ReportageZu Gast beim ersten Catboot-Treffen an der Schlei

Christian Irrgang

 · 12.10.2024

Die Flotte der knuffigen Boote vor der Schleswiger Stadtkulisse mit Dom und Yachthafen
Foto: YACHT/Christian Irrgang
Ein Catboot ist simpel zu segeln, leicht zu transportieren und hat reichlich Platz. Für ihre Eigner sind sie daher die idealen Segelboote. Wir haben ihr Treffen an der Schlei besucht

Schuld ist eigentlich die YACHT, genauer gesagt ihr damaliger Herausgeber, der Journalist und Filmemacher Horst Stern. Im Jahr 1969 berichtete das Magazin erstmals von dessen Plan, einen einfach zu bedienenden Kleinkreuzer auf den deutschen Markt zu bringen. Das Boot sollte als Kielschwerter auch für flache Gewässer geeignet sein und genügend Platz und Komfort für eine kleine Besatzung bieten.

Gerhard Gilgenast bekam den Auftrag, den Riss zu zeichnen. Der Designer hatte eine Zeit lang an der amerikanischen Ostküste gearbeitet und war deshalb mit den dort verbreiteten Catbooten vertraut. In Deutschland war dieser Typ damals weitgehend unbekannt, aber mit dem einfachen Rigg entsprach er ziemlich genau den Vorstellungen von Horst Stern. Eine Schot, ein Segel, so lautete die Regel, und so lautet sie bis heute.

In der Saison 1970 wurden die ersten Boote aufs Wasser gesetzt, und so begann die Geschichte der „Seezunge“. Zwei Größen wurden entworfen, mit Rümpflängen von 5,40 und 7,10 Meter und Breiten von 2,50 und 3,15 Meter. Auf der Suche nach einem Namen fiel den Konstrukteuren die Ähnlichkeit des Grundrisses mit einem Plattfisch auf, und so kamen sie auf „Seezunge“. Tatsächlich recht naheliegend bei einem Längen-Breitenverhältnis von annähernd 2:1. „Kurz und gut“ wäre auch passend gewesen. Einen Entwurf dieses Namens hatte es tatsächlich einmal gegeben, Anfang des Jahrhunderts. Niemand weiß jedoch, ob der jemals realisiert wurde.

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Kollektion von Superlativen

Nichts zu tun hat ein Catboot übrigens mit Katamaranen, die gelegentlich auch als Cats bezeichnet werden. Erste Boote mit Cat-Rigg gab es in Deutschland bereits in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts und sie waren wohl damals schon recht beliebt. Nur eben nicht sehr verbreitet. Daran hat sich bis heute nicht allzu viel geändert. Kaum mehr als 100 Boote dieses Typs segeln in Deutschland. Und so ist es eine eingeschworene Clique von Liebhabern, die sich an einem Wochenende im August in Fahrdorf an der Schlei trifft. Zwölf Boote dümpeln vor der Kulisse des Schleswiger Doms am Steg. Jedes ein kleines Schmuckstück, liebevoll gepflegt, wenn nicht sogar vom Eigner selbst gebaut.

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So etwa die „Mósí“, ein Great Southbay Cat, aus feinsten Hölzern gebaut vom Eigner Jannik Lukat, einem jungen Bootsbaumeister aus Glückstadt. Ein offenes Boot, das hier auch deshalb auffällt, weil es länger und schmaler ist als die anderen typischen Catboote, die sich in seinem Hochglanzlack spiegeln.

Eine Kollektion von Superlativen ist hier versammelt. Der Teilnehmer mit der weitesten Anreise kommt aus Holland, heißt Theo Nieuwenhuizen und hat seine „Pleione“ 700 Kilometer aus Burgh in Zeeland hierher getrailert. Der älteste Teilnehmer, Gerhard Reck, ist 89 Jahre alt, kommt mit „Mariecula“ aus Berlin und sitzt heute mit seinem Sohn Kai-Christian in einem Boot. Das kleinste Boot ist ein Cornish Cormorant, die „Sputnik“, offen und nur 3,73 Meter lang. Und selbstverständlich gibt es auch ein ältestes Boot. Sage und schreibe 102 Jahre ist der (sic!) „Krümel“ alt, gebaut 1922 bei Abeking & Rasmussen in Lemwerder. Muss erwähnt werden, dass dem Oldtimer sein Alter nicht anzusehen ist?

