Längst geht es für Filmabende nicht mehr nur in schummrige Vorführräume auf das Unterdeck. Unsere Bestenliste zeigt: Außenkinos gewinnen an Popularität, als Pop-up-Variante mit Leinwänden oder in Form von modularen Displays, die Hollywood und Co. auch am helllichten Tage aufs Deck bringen.
Dass es auch flexibel und kostensensibel geht, zeigt die 65 Meter messende „Zazou“. Achtern auf das Brückendeck zaubert der Einsatz eines Druckluftkompressors eine stattliche Leinwand, deren Hinterbau über die ohnehin vorhandenen Bimini-Stangen aus Carbon abgespannt wird. Der Beamer steht auf einem Klapptisch aus Teak, die Außenmöbel lassen sich flexibel anordnen. So es anmuten mag, bekennt sich der Eigner der stilvollen Benetti indirekt als Cineast. Denn auch für den Salon auf dem Hauptdeck gab er den Designern von Sinot die Vorgabe, dass auch dieser Ort in ein vollwertiges Filmtheater umgewandelt werden kann. Das Innenkino wird per Lift erreicht, falls es am Abend an Deck mal zu frisch werden sollte und der ETO (Elektrotechnischer Offizier) die laufende Filmvorführung zwei Decks tiefer nahtlos fortführt. Dort ist dann auch die Nähe zur Galley nicht mehr allzu groß. Zum wunderschön klassischen Marineblau des Rumpfes und dem französisch klingenden Namen würden Werke der Nouvelle Vague perfekt passen.
Dass „Capricorn“ viele Jahre Sergey Brin gehörte, belegen weltweite Hilfseinsätze, die der Google-Mitgründer auf der alten „Dragonfly“ nach Naturkatastrophen fuhr. Brin rief 2015 die Hilfsorganisation Global Support and Development (GSD) ins Leben, zu deren schneller Einsatztruppe aus Schiffen auch der 73,30 Meter lange und bis zu 27 Knoten schnelle Espen-Øino-Riss zählte. Der 1973 in Moskau geborene Brin wurde wie sein Google-Kompagnon Larry Page im Jahr 2011 zum Yachtie, als er das Aluformat von der westaustralischen Werft SilverYachts erwarb. Als entsprechend wahrscheinlich gilt, dass der Tech-Unternehmer über dem Wassersport-Center für eine Leinwand sorgte, die aus der Lehne der Liegewiese hinaufgleitet. Hingegen weitaus pragmatischer wirkt der Projektor auf dem Dreibeinstativ dahinter. Aktuell ist „Capricorn“ für 27 Millionen Euro gelistet, der neue Eigner kann also aufrüsten. Sergey Brin bereedert nun eine 142-Meter-Lürssen, wieder namens „Dragonfly“, und kommt in den Genuss eines „Business Decks“ mit großem Büro, Gym, einem Games Room und Heli-Hangar. Das Filmtheater gibt es einige Etagen tiefer.
„Sea Eagle II“ segelt nunmehr ohne den numerischen Zusatz um die Welt, unter dem Besanbaum wird aber nach wie vor eine Leinwand aufgespannt. Obgleich der Alu-Schoner 80 Meter in der Länge misst, ist es wie auf vielen Superseglern schwer, einen Kinoraum unterzubringen. Der schmale Rumpf und die flachen Aufbauten sind auf Segeleffizienz ausgelegt, weniger auf ein voluminöses Interieur. „Sea Eagle“ vertraut daher auf die logistisch anspruchsvolle Variante eines Pop-up-Filmtheaters unter freiem Himmel. Mit der Zunahme an Charterkunden, die von Motoryachten kommen und sich häufig nach filmischer Unterhaltung sehnen, könnten Kinosäle unter Segeln bald keinen Seltenheitswert mehr haben. Bei Vitters entsteht derzeit eine 68-Meter-Ketsch, auf deren Unterdeck eine große Gästesuite einem gemütlichen Kino weichen musste.
