Michael Good
· 19.10.2020
Bei Knierim Yachtbau wird ein "flugfähiger" Mini 6.50 fertiggestellt. Nun hat der Hochseezwerg die ersten Schleppversuche auf den Foils erfolgreich bestanden
Die Konstruktion kommt vom Franzosen Thomas Tison und ist durchaus bemerkenswert. Auffällig ist insbesondere der extrem flache, schon fast rechteckige Scow-Bug. Dazu kommen jede Menge Rumpfanhänge: seitliche Foils in V-Form, ein Neigekiel mit Ausschlag von 45 Grad auf jeder Seite, dazu ein ebenfalls aufholbares Schwert für mehr Lateralfläche am Wind. Das Einzelruder mit T-Foils ist an einer Verlängerung am Heck und mit Abstand zum Boot angebaut, ähnlich wie bei den Foiling Moth. Die Profiltiefe des sogenannten "Elevators" kann aus dem Cockpit verstellt werden– spannend alles und sehr ungewöhnlich; bis dato in der Form und Ausführung noch einzigartig in der Klasse Mini 6.50.
Das innovative Projekt wird in der Hightech-Schmiede vom Knierim Yachtbau in Kiel umgesetzt. Das Boot besteht komplett aus einer Kohlefaser-Sandwich-Konstruktion mit Prepreg-Laminaten und einem Kern aus Nomex-Wabenstruktur. Konstrukteur Thomas Tison berechnete die Gewichte mit 200 Gramm pro Quadratmeter für die inneren Lagen sowie mit 400 Gramm pro Quadratmeter für die Rumpf-Außenseite, federleicht also. Dazu kommen natürlich voll laminierte Kohlefaser-Verstärkungen im Bereich der Rumpfanhänge, vor allem bei der Verankerung der Foils. Die beiden seitlichen Tragflächen sind übrigens komplett aufholbar, um so bei wenig Wind den zusätzlichen Widerstand im Wasser zu umgehen.
Der Hochseezwerg soll, so der Konstrukteur, in das aktuelle Reglement für die Prototypen der Klasse Mini 6.50 passen. Geplant ist eine Teilnahme am Mini-Transat 2021 und an den Qualifikationsregatten im Vorfeld. Noch ist unklar, wer der Skipper des verheißungsvollen Mini 6.50 von Knierim werden wird. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein Segler aus Deutschland das Schiff übernehmen kann, so Knierim-Geschäftsführer und Projektleiter Steffen Müller. Aktuell prüft die Werft jetzt mögliche Kandidaten.
Vor wenigen Tagen wurde der fertige Rumpf einem Schleppversuch unterzogen. Dabei sei das Boot auf den Tragflächen schnell abgehoben und sofort in eine erstaunlich stabile Flugphase übergegangen, kommentiert Müller. Er bezeichnet die Tests als äußerst erfolgreich. Das Kohlefaserrigg ist ebenfalls schon fertig gebaut und liegt zum Stellen bereit. Die ersten Tests unter Segeln werden also möglicherweise schon in den kommenden Wochen stattfinden können. Auf die ersten Erfahrungen darf man jedenfalls gespannt sein.