Michael Good
· 10.04.2025
Der Schweizer Michael Aeppli ist ein umtriebiger Mensch – im Speziellen, wenn es darum geht, Segelboote schnell und noch schneller zu machen. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Zürcher deshalb mit der Foil-Technologie und im Speziellen mit DSS. Die Abkürzung steht für Dynamic Stability System. Das Prinzip: Ein asymmetrisches Flügelprofil wird in Lee auf Höhe der Wasserlinie ausgefahren und erzeugt dort dynamischen Auftrieb. Wie ein Flugzeugflügel – nur eben im Wasser.
Die Kraft am langen Hebel nach oben sorgt für ein zusätzliches aufrichtendes Moment, also für weniger Krängung. Im Gegenzug kommen Boote mit DSS-Technologie mit weniger Kielballast aus, oder mit weniger Crewgewicht auf der hohen Kante. Ein einfaches, effizientes und zugleich geniales Konzept. Mehr zur Funktionsweise von DSS, den neuesten Entwicklungen sowie den Unterschieden zur Foiltechnik siehe ab Seite 82.
Zusammen mit dem Konstrukteur und DSS-Experten Hugh Welbourn aus England hat Aeppli bereits vor 15 Jahren ein 28-Fuß-Testboot mit Dynamic Stability System gebaut und die Entwicklung in der Folge unter der Marke Quant Boats mit verschiedenen Neubauprojekten befeuert. Mit dem innovativen Foiler Quant 23 haben die Querdenker Welbourn und Aeppli die Entwicklung des DSS-Prinzips sogar bis zum voll flugtauglichen Sportboot mit Kiel vorangetrieben (Test YACHT 19/2015). Vor zehn Jahren war das noch eine kleine Revolution.
Durch die neue GT33 hat Quant Boats der ambitionierten Kleinserie von sogenannten foil-assistierten Sportbooten jetzt ein weiteres hinzugefügt. Mit einer Rumpflänge von zehn Metern ist sie nun mittlerweile das größte Boot der Schweizer Marke. Der in England komplett aus Kohlefaser-Sandwich mit Epoxidharz gebaute Prototyp ist im Herbst 2024 fertig geworden und wird nun ausführlichen Tests unterzogen. Wo die GT 33 letztlich in Serie gebaut werden soll, ist derzeit noch unklar.
Herzstück der Quant GT 33 ist natürlich das DSS-Foil. Der leicht gesichelte Flügel steckt in einem geschlossenen, quer in den Rumpf einlaminierten Kasten und kann über Schotzüge direkt aus dem Cockpit beidseits aus dem Rumpf ein und ausgefahren werden. Mit 2,5 Meter ist der Flügel genauso lang wie das Boot breit.
Die große Quant ist nichts für Anfänger. Der DSS-Flügel und die übrige Technik verlangen nach viel Know-how.
Wird das Profil in der Mitte fixiert, was sich über Schaugläser in der Struktur kontrollieren lässt, ist das Manövrieren im Hafen problemlos. Beim Einfahren in die Box ist allerdings Vorsicht geboten, da der Flügel an der ungewöhnlich weit eingezogenen Wasserlinie auf beiden Seiten noch ein gutes Stück übersteht. Die schlanke Rumpfform, das segelfertige Gesamtgewicht von nur gut einer Tonne, der voll aufholbare Hubkiel und das ebenfalls flexible Ruderblatt machen es leicht, die GT 33 auf einem herkömmlichen Straßentrailer zu transportieren. Das Foil muss dazu nicht ausgebaut werden.
Für den Test konnte die YACHT-Testredaktion die ganzen Vorzüge der DSS-Technologie auf der GT 33 nur eingeschränkt ausprobieren. Zu schwach der Wind am Testtag auf dem Zürichsee in der Schweiz mit nur gerade maximal sechs Knoten Stärke. Mit halbem Wind unter Code Zero und ab einem Speed von etwa sieben Knoten ist die Wirkung des Foils trotzdem schon deutlich spürbar. Die Krängung wird weniger, der Druck nimmt zu und die Anzeige auf dem Speedo steigt. Der Auftrieb am Flügel verstärkt dabei nicht nur das aufrichtende Moment, sondern sorgt überdies für Lift auf das ganze System. Das heißt, je schneller das Boot segelt, desto größer ist insgesamt die resultierende Kraft nach oben. Das führt zu einer geringeren Eintauchtiefe, einer kleineren benetzten Oberfläche und damit weniger Widerstand im Wasser.
Konstrukteur Hugh Welbourn rechnet vor, dass das tiefe Profil des DSS-Flügels auf der GT 33 in voll ausgezogenem Zustand und bei einer Geschwindigkeit durchs Wasser von 15 Knoten schon über eine Tonne Auftrieb produzieren kann. Theoretisch könnte das Boot also ab dieser Geschwindigkeit bereits abheben, also foilen. Die gestreckte Form des DSS-Flügels mit wenig Eintauchtiefe lässt dies aber nicht zu. Die Quant GT 33 soll gar nicht fliegen, sondern nur schnell sein. Bei ganz wenig Wind und unterhalb der DSSwirksamen Bootsgeschwindigkeit, wird der Flügel dann ganz einfach nach Luv ausgezogen, um damit den Widerstand in Lee zu vermeiden.
