Nach wie vor ist nicht sicher, wann genau sich „Project Zero“ frei über die Meere bewegt. Aber wie die 69-Meter-Ketsch dabei aussehen wird, zeigen neue Visualisierungen des niederländischen Designstudios Vripack. Außerdem hat die Foundation Zero, die Stiftung hinter dem Pionierprojekt, bekannt gegeben, wann es aus den Vitters-Hallen im niederländischen Zwartsluis ins Nass gehen soll: Ende 2025. Dann als weltweit erster Supersegler, der im Betrieb komplett ohne fossile Brennstoffe auskommt. Um das Ziel zu erreichen, stecken 60.000 Stunden Forschungs- und Entwicklungsarbeit in dem Projekt. Vitters verbaut viele Technologien, die es in der Form noch nicht auf Yachten geschafft haben.
Nicht zufällig segelt „Project Zero“ bei leichten Winden durch den virtuellen Raum. Es steht nur die Energie zur Verfügung, die in dem Moment vorhanden ist. Diesel-Generator anwerfen geht nicht, weil es keinen gibt. Wenn die Batterien leer sind oder deren Energie für Bord- oder Segelsysteme benötigt werden, dann helfen die langen wie schmalen Propellerblätter des hinteren elektrischen Podantriebs nicht mit Vortrieb aus. Es „muss“ gesegelt oder eben gedümpelt werden.
Das kann auch auf 69 Metern zur Lektion in Langeweile werden, wenn etwa strikte Stromsparvorgaben den Zugriff auf Starlink einschränken. Aushalten und Ruhe genießen. Jedoch passten die Konstrukteure von Dykstra das Routing und die Dimensionen des Riggs so an, dass es eher selten passiert oder „Zero“ bei schlechter Windvorhersage im Hafen bleibt. Schnellsegeln unter allen Bedingungen wird zu einer Notwendigkeit, um den Hilfsantrieb ruhen zu lassen oder Strom zu erzeugen.
Das Herzstück von „Zero“ bildet ein Energiespeicher mit fünf Megawattstunden. Diese Kapazität entspricht in etwa 88 Tesla-Fahrzeugen und soll eine vollständige Energieunabhängigkeit ohne Diesel oder Generatoren ermöglichen. Die Stromversorgung erfolgt ausschließlich über erneuerbare Quellen. Unter Segeln setzt man allen voran auf Rekuperation: Ab acht Knoten Fahrt dreht sich der vordere Propeller mit und der E-Motor des Pods wird zum elektrischen Generator, der bis zu 250 Kilowatt Strom produziert.
Insgesamt 100 Quadratmeter große Solarmodule dienen der Photovoltaik und Solarthermie, eine Windturbine soll zusätzlichen Strom liefern. Ob das System den Energiehunger einer Superyacht in der Praxis decken kann, muss sich zeigen. Besonders die Versorgung der Hotellasten könnte eine Herausforderung darstellen, wobei „Zero“ vor allem auf Einsparungen setzt. Getreu dem Motto: „Es ergibt keinen Sinn, etwas zu erzeugen, das man nicht braucht.“
„Bei diesem Projekt ging es immer darum zu zeigen, was möglich ist“, sagt Marnix Hoekstra, Kreativer Co-Direktor bei Vripack. „Wir wollten zeigen, dass Komfort, Design und Leistung mit einem fossilfreien Betrieb einhergehen können. Das Projekt wurde durch Daten, Tests und ein langfristiges Engagement für nachhaltiges Marinedesign vorangetrieben. Unser Ziel war es nicht nur zu beweisen, dass eine Superyacht ohne fossile Brennstoffe machbar ist, sondern auch, ein reales Modell zu schaffen, von dem andere lernen können.“
Nach dem technischen Launch von „Zero“, so der naheliegende Klarname der Yacht, werden die Teams mit der Inbetriebnahme der fortschrittlichen Systeme und dem Setzen der Masten beginnen. Anschließend wird die Alu-Ketsch umfangreichen Erprobungen unterzogen, um die neuen Technologien und hochentwickelte Software zu testen, die sämtliche Leistungsaspekte steuern wird.
Im Interieur setzt „Zero“ auf innovative wie nachhaltige Materialien: Leder aus Kiefernrinde statt tierischer Produkte, Marmor mit sichtbaren Maserungen statt polierter Oberflächen und Werke lokaler Künstler in den Kabinen für bsis zu zwölf Gäste.
Ein zentraler Pfeiler des Projekts ist die Weitergabe des technischen Know-hows. Alle Systemdaten, Erkenntnisse und Schlüsselkomponenten sollen über die Plattform FoundationZero.org frei zugänglich gemacht werden. So können andere die Technologien nutzen und weiterentwickeln. Dieser Open-Source-Ansatz ist in der Yachtbranche ungewöhnlich und könnte die Verbreitung nachhaltiger Technologien beschleunigen. Der Erfolg steht und fällt mit der Alltagstauglichkeit.
„Bei dem Projekt geht es nicht darum, zu zeigen, wie gut wir sind, und auch nicht speziell um die Yacht selbst“, sagt Eduard van Benthem, Executive Director bei Foundation Zero und erfahrener technischer Projekt- und Engineering-Manager in der Yachtbranche. „Wir versuchen wirklich zu zeigen, wie wir Dinge besser machen können, und andere dazu zu inspirieren, sich uns auf der Reise anzuschließen, gemeinsam zu lernen und das Wissen zu teilen, was das grundlegende Ziel von Foundation Zero bei all ihren Projekten ist.“
Neben der privaten Nutzung stehen ausgewählte Charter an, bei denen Gäste die implementierten Technologien in Aktion erleben und in der Folge ihre Yacht nachrüsten oder diese bei einem Neubau berücksichtigen. Auch soll „Zero“ als Plattform für die wissenschaftliche Forschung auf See dienen und Studien über erneuerbare Meerestechnologien und die Nachhaltigkeit der Ozeane unterstützen.
Es wird erwartet, dass die 69-Meter-Ketsch im Jahr 2026 ausgeliefert wird – mehr als sieben Jahre nach der ursprünglichen Idee.