Superyacht „Maximus“Gladiator im Klassikgewand

Sören Gehlhaus

 · 15.03.2025

Reichlich Tuch: Vor  dem Wind generieren fast 4.000 Quadratmeter Doyle-Segel Vortrieb. Dann läuft „Maximus“ bis zu 20 Knoten.
Foto: Maximus
Der Eigner der 59 Meter langen „Maximus“ bestellte bei Vitters und Frers eine der schnellsten Ketschen der Welt. Er bekam einen segelnden Superlativ, den er unermüdlich auf Regatten schickte. In Ruhephasen kommen zwei Kanonen und Chartergäste an Bord.

Frühstarts sind eine ärgerliche Angelegenheit auf Regatten. Da oftmals Gerangel mit anderen die vorzeitige Linienkreuzung provoziert, kommen Superyachten damit eher selten in Berührung. Meist werden sie der Sicherheit wegen nacheinander über die Linie geschickt und die Platzierung über die korrigierte Zeit nach dem Zieldurchgang berechnet. Per Startsequenz schickte auch die Wettfahrtleitung des Superyacht Cup Palma die Teilnehmer auf die Bahn. Ihre erste Regatta im Mittelmeer schien „Maximus“ nicht abwarten zu können und war zu früh dran. Allerdings musste der 330-Tonner nicht hinter die Linie zurück. Es tat eine Zeitstrafe, die im ersten Rennen Platz zwei bedeutete. Am Ende errang die Super-Ketsch den Gesamtsieg – und erregte viel Aufmerksamkeit mit ihrem übertakelten Auftritt komplett in Schwarz.

Die Szene spiegelt gut die Ambitionen der 59-Alu-Meter wider. Einige Wochen später stellte das Team einen Rekord für die Strecke zwischen Ibiza und Mallorca auf, an dem sich Teilnehmer der Ibiza Joy Sail 30 Tage vor Eventbeginn versuchen konnten. Die 48 Seemeilen bewältigte eine Crew aus „nur“ 24 Personen in drei Stunden und 31 Minuten, bei 14 Knoten im Mittel. Der Drang zum Regattieren wurde bereits unmittelbar nach der Ablieferung Ende 2023 gestillt. Der Kapitän und die 15-köpfige Stammbesatzung nahmen unverzüglich Kurs Karibik, um im März bei der St. Barths Bucket Regatta zu starten. Da noch mit mäßigem Erfolg. Allein die Namensgebung suggeriert, dass der Eigner viel wollte: Für „Maximus“ steht im Lateinischen eine lange Liste an Superlativen.

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Der Eigner ließ zum zweiten Mal von Vitters bauen

Keine Zweifel bestanden bei der Wahl des Bauplatzes. Man kannte sich von einem vorherigen Projekt. Der Kunde kam zurück zu Vitters, frei nach dem Credo: If it ain’t Dutch, it ain’t much! Die für komplexe One-off-Segler wie „Aquijo“, hier porträtiert, oder „Anatta“ bekannte Werft unweit des südlichen Ijsselmeeres nahm die Herausforderung gern an. Der Eigner trat an Vitters mit dem Traum heran, die schönste und schnellste Ketsch zu segeln. Beinahe als eine logische Konsequenz ergab sich daraus die Verpflichtung von Germán Frers als Konstrukteur, der mit der 20 Meter langen „Recluta“, hier im Porträt, selbst eine schöne wie schnelle Ketsch segelt. Allerdings aus Holz und 20 Meter lang. Für „Maximus“ bildete ein Riss die Grundlage, den der argentinische Maestro bereits in den 1990er-Jahren zeichnete und der sich in der 42-Meter-Ketsch „Rebecca“ materialisierte. Die präsentierte sich 1999 schon mit Festkiel und Bombe sowie Halbskeg-Ruder.

Der „Maximus“-Auftraggeber wollte es noch sportlicher, aber ähnlich elegant und mit denselben klassischen Anleihen: ausgeprägt positivem Deckssprung, Yachtheck, geschützten Cockpits, Hochglanz-Doradelüfter und mit Teak verschalten Deckshäusern. Abweichende Fixa auf der Forderungsliste waren ein höherer Freibord, ein flacheres Unterwasserschiff mit wenig benetzter Fläche und vorbalancierte Doppelruder aus Carbon. Hingegen übernommen wurde die Neigung des Stevens, der die Melange aus Heute und Gestern wundervoll zum Ausdruck bringt: Er verläuft nicht lotrecht modern und auch nicht klassisch schräg à la Löffelbug. Ein Zwischenmaß, das Germán Frers wie kaum einer imstande ist zu bestimmen.