Namen “Catboot” kann keiner erklären

Ein baugleicher Vorläufer mit der Baunummer 401 wurde 1915 getestet – und auch das in der YACHT. Unter der Überschrift „Des kleinen Mannes Yacht im nationalen Geschmack der Völker“ wurden damals fünf Boote vorgestellt, und die 401 konnte trotz ihrer sehr kompakten Abmessungen durchaus gefallen. So wurde lobend herausgestellt, dass die Kajüte bei einer Bootslänge von 4,50 m und einer Breite von 2,00 m „in der Tat zwei jungen Leuten einen nicht unbequemen Aufenthaltsort, insbesondere zum Schlafen und Kochen“ bietet. Sehr beeindruckt zeigten sich die Tester auch von der guten Geschwindigkeit, das hatten sie nicht vermutet.

Baugleich, wie gesagt, „Krümel“ mit der Baunummer 1501. An Bord sitzen Eigner Rasmus Braun und Freund Peter im kleinen Cockpit. Auf dem Kopf tragen sie Wollmützen in Form schwarzer Wikingerhelme mit weißen Hörnern. Ein weißer Rauschebart reicht Rasmus bis über die Brust. Und im Gespräch mit ihm fällt dann irgendwann der Satz, der alles auf den Punkt bringt: „Catbootsegeln ist auch ein Way Of Life“. So muss es wohl sein.

Woher der Name Catboot kommt, kann übrigens keiner so genau erklären. Manche sagen, es sei der kurze, gedrungene Rumpf, der an eine geduckte Katze erinnern würde. Vielleicht auch die schnelle Wendigkeit der kleinen Boote, aber so richtig überzeugend klingt das alles nicht. Wie dem auch sei, es handelt sich um eine Gattung, die als gemeinsames Merkmal den weit vorn am Bug stehenden, oft unverstagten Mast aufweist, an dem ein einzelnes Segel, meistens an einer Steilgaffel, gefahren wird. An den Küsten Neuenglands wurden sie als Arbeits-und Fischerboote benutzt, geschätzt wegen ihrer großen Breite, die eine hohe Zuladung ermöglichte.

Und nun kommt zum dritten Mal die YACHT ins Spiel. Denn 1992 gab es einen Konstruktions-Wettbewerb, initiiert vom damaligen Chefredakteur Harald Schwarzlose. Dem war ein Brief vom Hamburger Yachthafen in Wedel auf den Schreibtisch geflattert. Darin stand, dass alle Wedeler Mitglieder das Recht hätten, „für ihren Vereinsbeitrag einen Wasserliegeplatz für ein Segelboot bis acht Quadratmeter Schiffsfläche unentgeltlich zu nutzen“. Ein Platz am Steg zum Nulltarif, das war schon damals so etwas wie ein Lottogewinn. 20 Konstrukteure im In-und Ausland nahmen im Auftrag der Redaktion die Herausforderung an, so einen Winzling, der ja noch dazu zwei Kojen unter Deck bieten sollte, zu entwerfen.

Auch Schwarzlose selbst beteiligte sich und reichte einen Entwurf ein. „Pixel“ nannte er das Bötchen. In Rot und Weiß lackiert sah es ganz genau so aus, wie es heute, über 30 Jahre später, hier am Steg liegt. Und auf dem steht Harald Schwarzlose, 86 Jahre alt inzwischen, und man sieht ihm an, wie sehr er sich freut, als er „seinem“ Bötchen noch einmal aufs Deck steigt, um mit Günther Hallitschke, dem neuen Eigner, zu fachsimpeln.

Wetter ist so, wie es soll

Nach einer kurzen Steuermannsbesprechung werden um 10.00 Uhr die Festmacher losgeworfen und alle Boote gehen auf die Reise. Draußen auf der Schlei weht inzwischen ein mäßiger Südwind, genug, um die kleine Flotte voranzutreiben. Ein paar Ups and Downs vor der prächtigen Kulisse des Schleswiger Doms, dann zeigt das Führungsboot, die „Pleione“ von Theo, die rote Flagge. Was das bedeutet, hatte er vorhin erklärt. Admiralssegeln, eine alte niederländische Tradition.

