Der Name der knapp 39 Meter langen Swan könnte kaum besser gewählt sein, hier oben in Finnland, rund 200 Kilometer südlich des Polarkreises. Es ist wenige Tage nach Mittsommer, dem längsten Tag des Jahres, und Hochsommer heißt hier ganz offensichtlich: „Be Cool.“ Vier Grad Celsius zeigt das Thermometer um 8:30 Uhr am Morgen auf dem Deck der zweitgrößten je gebauten Swan.
„Unsere größte Yacht ist mit 42 Metern Länge die Swan 131 ‚Aristarchos‘, die wir bereits 2006 ablieferten“, erklärt Nautor-CEO Giovanni Pomati, während wir dabei zusehen, wie die Crew das nach einem Blockbuster mit Uma Thurman und John Travolta benannte Schiff zum Auslaufen vorbereitet. Auf Nachfrage, was es mit dem Namen auf sich hat, lässt der Geschäftsführer der seit Kurzem zu Sanlorenzo gehörenden Werft wissen: „Der Eigner ist leidenschaftlicher Kino-Fan, sein zweites Schiff, eine Clubswan 50, heißt ‚Django‘, nach einem Tarantino-Film.“
Der Unterschied des vor 19 Jahren gewasserten Einzelbaus „Aristarchos“ zum neuen Flaggschiff ist die Positionierung. Das neue 38,98-Meter-Modell krönt die aktuelle Maxi-Linie von Nautor, zu der die Swan 88, 98 und 108 gehören und die allesamt als Semi-Custom-Yachten ausgelegt wurden. Die Produktion folgt weitestgehend den Regeln des Serienbootsbaus, einzig der Grad an Personalisierung ist um ein Vielfaches höher.
„Be Cool“ ist mit einer Länge von 38,98 Metern und einer Verdrängung von 136 Tonnen (voll beladen) der mit Abstand größte Maxi im Portfolio. „Der Eigner hatte vorher eine Swan 98 mit Eignerkabine im Heck und ursprünglich vor, auf eine Motoryacht zu wechseln“, erzählt Giovanni Pomati offen. Doch dann sah er die Swan 120 „Audrey the First“mit Mastersuite im Bug und war begeistert. Er briefte die Werft und wünschte sich eine Maxi-Swan im Stil der Swan 108, nur größer. Mit der 108 startete der Umbau der Maxi-Reihe, für den der Mailänder Architekt Lucio Micheletti der 36-Meter-Slup eine dynamische Note verlieh, und holte traditionelle Rundungen zurück. Die Entwicklung des neuen
Giganten stellte aufgrund der technischen Komplexität und schieren Größe eine große Herausforderung für das Werft- und Designteam dar.
Für die Konstruktion der Swan 128 zeichnete Germán Frers verantwortlich. Natürlich, seit über 40 Jahren besteht der finnisch-argentinische Pakt. Deck und Aufbauten entwarfen Micheletti+Partners, die ihre bei der Swan 108 eingeführte Formsprache weiterentwickelten und den Fokus auf ein perfektes Gleichgewicht von Volumen, Formen und Details legten. Das Interieurdesign stammt von Misa Poggi in Zusammenarbeit mit dem werfteigenen Design- und Produktentwicklungsteam. Auch hier diente die Swan 108 als Inspirationsquelle. Das Interieurlayout von „Be Cool“ wurde um die präzisen Wünsche des erfahrenen Kunden herum gestaltet. Besondere Aufmerksamkeit galt natürlich dem Eigner-Terrain, das einen Großteil des Vorschiffs einnimmt und frei von strukturellen Einschränkungen ist.
Dahinter schließt sich backbords eine große Gästesuite an, gegenüber befindet sich der Speisetisch für bis zu acht Personen. Das Tweed-Muster der Polster zieht sich durch alle Innenräume und setzt in unterschiedlicher Musterung, Struktur und Farbe Akzente. „Auch hier arbeiteten wir eng mit dem Eigner und seiner Frau zusammen“, verrät Heini Gustafsson aus dem Interieur-Team von Nautor. Das Ergebnis ist eine elegante Mischung aus traditionellem Styling und modernen Elementen, verstärkt durch ein interessantes Zusammenspiel von Materialien, das einen lebendigen Effekt erzeugt.
Ein drei Stufen erhöht gelegener Salon mit gemütlichen Sitz- und Lounge-Arealen auf beiden Seiten schließt sich achtern an und ist aus dem Gästecockpit über einen extrabreiten Niedergang zugänglich. Der Wohnraum profitiert von drei Ebenen natürlichen Lichts und bietet dank großer Fenster Panorama-Ausblicke. Hinter einem Spiegel, der den Raum zusätzlich streckt, versteckt sich ein TV. Steuerbords neben dem Niedergang führt ein Korridor zum Crewbereich, der hinter zwei weiteren Gästekabinen liegt. Die fünfköpfige Mannschaft wohnt achtern in drei Doppelkabinen, die eindrucksvoll große Pantry, Messe und stattlich dimensionierte Navigationsecke verteilen sich clever dazwischen. Die Tendergarage im breiten Heck ist zugänglich, wenn sich der Spiegel öffnet und sich in eine Badeplattform verwandelt.
“Be Cool“ verkörpert perfekt das Konzept eines sportlichen Cruisers – eine Yacht, die sowohl für ausgedehnte Reisen als auch für internationale Maxi-Regatten konzipiert wurde, ohne dabei Kompromisse bei ihren Kerncharakteristika einzugehen. Die Doppelruderanlage gewährleistet optimale Kontrolle auch bei hohen Geschwindigkeiten und liefert präzises Feedback. Der moderate Krängungswinkel von etwa 20 Grad unter Idealbedingungen erhöht den Komfort an Bord unter Segeln und ermöglicht die problemlose Nutzung aller Bereiche der Yacht. Mit einer Amwind-Segelfläche von 845 Quadratmetern verspricht der Segelplan stattliche Etmale und hohe VMGs selbst bei leichteren Winden, bleibt dabei aber gut beherrschbar unter anspruchsvollen Bedingungen.
