Von ihren Rumpflinien her haben großformatige Segel- und Motoryachten nicht mehr viel gemein. Besonders ein Merkmal, der ausgeprägt positive Deckssprung, verkommt zur anachronistischen Ausnahme. Die Buge der Kolossalformate laufen deckseitig in der Regel gerade aus, wenn nicht sogar negativ. Elegant gestrakte Risse, wie man sie von klassischen Transatlantiklinern kennt, realisierte Lürssen zuletzt bei „Limitless“ (96 m) im Jahr 1997 und 2010 bei der 85 Meter langen „Pacific X“. Eben Letztere gleicht in ihrer fregattenhaften Form und Farbe frappierend „Dragonfly“, der jüngsten Ablieferung der Bremer Werft. Der Grund: Ursprünglich gab Leonid Michelson den 142 Meter langen Stahl-Alu-Bau in Auftrag, der eine von Germán Frers konstruierte Segelyacht besaß und diesen mit der Linienfindung beider Yachten betraute.
Der Taufname allerdings spricht für einen Besitzerwechsel noch vor Fertigstellung und für Google-Mitgründer Sergey Brin als neuen Eigner. Der 1973 in Moskau geborenen Brin nutzte zuvor ein 73 Meter langes Aluformat von Silver Yachts (Ex-„Dragonfly“, jetzt „Capricorn“) und kommt auf der Großen nun in den Genuss eines „Business Decks“. Unter der Brücke ist Platz für ein großes Büro, Gym, einen Games Room und Heli-Hangar. Zu den weiteren Annehmlichkeiten zählen ein Glasboden-Pool auf dem Hauptdeck, Kino, Spa und ein Wassersportzentrum.
Die 1000 Quadratmeter großen Außenbereiche und Innenräume von insgesamt 2000 Quadratmetern Fläche arbeitete das Mailänder Studio Nauta Design aus, das – wie Frers – zumeist Segelyachten schlichte Eleganz und italienisches Flair verleiht. „Es waren aufregende vier Jahre kreativer Arbeit, diese außergewöhnliche Kombination aus Atmosphäre und einzigartigem Lebensstil zu entwerfen“, sagt Mario Pedol von Nauta Design.
Germán Frers entwirft mit seinem Team auch Motoryachten für Sirena Yachts, Serienmodelle aus GFK von 16 bis 36 Metern Länge. Für die türkische Werftengruppe ist der Argentinier seit 2013 Hauskonstrukteur und -designer in Personalunion. Auch hier gab es eine Verbindung über das Segeln: Der Werftgründer segelte privat auf einer von Frers gezeichneten Yacht und ließ ihn zunächst Segelyachten für seine Marken Azuree und Euphoria zeichnen, ehe er Sirena Yachts aus der Taufe hob.
Die gestalterische Maßgabe für „Dragonfly“ lautete: Eleganz und Funktionalität. Der Maestro gibt Aufschluss: „Ziel war es, ein ausgewogenes Design zu entwerfen, das zeitlose Attraktivität über vorübergehende Trends stellt.“ Über eine doppelt klappbare Plattform öffnet sich das scheinbar geschlossene Heck. Teile des Spiegels und des Decks formen ausgefahren eine große Fläche mit direktem Zugang zum Wasser. Ein ähnliches zweistufiges Ausfahren der Badeplattform zeigt sich bei Nautors Maxi-Modellen, etwa der Swan 88.
Laut Werft ist „Dragonfly“ auf höchste Effizienz ausgerichtet. Lürssen erbrachte die gesamten Konstruktionsleistungen des 142 Meter langen Fünfdeckers, und die hauseigenen Ingenieure entwickelten ein dieselelektrisches Antriebssystem. Zwei Dieselmotoren treiben über Einzelgetriebe zwei Verstellpropeller an, die mit PTI/PTO-Einheiten für den elektrischen Betrieb der Antrieb-Pods oder zur Erzeugung elektrischer Energie für den Betrieb ausgestattet sind.