“Container” von 1991Das zweite Leben einer legendären deutschen Siegeryacht

Fridtjof Gunkel

 · 21.12.2025

Dicke Welle. Die IOR-Boote sind typische Verdränger – und bei Wind schwer zu kontrollieren.
Foto: YACHT/M. Amme

Von Profis gesegelt, war sie eine der erfolgreichsten deutschen Yachten. Heute kann jeder auf der ehemaligen „Container“ an Rad oder Winsch drehen. Möglich macht dies der Mediterranean Yacht Club.

​”Container“ – assoziativ kein schöner Bootsname, aber einer mit Donnerhall in der internationalen Hochseesegelei. Immer noch. Die Yachten des Unternehmers Udo Schütz aus Selters im Westerwald stehen für Erfolg und Professionalismus auf der Regattabahn wie früher auch die verschiedenen Renner namens „Rubin“ des Hamburgers Hans-Otto Schümann oder „Pinta“ der Illbruck-Familie aus Leverkusen. Allen drei Rennställen gemeinsam war neben großen Erfolgen die Liebe zum Segeln und mehr noch die Liebe zur Technologie, die Auseinandersetzung mit dem Regatta­sport bis weit in jedes Detail hinein.


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Schütz, ein jenseits der Milliarde um­setzender Produzent von Chemiebehältern und Werkstoffen für die Luft- und Raumfahrt, hatte 1983 zusammen mit Willi Illbruck die ersten Racer aus Wabenverbund hergestellt, und zwar im eigenen Betrieb mit einem Sandwichkernmaterial aus harz­getränkter Papierwabe. Der leichte Kern fungiert dabei als Distanzhalter zwischen den äußeren Laminatlagen, was die Festigkeit mit steigender Dicke exponentiell nach oben treibt wie das Prinzip des Doppel-T-Trä­gers. Die zudem unter Hitze und Va­kuum über einem Stahlkern verdichteten Yachten entstanden zu einer Zeit, als Alu­minium noch hoffähig für Regattaschiffe war, Kunststoff als lediglich für den Serienbau geeignet galt – eine Revolution, eine, die den heutigen modernen Yachtbau einleitete und den Admiral’s Cup 1983 gewinnen half. Wenn auch für Selfmade-Mann Schütz nicht wie in erhofft-geplanter Weise.

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„Container“ wird zu Technologie- und Versuchsträger

„Pinta“ und „Container“ erwiesen sich zwar als die schnellsten Boote, aber ausgerechnet Letzterem fehlten in der deutschen Ausscheidungsserie die Punkte. In der Serie, die Regatten vor Kiel und Helgoland umfasste, sollte das Team aus drei Booten ermittelt werden, das Deutschland im Cup zu vertreten die Ehre gebührte. Zum einen konnte „Container“ bei einer Wettfahrt nicht starten, da jemand das Großsegel gestohlen hatte. Zum anderen gab es einen schwerwiegenden Taktikfehler auf der Nordseewoche bei Rund Helgoland, als der einzige Segelprofi auf dem Boot in Führung liegend die Deckung verlassen und in den langen Windschatten des Felsens halsen ließ.

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„Pinta“ gewann die Serie, die zwei Jahre alte revolutionäre ehemalige „Düsselboot“ fuhr unter ihrem neuen Namen „Outsider“ mit starker Leistung ins Team, und als Dritte konnte sich die „Sabina“ empfehlen – aus­gerechnet ein noch älteres Aluminiumboot. Schütz hatte die Technologie geliefert und die „Pinta“ auch als Sparringspartner gefördert – allein der Lohn der vielen Arbeit blieb dem ehemaligen Porsche-Werksfahrer verwehrt.

Aber seine „Container“ diente als Technologie- und Versuchsträger, das Waben­material wurde immer weiter entwickelt und kam in allen späteren Yachten dieses Namens zum Einsatz. 1984 in einem noch leichteren Schwesterschiff, das den Sardinia Cup gewann – wieder mit „Pinta“ im Team und einem Nahezu-Schwesterschiff, der toppgetakelten „Rubin“, der Nummer 7. Es waren ruhmreiche Jahre für den deutschen Hochsee-Regattasport, die auch das Konstruktionsbüro Judel/Vrolijk & Co groß und bekannt machten, das heute in vielen Segmenten weltweit führend ist.

Überraschender Sieg der deutschen “Container”

Unter dem Namen, nein, dem Gütesiegel namens „Container“ folgten kleinere Eintonner und zwei 50-Fußer, die ebenso nach der jahrelang eingesetzten International Offshore Rule konstruiert worden waren. Aber bis zum bereits 1983 angepeilten Sieg im Admiral’s Cup, der inoffiziellen Meisterschaft der Hochseesegler, sollten zehn Jahre vergehen. Mit „Pinta“, „Rubin“ und nun auch „Container“ stellten die großen drei 1993 das Team. Favorisiert waren die Italiener, die den Professionalismus bereits auf das heutige Niveau getrieben hatten. Trainierte und gut bezahlte Spitzensegler reisten mit bestpräpariertem Material und eigenem Koch in Cowes an. Weitere Favoriten waren die Franzosen, die im Vorjahr mit eigentlich unter­legenem Bootsmaterial aufgrund brillanter und extrem kleinräumiger Wettervorher­sagen hatten gewinnen können.