Dies mag seltsam aussehen, stört aber nicht wirklich. Und die Crew kann sich über die Vorzüge eines schlanken und leichten Bootes freuen. Das Handling mit dem DSS-Profil auf der Quant GT 33 ist allerdings anspruchsvoll und erfordert Können und Übung. Um den leicht gebogenen Flügel in der Wende oder in der Halse von der einen auf die andere Seite zu schiften, muss das Boot langsam sein, damit der Ausziehmechanismus auch gut und reibungsarm funktioniert. Je stärker die Strömung auf dem Flügel anliegt, desto schwerer lässt sich das Profil in seiner ganzen Länge bewegen.
Ansonsten sind die Abläufe in den Manövern so, wie man das von Sportbooten gewohnt ist. Insbesondere der Umgang mit dem fast 80 Quadratmeter großen Gennaker ist leicht, weil der Carbonbugspriet bis 2,25 Meter über den Bug hinausragt und zudem das Vorstag für die Genua um fast einen Meter zurückversetzt ist. Das lässt sehr viel Raum, wodurch das Segel in der Halse fast von selbst auf die neue Seite durchgeblasen wird.
Die große Quant ist in zwei Ausführungen erhältlich. Die Variante A sieht neben der DSS-Technologie zusätzlich noch Wasserballasttanks mit einem Volumen von zweimal 300 Litern vor. Für das Befüllen und Entleeren der Tanks steht ein Periskop-System zur Verfügung. Eine elektrische Pumpe beschleunigt den Prozess auf eine Dauer von circa 90 Sekunden. Die Umlagerung des Wassers beim Wenden erfolgt durch Gravitation und dauert lediglich 30 Sekunden.
Die Variante A ist für Segler interessant, welche das Boot mit kleiner Crew segeln und Langstreckenregatten bestreiten. Die Variante B ist für Mannschaftssport mit einem Team von fünf Seglern gedacht. In dem Fall wird auf den Wasserballast verzichtet und dafür ein Kiel mit höherem Ballastanteil (550 statt 300 Kilogramm) eingebaut.
Weil bei Booten mit DSS-Technologie das Gewicht eine große Rolle spielt, ist auch die Konstruktion der Quant GT 33 ultimativ auf Leichtbau gebürstet. Dafür steht die Bauweise kompromisslos aus Kohlefaser, das Fehlen von sämtlichen Ausbaukomponenten unter Deck sowie vor allem auch ein möglichst leichtes Rigg. Auf dem Prototyp steht ein sehr schön gebauter Carbonmast aus der deutschen Produktion von CUL Masten (Carbon Ultra Light) mit Wanten ebenfalls aus Kohlefaser. Das Rigg mit allem stehenden und laufenden Gut wiegt nur gerade 41 Kilogramm. Die Ernüchterung kommt in Form des Preises. Obwohl aufgrund der nicht festgelegten Serienproduktion weder eine konkrete Preisliste noch die detaillierten Spezifikationen erhältlich sind, nennt Michael Aeppli als grobe Preiseinordnung einen Betrag von rund 310.000 Euro. Für das fertig ausgestattete Schiff mit allen Segeln, Elektronik und einem Straßentrailer würden wohl gegen 430.000 Euro fällig werden.
Trotzdem: Das Projekt und die DSS-Technologie sind vielversprechend. Ob die Quant GT 33 als leistungsstarkes Sportboot in Serie gehen kann, wird sich zeigen. Das Zeug dazu bringt das ungewöhnlich spannende Konzept auf jeden Fall schon mal mit.
Spannende DSS-Technologie
Kompromissloser Leichtbau
Zwei mögliche Varianten
Hoher Preis
Großes Leistungspotenzial
Wirkungsvoller Foil-Einsatz
Wasserballasttanks möglich
Anspruchsvoll im Umgang
Einfacher Straßentransport
Flexibler Tiefgang mit Hubkiel
Extrem langer Bugspriet
Kompliziertes Foil-Handling
Rumpf und Deck beim Prototyp: Kohlefaser-Sandwichkonstruktion mit Schaumkern und Epoxidharz. Für die Serienproduktion ist noch keine Bauwerft festgelegt.
Kohlefasermast mit Carbonwanten von Hersteller CUL (Carbon Ultra Light) in Weilheim, Deutschland. Das komplette Rigg mit laufendem und stehendem Gut wiegt insgesamt nur 41 Kilogramm.
Selbstwendefock oder überlappende Genua je nach Wunsch und Einsatz, dazu ein Code Zero und/oder ein Gennaker. Das Großsegel ist durchgelattet.