Während des ausführlichen Testschlags auf dem Bottnischen Meerbusen mit schwachen Winden zwischen sechs und zehn Knoten zeigte der formschöne 39-Meter-Schwan, was in ihm steckt. Bei sechs Knoten wahrem Wind und einem Winkel zum scheinbaren Wind (AWA) von 30 Grad zeigten die extragroßen Sailmon-Displays am Mast einen Boatspeed von sieben Knoten. „Zwischen sechs und zwölf Knoten TWS ist ihr ‚happy place‘, hier fliegt sie richtig“, verriet Kapitän Luca Sera, der wenige Wochen nach der Ablieferung noch dabei war, gemeinsam mit dem Rest der Crew seinen neuen Arbeitsplatz kennenzulernen.
Für eine Maxiyacht ungewöhnlich ist der Verzicht auf ein Kutter-Rigg. „Wir können nur ein Vorsegel am 58 Meter in den Himmel ragenden Southern-Spars-Mast setzen, entweder Gennaker, Genua oder das Stagsegel. Um keine Backstagen einsetzen zu müssen, verzichtete der Eigner zudem auf ein Square-Top-Großsegel. Stattdessen fragte er die Rigger nach einem drei Meter höheren Mast, um dennoch auf die gleiche Segelfläche zu kommen“, berichtet Projektmanager Kim Sundquist. Auch der Bugspriet wurde auf expliziten Wunsch gestrichen. Fünf Crewmitglieder werden permanent an Bord von „Be Cool“ arbeiten, wobei zum Segeln dank Selbstwendefock und Schoten, die auf kaptiven Winschen laufen, nicht alle Hände an Deck sein müssen. „Wir verbauen normalerweise keine Selbstwendefock auf unseren Modellen“, lässt Sundquist wissen. „Der Eigner bestand jedoch darauf, um das Segelhandling beim Cruisen maximal zu vereinfachen.“ Bei acht Knoten TWS beschleunigen die 136 Tonnen mit Großsegel und Genua mitten auf der noch lausig kalten Ostsee vor dem Werftstandort Jakobstad kurzzeitig auf über zehn Knoten, was bei der Crew im Cockpit für Jubel sorgt.
Um bei den im Sommer vor der Costa Smeralda vorherrschenden leichten Winden möglichst viel Segelleistung abrufen zu können, entschied sich der Eigner für ein maximal leichtes Riggpaket. Den Carbonmast plus Rollbaum laminierte Southern Spars, Future Fibres steuerte die ECSix-Kabel des Stehenden Guts bei. Edelstahlkomponenten finden sich nur dort, wo nötig, bei den Decksbeschlägen dominiert Titan. Die Furler-Profis des norddeutschen Unternehmens Reckmann lieferten nicht nur drei Rollreffanlagen für Gennaker, Genua und Stagsegel, sondern auch Fallwirbel aus Titan, die für eine erhebliche Gewichtsreduzierung im oberen Bereich des Riggs sorgen. „Dort, wo sie am nützlichsten sind“, verrät Maxi-Kenner Philip Demler, der die Swan 128 für Reckmann betreute. „Diese Wirbel verbinden ein kompaktes Maß mit der Fähigkeit, extrem hohen Lasten standzuhalten.“ So wiegt beispielsweise der obere Wirbel des speziell für „Be Cool“ entwickelten Gennaker-Furlers nur 14 Kilogramm bei einer maximalen Arbeitslast von 50 Tonnen.
Der ins Vorschiff eingelassene Furler ermöglicht die Verwendung eines Fallenschlosses, macht den frei fliegenden Drehwirbel obsolet und ermöglicht dem Kapitän, das Stag und Vorliek zum Deck hin zu spannen. „Wir fertigen seit 1980 Rollreffsysteme für die größten Yachten der Welt, die meist explizit für ein Projekt und eine spezielle Anforderung konstruiert und gefertigt werden. Daher war dieser Auftrag keine große Herausforderung für uns. Das System arbeitet einwandfrei und mit hohen Geschwindigkeiten, was bei den großen Segelflächen der heutigen Maxi-Generation ein Riesenvorteil ist“, so Philip Demler.
Während „Be Cool“ zwischen den Inseln Örarna und Mässkär in den Högöfjärden in Richtung Werftdock einbiegt, kommt natürlich die Sprache auf Hollywood-Superstar Tom Cruise, der wenige Wochen zuvor für Aufsehen in der beschaulichen finnischen Küstenstadt Jakobstad sorgte. Er landete mit seinem Privatjet auf dem nahe gelegenen Flughafen Kronoby und besuchte anschließend die Hallen von Nautor. Wie es sich für den „Mission Impossible“-Held gehört, reiste er per Helikopter an – den er selbst flog. Mittlerweile ist gewiss, dass der 60-jährige Fitness-Fan eine Swan 108 orderte. Von Giovanni Pomati heißt es, wie zu erwarten, nur: „Kein Kommentar!“
Man darf nun gespannt sein, wie Cruise seine neue 36-Meter-Slup nennen wird. Spätestens beim Stapellauf im nächsten Frühjahr wird das Geheimnis gelüftet. Tipps rund ums Yachting kann sich der Segelnovize Cruise dann sicher beim kommenden Swan Cup in Porto Cervo vom „Be Cool“-Eigner holen. Schließlich verbindet beide ganz offensichtlich nicht nur die Leidenschaft für den Film.