Es kam anders. Der italienische 50-Fußer „Mandrake“ zerlegte sich und seinen wegeberechtigten Kontrahenten irreparabel, und der Ausnahme-Zweitonner „La Rouge“ verlor sein Rigg beim abschließenden Fastnet-Rennen. Deutschland konnte den Cup überraschend gewinnen, mit dem knappsten Vorsprung der Cup-Geschichte von 0,25 Punkten bei 279,13 Gesamtzählern. Schütz hatte es endlich geschafft und setzte mit Siegen im internationalen Zirkus der 50-Fußer weitere Glanzlichter.

Danach beendete er seine Laufbahn, behielt aber sein letztes Boot in der Firma, die es im Mittelmeer für Ausfahrten mit Geschäftspartnern weiter nutzte. Nach Comebacks mit Yachten vom Typ STP 65 und TP 52 stand das vermutlich besterhaltene IOR-Boot seiner Ära zum Verkauf und ging an den 2012 gegründeten Mediterranean Yacht Club (MYC).

Mediterranean Yacht Club (MYC) sorgt für “Container”

Und der ist ein Kuriosum. Eine Handvoll deutscher Segler, von denen viele in der Wassersportbranche arbeiten wie beispielsweise die ehemaligen „Container“-Segler Sven Hadler oder Guido Bastek, suchten ein Boot, um auch im Winter Spaß haben zu können, und gründeten kurzerhand den MYC – auch um, wie Hadler sagt, „dieses seglerische Kulturgut“ zu erhalten. Der Verein ist im Landessportverband Schleswig-Holstein registriert, zählt mittlerweile mehr als hundert Mit­glieder und hat sich stark internationalisiert. Aus Deutsch­land, Spanien, der Schweiz und Österreich kommen sie, auch aus Schweden, Polen, Holland und Liechtenstein. Mallorca ist eben von überall aus in Europa gut und günstig zu erreichen, das stärkt und nährt den MYC. Ihm gebührt das Verdienst, „Container“ von 1991 erhalten zu haben. Die Mitglieder pflegen das Boot mit etwas profes­sioneller Hilfe selbst und nutzen es für ihr Ziel „der Förderung des Segelsports als Freizeit- und Leistungssport“.

Der Club nimmt an der Winterserie des Club de Vela Puerto de Andratx teil, aber auch an internationalen Events wie der Palmavela oder den Voiles de St. Tropez. Wer sich zuerst anmeldet, ist dabei, zahlt zusätzlich zu seinem Jahresbeitrag von 250 Euro noch 15 Euro am Tag – und segelt für dieses recht kleine Geld einen zwar betagten, aber legendären Cupper, der sich obendrein in einem recht ordentlichen Zustand befindet, wie der Bordbesuch zeigt.

Club hat junges Durchschnittsalter mit hohem Frauenanteil

Die Zeit ist jedoch spürbar weitergegangen. Das Heck ist schmal mit der typischen Vermessungshacke an der achteren Gurt­station. Es gibt nur ein (nachträglich gegen die Pinnensteuerung getauschtes) Rad, das durch einen Graben im Cockpitboden läuft. Das Cockpit ist riesig, verfügt weder über Süll noch Bänke, aber reichlich Winschen. Und dann erst die Takelage: neutral stehende, eben nicht gepfeilte Salinge und doppelte Backstagen stützen ein filigranes 7/8-Rigg mit Jumpstag und stark verjüngtem Toppteil. Die Wanten sind innen an Deck angeschlagen. Insgesamt eine Geometrie, die auf maximale Möglichkeiten beim Segeltrimm und überlappende Vorsegel abgestellt ist, Markenzeichen der IOR-Ära.

Die Crew trödelt langsam ein, scherzt, klönt. Zwei legen die Schoten aus, andere stauen Vorsegel um und suchen die Genua IV. Keiner fühlt sich so wirklich zum Delegieren berufen. Die Stimmung ist entspannt, es geht ja auch um nichts, nur um eine kleine Ausfahrt. Das Durchschnittsalter im gesamten Club ist mit etwa 40 nicht überaltert, der Frauenanteil hoch.

Das ältere Trainings-Großsegel ist nicht an Bord, eine freiwillige Delegation fährt zum Container der „Container“, der am Wegesrand auf einem Feld geparkt ist und dort Werkzeug, Ersatzteile und noch mehr von der reichhaltigen Garderobe aufnimmt. Ein Mangel an Segeln herrscht nicht: Drei Großsegel, neun Genuas, zwei Focks, Spi­stagsegel und Gennaker sowie elf Spinnaker haben sie, da kann man schon mal durch­einander kommen und viel Zeit mit dem Suchen verbringen.