Quant Boats, Michael Aeppli, CH-6048 Horw (Schweiz); www.quant-boats.com
Die Welt der Hochleistungssegelyachten ist geprägt von Innovationen, um Boote schneller, stabiler und effizienter zu machen. Eine besonders interessante Entwicklung ist dabei das Dynamic Stability System (DSS), das vom britischen Yachtkonstrukteur Hugh Welbourn ersonnen wurde. Dieses System nutzt seitlich ausfahrbare, horizontale Tragflächen auf Höhe der Wasserlinie. Auf der Leeseite erzeugen diese Foils – ähnlich wie Tragflächen eines Flugzeugs – dynamischen Auftrieb, wodurch der Rumpf angehoben und die Krängung reduziert wird. Dadurch segelt die Yacht aufrechter, der Segelplan arbeitet effizienter und der Widerstand verringert sich.
Im Gegensatz zu Full-Foiling-Technologien, bei denen die Tragflächen aktiv gesteuert werden, um den „Flug“ des Bootes zu regulieren, arbeitet DSS passiv. Das heißt, der Anstellwinkel des Foils bleibt konstant, wodurch das komplette System über einen Selbst-Trimm-Effekt aktiv Einfluss nimmt. Die Herausforderung liegt darin, eine optimale Balance zwischen Stabilität und Widerstand zu finden. Ein zu großer Anstellwinkel erzeugt zwar mehr Auftrieb, erhöht aber auch den Widerstand und kann die Geschwindigkeit negativ beeinflussen. Um dies zu vermeiden, setzt Hugh Welbourn bei seinen DSS-Designs auf größere Foils mit geringeren Anstellwinkeln und damit weniger Bremswirkung. Dies bringt insbesondere beim Amwindkurs Vorteile, wo die Widerstände durch Gegenwind, Wellen und einen wenig effizienten Segelplan ohnehin schön größer sind.
Mit zunehmender Geschwindigkeit hebt sich der Bug eines Bootes in der Regel leicht an. Dadurch verändert sich aber auch der Anstellwinkel des Foils, was sowohl den Auftrieb als auch den Widerstand beeinflusst. Wie stark sich der Bug hebt, hängt vom sogenannten Rocker ab – der Kielsprung des Rumpfes. Yachten mit ausgeprägtem Rocker heben den Bug früher und stärker an, während Boote mit weniger Kielsprung flacher im Wasser liegen. Diese Eigenschaft hat großen Einfluss auf die Effizienz von DSS. Besonders die leichten und schlanken Yachten mit langer Wasserlinie und wenig Kielsprung – wie beispielsweise die Quant GT 33 – können von der DSS-Technologie profitieren, da sie insgesamt ausgewogener mit einer stabilen Wasserlage segeln.
Um die Schwimmlage und damit den Anstellwinkel der Tragflächen zu trimmen, ist bei der Quant GT 33 überdies ein verstellbares Ruderblatt mit sogenannten Elevatoren vorgesehen. Über eine einfache Schotverstellung an der Pinne kann die Neigung des Ruderprofils in Längsrichtung und damit auch der Anstellwinkel auf die kleinen, aber fest anlaminierten Foils am unteren Blattende eingestellt werden. So lässt sich der Längstrimm zusätzlich über das Ruder kontrollieren, um eine dauerhaft maximale DSS-Effizienz zu gewährleisten.
Obwohl die DSS-Technologie heute vor allem in High-End-Rennyachten zu finden ist, könnte es das System in naher Zukunft auch für Fahrtensegler und ambitionierte Freizeitsegler interessant sein. Für diesen Einsatzbereich dürfte dann aber weniger die Leistung unter Segeln im Fokus stehen als die stabile und vor allem aufrechte Wasserlage sowie die geringeren Schiffsbewegungen.
Seit den ersten Versuchen mit dem Dynamic Stability System vor mehr als 15 Jahren hat sich in der Entwicklung der Technologie viel getan. Insbesondere im Bereich der Performance hart am Wind haben sich für die Entwickler schnell Maßnahmen aufgedrängt, mit denen sich das Leistungspotenzial der Foils noch verbessern lässt. Die jüngste Entwicklungsstufe sieht nun eine nach oben gesichelte (dihedrale) Tragfläche vor, die in zwei Stellungen mit verschiedenen Austrittswinkeln eingesetzt werden kann.
Diese Innovation unter der Bezeichnung DSS Plus kommt nun auch in der neuen Quant GT 33 zur Anwendung und hat zum Ziel, das Foil möglichst parallel zur Wasseroberfläche auszurichten. Dadurch werden nicht nur die hydrodynamischen Eigenschaften verbessert, sondern auch die Leistungen und der Auftrieb bei wechselnden Bedingungen optimiert. Ist die Krängung nur gering, wird das Foil mit einem flachen Austrittswinkel eingestellt, um dauerhaft im Wasser und damit wirksam zu sein. Bei mehr Wind und mehr Krängung wird der Flügel dagegen höher eingestellt. Technisch wird diese Trimmmöglichkeit mit einer Wippe umgesetzt, welche auf den inneren Anschlag des Foils wirksam ist und über einen Hebel ganz einfach von Hand verstellt werden kann.