Auf „Limerence“ ergibt ein Außenkino absolut Sinn, das bei Dunkelheit seine Stärken ausspielt. Denn dann hat das 53 Meter lange Multitalent keine Outdoor-Aktivitäten mehr zu bieten. Mehr Sport auf einer Yacht geht nicht. Nach einem anstrengenden wie erfüllten „Limerence“-Tag dürfte sich so mancher Chartergast – davon ist auszugehen – nach Entspannung sehnen und vor allem eines wünschen: Beine hoch und Film ab! Dafür geht es auf das Helideck mit derart großzügigen Ausmaßen, dass man statt eines Auto- sogar ein Tender-Kino veranstalten könnte. Groß genug wäre die Flotte, die allerdings ein Deck tiefer lagert. Von dort oder weiter unten holt die Crew eine Vielzahl an Lounge-Mobiliar und die aufblasbare Struktur hervor, an der die Leinwand hängt. Mit Glück bleibt die Rutsche aus „Limerence’“ gigantischem Aquapark außenbords stehen, auf der es nach der Vorführung von „The Wolf of Wall Street“ rasant ins Nass und damit in unmittelbare Nähe der Kabinen geht.
Aus 95 Metern, die 2000 bei Oceanco als „Trick One“ vom Stapel liefen, machte die niederländische Bauwerft die 105 Meter lange „H3“. Bis zur Wiedergeburt im Jahr 2023 wurden Aufbauten angeschweißt, verlängert und ein neues Interieur nach Entwürfen von Reymond Langton realisiert. Oceanco stemmte eine Konversion und berücksichtigte aktuelle Technologien. Auf eine Entwicklung von Seable & Co. geht das modulare Außenkino zurück. CineSea sieht auf den ersten Blick aus wie eine schlichte Liegewiese mit mobilen Rückenlehnen. Wahlweise verwandelt sich das Möbelstück aber vollautomatisch in ein Display, einen Golf-Abschlag und eine Yoga- oder Tanzfläche. Auf „H3“ dreht sich der 75-Zoll-Bildschirm hydraulisch in beide Richtungen um 30 Grad und erlaubt dank einer Helligkeit von 3.000 Nits anhaltenden Filmgenuss.
Es gibt Räume, die braucht man nur zu erblicken, und schon scheint klar zu sein, wie sie klingen. Beim Vorführraum „Ahpo“ kommt einem vor allem ein Begriff in den Sinn: „schallisoliert“. Man würde die fallende Stecknadel hören, wäre da nicht der langflorige Teppich. Im Prinzip fehlen nur noch die schweren Molton-Vorhänge im Ensemble aus Sternenhimmel und geräuschabsorbierenden Wänden mit sorgsam verhüllten Subwoofern. Deren Bässe drücken das Publikum in die weichen Polster von zwölf Kinosesseln, die Komfort aus jeder Pore strahlen und auf denen man – wäre da nicht das je nach Gruselfaktor in rauen Mengen verlustig gegangene Popcorn zwischen den Lehnen – am liebsten neben Sammy Davis Jr. und Liz Taylor nahtlos in die Welt des Schlafs abtauchen möchte. Ob Chartergäste weiterhin in den Genuss des auf dem Unterdeck verorteten Kinos kommen, ist unklar. Der zweite „Ahpo“-Eigner soll die 115-Meter-Lürssen verkauft haben.
Auf „Jimmy“, 2023 als „Grey“ von Tankoa geliefert, fährt ein Transformer-TV von C-Seed aus dem Deck. Die Idee kam zwei Ex-Managern von Bang & Olufsen, die das Unternehmen 2009 in Wien gründeten. Eine marinisierte Variante auf „Jimmy“ taucht zylindrisch aus 60 Zentimeter Tiefe auf, entfaltet sich auf eine Bildschirmdiagonale von 3,66 Meter, schwenkt um bis zu 180 Grad und kostet etwa 300.000 Euro. Auch die Lautsprecher von Focal Naim ruhen bei Nichtnutzung in kleinen Hangars. Außergewöhnlich ist die Platzierung auf dem coupéhaft-langen Vorschiff des 50-Meter-Modells, noch dazu in der Flucht des Pools. Die Kombination eröffnet – dank MicroLED-Technologie auch bei grellen Tageslichtverhältnissen – ungeahnte immersive Effekte, so denn Wasser im Film vorkommt. Obgleich das Becken nur einen halben Meter tief ist, bleibt zu bezweifeln, ob „Der weiße Hai“ die richtige Blockbuster-Wahl ist. Eventuell wird das Erlebnis zu eindrücklich und der anschließende Sprung von der Badeplattform ins Meer beschwerlich bis unmöglich.
