Royal HuismanRevolutionäre Konzeptstudie "Aera"

Lars Bolle

 · 23.09.2025

Computergenerierte Ansichten der "Aera".
Foto: Royal Huisman
Die niederländische Werft Royal Huisman präsentiert mit "Aera" einen 50 Meter langen Hybrid-Katamaran, der durch ein automatisiertes Flügelsegel und innovative Energiesysteme nahezu emissionsfreies Segeln ermöglichen könnte. Das Konzept kombiniert Windkraft, Wasserkraft, Wasserstoff und Hydrogeneration für luxuriöses Cruising mit minimalem ökologischen Fußabdruck..

Das Flügelsegel-System

Im Zentrum des "Aera"-Konzepts steht ein 35 Meter hohes Flügelsegel mit einer Fläche von 245 Quadratmetern. Anders als bei konventionellen Segelsystemen benötigt das von Rondal, einer Huisman-Tochter, entwickelte Flügelsegel keine Wanten, Schoten, Blöcke, Winschen oder Furler. Das Segel soll um 360 Grad rotieren können und von zwei Elektromotoren angetrieben werden, die im Mastfuß untergebracht sind. Die bis zu 30 Grad verstellbaren Klappen an der Hinterkante des Flügels sollen von Hydraulikzylindern gesteuert sollen, eine Technik, die für den America’s Cup erfunden und weiterentwickelt wurde.

Federführend bei der Entwicklung war Dr. Iain Percy, CEO und Gründer von Artemis Technologies – einem Spin-off des America’s-Cup-Projetes Artemis Racing. Percy ist Olymiasieger im Finn Dinghy (2008) und Starboot (2008) sowie Silbermedaillengewinner im Starboot (2012) und mehrfacher Weltmeister. Er ist zudem Veteran in vier America’s Cup-Herausforderungen. „Vor einigen Jahren kontaktierten uns Royal Huisman und Rondals Innovationsabteilung bezüglich der Möglichkeit, Wing-Sails auf Segelyachten einzusetzen, um deren Emissionen zu reduzieren”, so Percy.

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Es wurde ein Wing-Sail-Prototyp für Cruising-Segelboote entwickelt. Der acht Meter große Flügel wurde über mehr als zwei Jahre auf einem 22-Fuß-Kielboot in den Werftanlagen in Vollenhove, Niederlande, getestet. Man habe ihn rund um die Uhr in allen Bedingungen gestellt belassen, um zu beobachten, ob er auch bei starkem Wind die Sicherheit des darunter liegenden Bootes gewährleistet.

Das 35 Meter hohe Wing-Sail, das “Aera” antreiben soll, ist ein entfernter Verwandter des Segels auf America’s-Cup-Booten. Im Gegensatz zu diesen besitzt der Wing allerdings keine Verstagungen oder Schoten. Vorläufige Leistungsberechnungen (VPP) sagen voraus, dass das Optimum bei 15 Knoten Wind liegen soll und sich eine Höhe Amwind von 45 Grad erreichen lässt. Die Reisegeschwindigkeit soll bei 12 Knoten und die Höchstgeschwindigkeit bei 14 Knoten liegen.

Der vordere Teil des Wings soll aus einer dünnwandigen Kohlefaserstruktur bestehen, während die hinteren Klappen aus Kohlefaser und Mylar-Folie hergestellt werden. Der Trimm des Wings soll computergesteuert erfolgen. In nur einer Minute ließe sich in den Segelmodus wechseln. Wird nicht gesegelt, etwa im Hafen, werden die Klappen zentriert und der Wing-Sail soll sich neutral in Windrichtung ausrichten. Der Flügel soll bis zu 60 Prozent effizienter als dreieckige Segel sein, ein traditionelles Rigg würde um 40 bis 60 Prozent mehr Fläche benötigen, um dieselbe Leistung zu liefern.

​Um Brücken zu passieren, bei seltenen extremen Wetterlagen oder Werftzeiten, kann der Wing-Sail in eine horizontale Position geneigt werden.

Eine ähnliche Rigg-Philisophie, das Solid Sail, aber deutlich anders umgesetzt, soll auf der “Orient Express Corinthian” entstehen.

