Sören Gehlhaus
· 09.08.2024
Royal Huisman und Mega-Segler, das passt seit Anfang der 2000er-Jahre zusammen, als die Niederländer mit „Athena“ einen 90 Meter langen Dreimastschoner bauten. Die Werftanlagen belegen 30 000 Quadratmeter in Vollenhove, für die Fertigung des 85 Meter messenden Aluminiumrumpfs von Projekt 410 musste Huisman die Halle 2 aber erweitern – und jüngst wieder öffnen. Was zunächst Kiel aufwärts geschweißt wurde, musste nun ausgedockt, von vier (!) Mobilkränen angehoben, umgedreht und wieder, wohl per selbstfahrendem Schwerlastmodul, in die Halle befördert werden. Konkret ging es um die 61 Meter lange Hauptsektion, die so hoch daherkommt, dass es zu einer Aufteilung mit Kabinen auf dem Haupt- und Unterdeck reicht.
Ihre Rümpfe schweißen die Yachtbauer aus Vollenhove seit 60 Jahren aus Alu und verwenden in der jüngsten Vergangenheit Alustar. Laut der Traditionswerft besitzt die Speziallegierung eine 20 Prozent höhere Zugfestigkeit als herkömmliches Aluminium. Die Heißarbeiten um das Ineinander-Steckspiel von Stringern und Spanten verantwortet Royal Huisman in Eigenregie – eine Ausnahme bei Segel- und Motorprojekten dieser Größe. Viele niederländische Werften nehmen die Dienste heimischer Kaskobauer in Anspruch. Den Mitarbeitenden von Royal Huisman helfen unter anderem beim Schweißen Exoskelette des deutschen Prothesenherstellers Ottobock.
Der von der Werft als erfahren beschriebene Auftraggeber wollte ein auffälliges wie ikonisches Leuchtturmprojekt. Damit wandte er sich an Germán „Mani“ Frers, den Sohn des gleichnamigen argentinischen Konstrukteurs. Schemenhafte Darstellungen zeigen einen negativen Steven und ein kaum verbautes, schieres Deck. „Wir mussten all unsere Erfahrung aus den letzten 30 Jahren in den Bereichen Design, Bau und Segeln in verschiedenen Bereichen vom America‘s Cup bis hin zum Superyacht-Segeln und Motoryachting nutzen, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, die wir uns gesetzt hatten“, so Mani Frers, dessen Studio in Mailand ansässig ist.
„Was mit einigen Skizzen und Ideen zusammen mit Gill Brown und Rob Wetzels begann, ist nun eine vollständig bis ins Detail entworfene und konstruierte New World Sloop.“ Das Interieur von Wetzels Brown soll Gäste in eine „Neue Welt“ führen. Die Designhistorie des Amsterdamer Studios weist moderne Unterdeckwelten auf, in denen Weiß dominiert.
Rekordverdächtig, jedenfalls im Segelsektor, wird auch die Zwei-Megawattstunden-Batteriebank sein, die in der Ausrüstungsphase an Bord kommen soll. Zum Vergleich: Die Anfang des Jahres gewasserte 84-Meter-Motoryacht „Obsidian“ vertraut auf eine Akkukapazität von 4,5 Megawattstunden. Projekt 410 dürfte bei Flaute und in Häfen ebenfalls dieselelektrisch angetrieben werden, soll sich aber auch geräuschlos fortbewegen können. Royal Huisman hat Erfahrung mit Hybrid-Antrieben, die Ketsch „Ethereal“ (58 m) lief bereits 2008 mit E-Motoren, Lithium-Ionen-Batterien und Dieselgeneratoren vom Stapel.
Details zum Rigg wurden keine bekanntgegeben, jedoch hat Royal Huisman mit Rondal einen Zulieferer auf dem Werftgelände, der zur gleichen Guppe gehört. Dort wird auch der 93-Meter-Mast des derzeit zweiten 80-Meter-Projekts laminiert und gebacken. Da Projekt 411 vier Meter kürzer ist als das weiter fortgeschrittene Projekt 410, könnte der aktuell gedrehte Kasko einen über 100 Meter in den Himmel ragenden Mast erhalten. Das 81-Meter-Projekt 411 „Noir“ ist etwas achteraus, was den Meilensteinplan angeht. Huismans zweite XXL-Slup aus Alu existiert bislang auf dem Papier und den Rechnern von Malcom McKeon.
Zum Drehen des Rumpfes von Projekt 410 sagte Royal Huismans CEO Jan Timmerman: „Jede dieser überdimensionalen Yachten ist ein Beispiel für die Vorteile großer Segelyachten gegenüber Motoryachten. Dazu gehören der Spaß beim Setzen der Segel, das Schneiden durch die Wellen und fortschrittliche Technologien, die den Komfort erhöhen und den ökologischen Fußabdruck verkleinern.“
Nur wenige Tage nach dem spektakulären wie kurzzeitigen Ausdocken gab die niederländische Werft bekannt, dass man gemeinsam mit dem Refit-Ableger Huisfit and Rondal einen neuen Hauptanteilseigner anstrebe. So soll die Royal Huisman Group von der Familienholding Koninklijke Doeksen und Parcom zur niederländischen Investmentgesellschaft O2 Capital Partners gehen.