Die 2019 gewasserte 93-Meter-Feadship war die erste Yacht mit IMAX-Kinosaal. Im mittschiffs gelegenen Raum (8 x 13 m) verteilen sich 13 Gäste auf drei Ebenen vor einer gewölbten sechs mal drei Meter großen Leinwand, die 4K-Bilder von zwei Digitalprojektoren abbildet, mit entsprechendem DCP (Digital Cinema Package) auch in 3D. Passenden Dolby-Atmos-Sound erzeugen 17 Lautsprecher und sieben Subwoofer. Die Folge: Der Systemintegrator musste zwei Konkurrenten zum, wenn auch indirekten Austausch technischer Spezifikationen bringen. Vor Betreten des Saals gibt es Popcorn und Drinks in der Lobby. Damit Kinogäste nicht hochgehen müssen, gibt es eine Tagestoilette – deren Spülung, das war dem Eigner ganz wichtig, man auf gar keinen Fall hören sollte. Dessen Faible für Cineastik drücken in den Kabinen 8K-Fernseher und auf dem Hauptdeck achtern ein C-Seed-TV aus. Die LED-Wand fährt in nur zehn Sekunden auf 4,65 Meter Höhe aus, nach 25 Sekunden entfaltet sich die volle Größe von 3,65 mal 5,10 Meter.
Tom Perkins leistete in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit. Mit der 88 Meter langen „Maltese Falcon“ leitete der 2016 verstorbene US-Unternehmer die Renaissance des Dyna-Riggs ein. Das rahbasierte Segelsystem stellte der deutsche Schiffbauingenieur Wilhelm Prölß erstmals in den 1960er-Jahren als „dynamisches Rigg“ vor. Beim FalconRig entfalteten sich 2006 erstmals 15 Segel per Knopfdruck aus der Mastmitte hin zu den Enden der geschwungenen Rahen, ohne das Lösen von Gordings oder Geitauen. Dass das Tuch vollautomatisch binnen weniger Minuten an den unverstagten, 58 Meter hoch ragenden Carbonmasten steht, kommt auch dem spontanen Kinogenuss zugute. Nur noch den Beamer auf der Flybridge platzieren, ein Deck darunter Liegen und Lautsprecher aufstellen, und Film ab auf 20 Quadratmeter großer Leinwand. Dem nicht genug: Refits brachten in den letzten drei Jahren einen neuen Kinoraum auf das Hauptdeck. Sieben Filmabende unter Segeln vermittelt Burgess ab 490.000 Euro.
Nur ein dunkler Kinoraum im Schiffsbauch, das reichte „Kismet“-Eigner Shahid Khan diesmal nicht. Für seine dritte, 2024 gelieferte und 122 Meter lange Lürssen wählte er eine Doppelnutzung nach dem Motto „Filme und Meer“. Triebfeder dürften zwei erwachsene Kinder jeweils mit Nachwuchs gewesen sein. Am Styling im Stile eines Art-déco-Filmpalasts war neben Reymond Langton auch Khans Tochter beteiligt. Doch auch den Chartermarkt, den „Kismet“ ab drei Millionen Euro pro Woche befährt, dürstet es stets nach neuen Bord-Besonderheiten. Für sich genommen spektakulär ist die Nemo-Lounge mit drei Rängen. In die Schildkröten-Perspektive bringen drei 1,1 mal 2,8 Meter große Scheiben aus bis zu 15 Zentimeter dickem Verbundsicherheitsglas von Seele Sedak, das Klassifikationsgesellschaften für stärker als Stahl halten. Ob in dieser Umgebung unbedingt „Titanic“ geschaut werden sollte, ist fraglich. Spannend wäre auch zu erfahren, ab welcher Fisch- oder Meeressäuger-Sichtung das Filmvergnügen unterbrochen und der 160-Zoll-Bildschirm hochgeklappt wird.