Die Energie-Systeme

"Aera" soll mehrere Energiequellen für einen nahezu emissionsfreien Betrieb kombinieren. Ein Großteil der Umweltbelastung einer Yachts dieser Ausmaße ergibt sich aus dem Betrieb der Haushalts- bzw. Hotellasten, wie Klimatisierung, Poolheizung und ähnlicher Systeme, während sie segelt oder vor Anker liegt. Royal Huisman hat die Yacht so konzipiert, dass die Hotellast mit einer Batteriespeicherbank betrieben wird, die von den neuesten Hydro-Generatoren von Rondal oder von Wasserstoff-Brennstoffzellen gespeist wird. Ein 580-kWh-Batteriesystem kann den gesamten “Hotelbetrieb” der Yacht für elf Stunden versorgen. Während des Segelns sollen vier ausfahrbare Hydrogeneratoren von Rondal mit jeweils 15 kW Leistung die Batterien kontinuierlich aufladen. Im Ankermodus soll eine 60-kW-Wasserstoff-Brennstoffzelle die Energieversorgung übernehmen. Drei 62-kg-Wasserstofftanks unter 500 bar Druck würden genug Energie für 72 Stunden emissionsfreien Betrieb liefern.

Für längere Motorfahrten soll "Aera" über zwei variable Volvo D13-700-Generatoren verfügen, die mit "HVO" (Hydrotreated Vegetable Oil) betrieben werden könnten. Dieser Biokraftstoff könne die CO₂-Emissionen um bis zu 89 Prozent, den Partikelausstoß um 40 bis 80 Prozent und den NOx-Ausstoß um 8 Prozent im Vergleich zu fossilem Diesel reduzieren. Der Antrieb würde in diesem Modus über zwei schwenkbare, einziehbare 500-kW-Elektromotoren erfolgen, die gleiche Technologie, die Royal Huisman bereits bei der 60 Meter langen "Sarissa" eingesetzt hat.

Das Innovative Design

Das Design von "Aera" stammt von Cor D. Rover, der mit seinem Team ein asymmetrisches Layout auf zwei Decks entwickelt hat. Mit einer Breite von 14,5 Metern bietet der Katamaran auf seinen 50 Metern Länge beeindruckende 670 Quadratmeter Deckfläche – vergleichbar mit einer 65 bis 70 Meter langen Motoryacht. Die Yacht soll Platz für zehn Gäste und sieben Crew-Mitglieder bieten. Die Eignersuite befindet sich auf dem Hauptdeck mit über 44 Quadratmeter Innenfläche sowie einem privaten Außendeck von 153 Quadratmetern mit Pool und überdachter Massage-Cabana. Vier Gästekabinen kommen dazu. Zu den weiteren Merkmalen gehört ein zweiter Pool mit Glasboden am Heck des Hauptdecks, mehrere Essbereiche im Innen- und Außenbereich sowie Außenlounges auf jedem Deck.

Ein zentrales Ziel bei der Entwicklung von "Aera" sei es gewesen, das Segeln zugänglicher zu machen. „Wir wissen aus Untersuchungen, dass Segelyachten oft nicht unter vollen Segeln fahren, besonders bei kurzen Strecken zwischen Häfen", erklärt Jan Timmerman, CEO von Royal Huisman. „Bei manchen Segelyachten kann das Setzen und Einstellen aller Segel eine halbe Stunde oder länger dauern. Zusätzlich benötigt die Yacht eine erfahrene Segelcrew und ein Innenteam, um Möbel und andere Gegenstände zu sichern. Für eine kurze Fahrt zur nächsten Bucht erscheint das Segeln oft nicht lohnenswert."

Bei "Aera" könnte das anders sein: „Während der Anker gehoben wird, gibt der Kapitän das Ziel ein, stellt das Flügel auf automatische Trimmung, das Flügelsegel reagiert, und man segelt in weniger als einer Minute. Ohne die Herausforderung, ein konventionelles Segelsystem zu bedienen, ohne Takelage, Blöcke, Winschen und Segelschienen, Bäume, die über Kopf schwingen, oder Furler, Schoten und Segel. Es ist im Grunde so einfach wie die Bedienung einer Motoryacht", sagt Timmerman.


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