Eine Besonderheit betraf den Kiel, wie Vitters’ Projektmanager Erik Bos verrät: „Die Vorgabe des Eigners: ein Mindesttiefgang von nicht mehr als fünf Meter, bedeutete für den 87 Tonnen schweren Liftkiel einen Hub von drei Metern.“ Die werfteigenen Konstrukteure mussten noch einen Schritt weiter denken: „Zudem sollten wir in der Lage sein, das Schiff bei hochgefahrenem Kiel ins Trockendock zu bringen. Für uns war es eine ziemliche Herausforderung, die Last vom Kielschaft ordnungsgemäß auf die umgebende Rumpfstruktur zu übertragen.“

Der Salon greift das Konzept des Circus Maximus auf

Wen es über den Niedergang des Hauptdeckshauses unter Deck verschlägt, der erlebt unmittelbar eine weitere Inspiration: eine Büste des jungen Mark Aurel. Das 82,5 Kilogramm schwere Abbild des römischen Kaisers steht vor dem Schacht des Liftkiels auf einer Hebebühne, die sie auf See tief in den Unterschrank fährt. „Das Thema Maximus geht auf den Circus Maximus im alten Rom zurück und bezieht sich auf die Größe und den Umfang des Ortes“, klärt Erik Bos auf.

Doch natürlich ist es thematisch nicht weit zum Helden Maximus Decimus Meridius aus Ridley Scotts Filmepos „Gladiator“. Eine Gladiatorenmaske, wie sie Russell Crowe bei seinen Kämpfen schützte, prangt auf dem schwarzen Gennaker und fand in Form einer eisernen Nachbildung ihren Weg in die Eignerkabine.

Weitere Teile des Salons widmen sich dem Sujet des Circus Maximus mit Unterhaltung und Speisevergnügen. Marcus Aurelius wacht über Ethanol-Feuerstelle sowie Spieltisch backbords und Baby Grand Piano von Steinway & Sons gegenüber. „Wir kranten den Steinway durch eine Luke im Dach der Werfthalle, die speziell für das Kranen großer Teile gebaut wurde. Anschließend wurde das Klavier durch eine Wartungsöffnung im Hauptdeckshaus heruntergelassen, bevor das Teakholz gelegt wurde“, sagt Erik Bos über die außergewöhnliche Ausrüstungslogistik.

De Ruiter verantwortete den Innenausbau, den auf Hochglanz lackiertes Anigré-Holz dominiert. Mit der Gestaltung wurde Lady Henrietta Spencer-Churchill betraut, die sich mit ihrem Team aus dem britischen Woodstock auf georgianischen Einrichtungsstil versteht. Rundungen in Betten, Schränken und Wänden lassen den Spätbarock erkennen und beugen darüber hinaus blauen Flecken bei allzu starkem Seegang vor. Einzig die Bäder der Eignersuite – achtern mit eigenem Deckshaus gelegen – stechen durch die blaue Marmorduschwand und Armaturen im Stile von Fabergé-Eiern hervor. Mit dem optischen Gewicht der Möbel stimmt die Konstruktion nicht überein, wenn auch kein „sklavischer“ Leichtbau zum Zug kam: „Die Inneneinrichtung wurde aus leichtem Sperrholz gefertigt. Ein leichtes und stabiles Material, das dem Innenraum das richtige Gefühl verleiht, ohne ihn zu schwer zu machen. Das passt perfekt zur Haptik, dem Aussehen und der Verarbeitung“, verrät Bos. Zusätzlich zur Mastersuite wählen Chartergäste aus drei Doppelkabinen.

