holz-Epoxid oder Schaum-Epoxid über Mallen, geht jetzt viel einfacher. Auf vorgeformten Schaum- oder gleich ganzen Rumpfelementen mitsamt Laminat. Das ist innovativ und könnte durchaus die Welt der One-offs und Kleinserie auf den Kopf stellen. Sogar der Profi ist überrascht : „Das funktionierte deutlich besser, als ich erwartet hatte“, freut sich Paul Dijkstra.

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„Genauer, günstiger, besser“

Herr Dijkstra, was sind die Vorteile der neuen Bauweise?

Oh, da gibt es einige. Zunächst fertigen wir direkt die endgültige Rumpfform, und wir bauen keine Mallen mehr, die man nachher wegwirft, dadurch fällt weniger Abfall an. Wir sind also von Anfang an viel genauer am fertigen Schiff dran.

Und die Formgenauigkeit hängt nicht an den Fähigkeiten der Mitarbeiter, sondern an den CAD-Daten. Und die sind immer genau!

Gibt es weitere Vorteile?

Ja. Dadurch, dass beim Drehen das Deck schon drauf ist, bleibt bei dem Vorgang alles in Form.

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Sonst war das immer so ein kritischer Moment, der Rumpf ist ja ohne Deck und Strongback schlapp wie ein Lämmerschwanz. Und auf den großen Platten lässt sich die Folie für das Vakuum bei der Injektion des Harzes viel besser abdichten als auf einem aus Schaumstreifen geklebten Rumpf.

Ist das Herstellungsverfahren auch günstiger?

Ja, gegenüber dem herkömmlichen Weg schon. Ich will jetzt nicht sagen, dass es die Hälfte kostet, aber es spart schon einige Schritte ein.

Ist das Verfahren tauglich für die Großserie?

Nein. Wir können nicht mit Gelcoat arbeiten. Um einen glatten Rumpf zu bekommen, muss man spachteln, schleifen und lackieren. Ein Kasko dauert einige Monate, je nach Größe. Das geht aus der Negativform viel schneller. Ich würde sagen, ab einer Serie von fünf Booten lohnt sich solch eine konventionelle Bauform.

Haben Sie die Bauweise patentieren lassen?

Nein. Das hätte ich vielleicht tun sollen. Aber ich bin Bootsbauer, nicht so sehr ein Geschäftsmann. Zu mir kommen die Kunden, weil sie ein gutes Schiff haben wollen. Das soll auch so bleiben.


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