Und wie das dann so ist: Die ersten Mitsegler verdrücken sich schon wieder in die Hafenkneipe, man sieht’s gelassen oder versucht’s. Vereinsvorstand Hans-Ulrich Heisler gibt sich entspannt, „ist halt so, und wozu sich aufregen, wir sind alle zum Spaß hier“. Ernst werde es nur bei der Sicherheit, so der Yachthändler weiter, und wenn es um Schäden, sprich Kosten geht. In dem Zusammenhang und angesichts des zarten, in der Halse bei Starkwind höchst fehleranfälligen Riggs in Kombination mit dem heterogenen Ausbildungsstand der verschiedenen Mit­segler wundere er sich allerdings, dass der Mast schon nicht längst von oben gekommen sei.

Segeln auf “Container” soll in erster Linie Spaß bringen

Irgendwann geht’s dann auch los. Die „MYC One“ schiebt eine fulminante Verdrängerwelle mit weißem Kamm auf die azurblaue See vor Andratx. Alles funktioniert, die Winschen klackern gepflegt leise, die Blöcke drehen lautlos, das Rad überträgt schlupffrei die Steuerbefehle. Das Boot funktioniert, ohne dabei einen überpflegten Eindruck zu hinterlassen.

Die Crew hat ihren Spaß, muss sich aber sortieren, wer was macht und wann wo sitzt. Es läuft nicht wirklich rund, muss es auch nicht. Schließlich ist das Niveau sehr unterschiedlich, der Club hat sich auch die Ausbildung zum Ziel gesetzt. Neue Mitsegler werden von der Stammcrew angelernt. Oder wie es die Mitseglerin Jutta Birfelder, Hochzeitsplanerin aus Mallorca, am Rad stehend formuliert: „Das ist ja auch keine Kaderschmiede hier.“

Aber ein Club, dessen Konzept offenbar aufgeht und der seinen Bootspark sogar weiter ausbaut. Mittlerweile gehören drei Laser-Jollen dazu, die in Arenal liegen, sowie immerhin eine Sun Odyssey 45 und eine Dufour 355 im Real Club Nautico in Palma de Mallorca – eine kleine, schicke Flotte für jeden Geschmack. Aber das Flaggschiff bleibt die „MYC One“, die wie ein großer Daysailer genutzt wird – und auch nicht zu viel mehr taugt. Für Langstrecken würde es ideal funktionieren, aber als Übernachtungsmöglichkeit im Hafen gelingt das nur mit sehr sportlicher Attitüde. Das Schiffsinnere ist originalgetreu erhalten, sprich, nach den Wohnlichkeitsvorschriften der International Off­shore Rule ausgestattet. Wobei wohnlich bedeutet: Kojen (der Krängung anpassbare Rohrgestelle), Pantry (Kohlebrett mit Kocher und Plastikschüssel), Toilette (frei stehendes Chemie-WC, mittlerweile mit Vorhang).

Der Innenraum ist offen, er hat keine Schotten, nur dünne Ringspanten, hohe Stringer, eine kräftige Bodengruppe. Diverse Trimmleinen sind unter Deck nach achtern geleitet und treten in Griffweite des Großschottrimmers wieder aus dem Deck. Die Antriebswellen der Grinder surren unter dem Cockpitboden. Das Schiff scheint gesund. Nichts knackt oder knirscht.

Wie damals in den glorreichen Zeiten, in die man dank des Mediterranean Yacht Club wieder eintauchen kann. Noch nie war es so einfach und so günstig, auf einem Cupper zu segeln – und noch dazu auf einer legendären deutschen Siegeryacht.

Technische Daten der Generationen im Vergleich

“Container” 1991

yacht/container-alt_d9476484631fa28909d428a77e640211Foto: YACHT/N. Campe
  • ​Typ: IOR-50-Fußer
  • Werft: Schütz-Werke
  • Konstruktion: Judel/Vrolijk & Co
  • Rumpflänge: 15,15 m
  • Breite: 4,57 m
  • Tiefgang: 2,91 m
  • Gewicht: 12,5 t
  • Großsegel: 90 m²
  • Vorsegel: 77 m²
  • Spinnaker: 165 m²
  • GPH: 546 sec/nm
  • Segeltragezahl: 5,57
  • Rigg: Vier Salinge, doppelte Backstagen, Jumpstag

“Container” 2011

yacht/container-neu_68291a49d7630766446dd3fc29207315Foto: YACHT/N. Campe
  • Typ: TP 52
  • Werft: Knierim
  • Konstruktion: Judel/Vrolijk & Co
  • Rumpflänge: 15,85 m
  • Breite: 4,30 m
  • Tiefgang: 3,35 m
  • Gewicht: 7,3 t
  • Großsegel: 93 m²
  • Fock: 65 m²
  • Gennaker: 260 m²
  • GPH: 451 sec/nm
  • Segeltragezahl: 6,48
  • Rigg: Drei Salinge, doppelte Achterstagen

Der Artikel erschien erstmalig 2017 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.

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