Der montierte Bugspriet zeigt den Sportmodus an

„Maximus“ hat gute Erfolgschancen auf dem Chartermarkt, der einzigartige Features belohnt. Der Kapitän hat zwei Asse im Ärmel: Unter den Sitzbänken des Rudergängers lagern im Cruising-Modus historische Signalkanonen, welche die Crew durch Türen im Süll bis an die Schanz heranrollt. Aufschluss über den zu erwartenden Rückstoß geben Wantenspanner, die an großzügig dimensionierten Decksaugen befestigt sind. Was könnte besser zu den Piratengewässern der Bahamas passen? Dort verweilt auf der Super-Ketsch diesen Sommer oder im Winter in der Karibik, wer Burgess 203.000 Euro pro Woche überweist.

Wer wissen möchte, ob sich „Maximus“ im Race Mode befindet, wirft einen Blick auf den Steven: Ein montierter Bugspriet ist gleichbedeutend mit einem umgelegten „Sport“-Schalter. „Von Anfang an war bekannt, dass der Eigner eine leistungsstarke Yacht haben wollte, die bis an ihre Grenzen belastet werden sollte“, verrät Projektmanager Erik Bos. Zum Wettsegeln sind über 50 Personen an Bord, so viele, wie zwei Slups ähnlicher Länge an zupackenden Händen an Deck benötigen – obschon fliegende Segel wie Gennaker oder Code Zero über hydraulische Trommeln in die Vorpiek laufen.

Die Schothörner der flachen Vorsegel schmiegen sich ans Deck und die Trimmer optimieren dank Fernsteuerung ihre Segel aus beliebiger Position. Aus Kohlefasern bestehen neben dem knapp 65 Meter in den Himmel ragenden Hauptmast und dem 48-Meter-Besanmast auch die Wanten und Stagen. Daran zerren am Wind bis zu 1.650 Quadratmeter Segel von Doyle. Bei achterlicher Brise gilt es, bis zu 3.980 Quadratmeter Tuch zu zähmen. Raumschots werden mit Code und Besan-­Stag­segel Geschwindigkeiten von knapp unter 20 Knoten erreicht.

Erik Bos sagt über die Segelsysteme: „Sie wurden vollständig von Vitters entwickelt. Es ist ein 700-Volt-Hydrauliksystem, das eine 100-kWh-Batteriebank speist. Während Regatten hat das System bewiesen, dass es alle Segelsysteme mit ausreichend Strom versorgt, auch wenn die Race Crew ‚Maximus‘ bis an seine Grenzen belastet hat.“

Römische Kaiser würden das Krähennest lieben

Wird nicht um die Wette gesegelt, zeigt sich die beachtliche Flotte an Tendern. Unter dem Vordeck und über den Crew-Quartieren ruht ein sieben Meter langes RIB. Sich mittschiffs gegenüber stehen ein 4,20-Meter-Zodiac und eine fünf Meter lange Preziose nach einem Riss von Alfred Mylne, die elektrische Pod-Antriebe oder Segelkraft bewegt. Sportlich geht es mit Wasserski, Wakeboard oder SUP-Boards zu. An der Fitness wird im voll ausgestatteten Gym gearbeitet, das einen eigenen Raum gegenüber der Galley erhielt. Neben Genuss, Sport und Unterhaltung hält „Maximus“ noch mehr bereit: ein Krähennest, auch das demontierbar, das Gäste am Hauptmast bis auf 31 Meter über das Deck hochfährt – in eine Position, die sowohl für Kaiser als auch für Kämpfer angemessen wäre.

Technische Daten

  • Länge über alles: 59,00 m
  • Länge Wasserlinie: 48,73 m
  • Breite: 10,17 m
  • Tiefgang: 5­–8 m
  • Verdrängung (leer): 330 t
  • Material: Aluminium
  • Motoren: 1 x MAN
  • Motorleistung: 1 x 894 kW
  • Höhe Hauptmast: 64,85 m
  • Höhe Besanmast: 48,00 m
  • Segelfläche Amwind: 1.650 m²
  • Segelfläche Vorwind: 3.980 m²
  • Segel: Doyle Sails
  • Mast: Southern Spars
  • Gäste: 8
  • Crew: 9
  • Konstruktion: Vitters, Germán Frers
  • Exterieurdesign: Germán Frers
  • Interieurdesign: Spencer-Churchill Designs
  • Werft: Vitters Shipyard, 2024
  • Charter: Burgess, 203.000 Euro p. Woche

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