“Atlantide“ hat schon viel gesehen. Als „Caleta“ kam die motorisierte Segelyacht 1930 in Großbritannien zur Welt, arbeitete im Dienst der Navy, fuhr als Privatyacht und ließ diverse Refits über sich ergehen. Im Januar 2021 kam die Dame als Decksfracht aus den USA zu Huisfit und im November 2023 verließ sie die Refit-Abteilung von Royal Huisman nach einem kompletten Umbau. 40 Prozent des Rumpfes, des Decks und der Spanten wurden ersetzt, die Inneneinrichtung neu gestaltet und alle Systeme mit Ausnahme der Motoren überholt oder ersetzt. Ihr Eigner, Jim Clark, hatte bei Royal Huisman drei Segelyachten gebaut: „Hyperion“ (1998), „Athena“ (2004) und die J-Class-Schönheit „Hanuman“ (2009).
Als „Atlantide“ 2020 wieder auf den Markt kam, erwarben er und seine Frau Kristy sie als Dayboat und Ergänzung zu ihrer Rennyacht. Nachdem „Hanuman“ einige Updates erhalten hatte, wollten die Clarks auch die Begleiterin auffrischen lassen. Der Umfang des Projektes, überwacht von Kapitän Josh Luckhurst, war anfangs unklar, erst an Land kam das Ausmaß zum Vorschein. Als der Stahlrumpf bis auf das rohe Metall gestrahlt war, zeigte sich die verbeulte und verformte Struktur, die Fenster hatten keine Rahmen und waren in die Öffnungen geklebt. Decksleckagen hatten zu nassen Innenschotten, MDF-Platten und Einbauten geführt. „Die Vorbesitzer hatten keine Vollzeit-Crew auf dem Schiff, da sie es nur im Sommer nutzten, darunter hat es etwas gelitten“, so Jim Clark. „Offensichtlich ging es bei früheren Arbeiten mehr um Kosmetik oder Terminpläne als um Langlebigkeit.“
Am Ende wandelte sich eine geplante Überholung des Innenraums in den Auftrag, alles zu ersetzen. Sechs Monate lang studierte das Huisfit-Team die Yacht, scannte sie und entwarf sie neu in 3D. Die Planung des neuen Interieurs forderte die Ingenieure enorm heraus, denn hinter den Wänden und über den Decken war fast kein Platz mehr. Um das Deckshaus aus Teakholz zu restaurieren und in staubfreier Umgebung zu lackieren, hob ein Kran es in einem Stück ab.
Nachdem der gesamte Innenraum entkernt war, versahen die Arbeiter jeden Zentimeter mit neuer Dämmung, bevor mit dem Aufbau des Interieurs begonnen wurde. Dafür hatten sich die Eigner an das Studio deVosdeVries Design gewandt, deren Leiter schon mit Peter Beeldsnijder gearbeitet hatte. Jim Clark gab einen weniger verschnörkelten Stil der 1930er-Jahre vor, der das klassische Walnuss-Interieur von „Hanuman“ aufgreifen sollte. Für den gewünschten Antik-Look trugen die Experten von Acanthus International aus Palm Beach ein 14-stufiges Finish aus Bleichen, Färben, Polieren und Abschleifen auf, alles von Hand.
Heute sind die Eignersuite und die VIP-Kabine auf dem achterlichen Unterdeck kaum wiederzuerkennen. Für mehr Deckenhöhe befinden sich die Schleusen des Antriebsschachts nur einen halben Zentimeter unter dem Boden der Eignerkabine. Die Designer versuchten die Rumpfkrümmung zu minimieren, senkten das Bett ab und bauten den Stauraum neu auf. Das dreistöckige Haupttreppenhaus glänzt ganz im Stil der 1930er-Jahre. Vorbei sind die von einer polierten Edelstahlsäule ausgehenden Stufen und die glänzenden Geländer vor Ahornplatten, jetzt sitzt dort eine Treppe mit Nussbaum-Einfassung und holzverkleidetem Mittelpfosten.
Der Haupt-Salon ist ein legerer Raum mit französisch-blauen Sofas, eine flache Kassettendecke ersetzt die lackierten Nut-und-Feder-Paneele der 1990er-Jahre. Den separaten Speisesaal mit Blick auf das Vordeck gibt es nicht mehr, er ist einem Medienraum gewichen. Dafür steht eine maßgefertigte Tafel auf dem Achterdeck, ein festes Bimini mit abnehmbaren Vorhängen lässt die Gäste warm und trocken ihr Menü genießen. Da alle Original-Decken entfernt wurden, fiel die Entscheidung zugunsten eines neuen Beleuchtungsplans, deVosdeVries schauten auch dafür auf die Konzepte für „Hanuman“.
Vom originalen Teakholz im Außenbereich, einschließlich der massiven Cap-Rails, wurde so viel wie möglich restauriert und mit neuem Holz zusammengefügt. Alle noch brauchbaren Beschläge zeigen sich überholt und mit Aluminiumbronze überzogen, für eine satinierte Oberfläche mit künstlicher Patina. Die 60 bis 70 Jahre alten Winschen drehen sich wie geschmiert. Optimale Fahreigenschaften standen auch auf der Liste, in erster Linie ein neues Rigg und Segel nach alten Plänen. Die ursprünglichen Achtzylindermotoren von Gardner blieben an Bord, gingen aber für eine Frischekur auf Tour.
Über ein frisch geschnittenes Rumpf-Loch schlüpften sie aus der Yacht und reisten zu ihrem Hersteller ins englische Canterbury und wieder zurück. Ergänzt um moderne Alarmtechnik und Sensoren sowie ein Abgassystem und Twin-Disc-Getriebe arbeiten sie wie kürzlich geordert. Für bessere Manövriereigenschaften vergrößerten die Konstrukteure das Ruder um 20 Prozent und verlängerten es, die Stabilisatoren erhielten neue Flossen mit einer um 18 Prozent größeren Fläche, dazu Naiad-AtRest-Regler, die vor allem bei langsamer Fahrt schneller ansprechen. Mit Erfolg, Kapitän Luckhurst befand, dass die rüstige Dame auf der Passage von Palm Beach in die Karibik im Februar 2024 „unglaublich stabil“ fuhr. Well done, „Atlantide“.