Alle Boote reihen sich in Kiellinie hintereinander, was bei dem halben Wind problemlos klappt. Wenn dann die weiße Flagge hochgeht, fahren alle eine Drehung um 90 Grad nach Steuerbord, was bei diesem Wind einen Aufschießer bedeutet. Danach ist die Ordnung dahin, aber das macht überhaupt nichts. Früher oder später sind sie alle fest am Anleger vor der Jugendherberge in Borgwedel, wo schon die Würstchen auf dem Grill dampfen. Peter Plate ist hochzufrieden. Er hat das hier alles organisiert und auf die Beine gestellt. Das erste Treffen dieser Art in Deutschland.

Die größte Freude, wie das immer so ist bei Seglern, macht ihm das Wetter. Noch gestern war der Himmel grau, der Südwestwind so stark, dass an der geplanten Ausfahrt nur einige mutige Catbootsegler teilnahmen. Doch heute ist alles so, wie es sein soll. So schön und warm ist es, dass Henning Schild und Tochter Ida zur Abkühlung erst mal ins Wasser springen. Sie kommen aus Nordfriesland, segeln ihre „Fjordsang“ meistens im Wattenmeer. Auch dieses Boot ist auffällig anders als die anderen. Es ist ein Norwalk Island Sharpie, entworfen von Bruce Kirby, dem wir unter anderem die Laser-Jolle zu verdanken haben. Mit dem Sharpie-Entwurf beteiligte auch er sich am YACHT-Wettbewerb von 1992. Wichtigstes Merkmal der Sharpies ist der schmalere, scharfe (engl. sharp) Rumpf, in Knickspantbauweise aus Sperrholz hergestellt. Außerdem sind sie hochgetakelt, jedenfalls die von Kirby.

Schon ein bisschen Arbeit bei Wind

Auf dem Rückweg weht der Wind merklich frischer. Vor allem fegen nun kräftige Böen übers Wasser. Frank Telwest sitzt am Ruder seiner „Fortuna“ und wechselt lieber von Lee nach Luv, denn an der Pinne zu ziehen ist einfacher, als sie zu drücken. Auch die „Clambake“ dreht in den Drückern ein paarmal deutlich mit der Nase in den Wind. Von Sonnenschuss zu sprechen, wäre übertrieben, aber was Eigner Timm Lange da machen muss, um sein Boot auf Kurs zu halten, sieht schon ein bisschen nach Arbeit aus. Clambake, das hatte Lange vorhin erklärt, ist der in Neuengland gebräuchliche Ausdruck für ein Strandpicknick mit Clams, also Seafood, Muscheln und Krebsen. Er hat eine Weile dort drüben gelebt.

Jetzt wohnt er in Hamburg und segelt meistens auf der Elbe. Da muss er hin und wieder schon mal einen Motor zu Hilfe nehmen. Manche Catboote fahren einen Einbaudiesel, einige haben einen Außenborder am Heck, aber Lange hat seinen Außenborder in einem Schacht hinten im Cockpit versteckt. Deckel drauf, man sieht ihn gar nicht. Zum Gasgeben benutzt er einen Gasgriff vom Motorrad, den er provisorisch auf einen Besenstiel montiert hat. Vor vielen Jahren schon. Nichts ist ja bekanntlich dauerhafter als ein Provisorium.

Kurz vor dem gemeinsamen Abendessen taucht noch ein Gaffelsegel in der Hafeneinfahrt auf. Die „Regula“, eine Ketsch, Typ Thales 22, mit ihren zwei Masten der Exot der Flotte. Wolfgang Friedhelm hat es nicht rechtzeitig zum Beginn des Treffens geschafft, er war noch auf Urlaubstörn in Dänemark. Gestern früh ist er in Marstal aufgebrochen und trotz der widrigen Umstände – starker Südwest – bis Schleimünde und heute dann hierher gesegelt. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Und dabei sein ist schließlich alles.


Kurz und gut

Das Catboot entstand Mitte des 19. Jahrhunderts an der US-amerikanischen Ostküste. Die Boote wurden dort als einfach zu bedienende Arbeitsfahrzeuge in der Kleinfischerei, aufgrund ihrer verhältnismäßig großen Zuladung aber auch als Transportfahrzeuge an den Küsten Neuenglands eingesetzt. Bald schon entdeckten Sportsegler dieser Regionen den simpel zu segelnden Bootstyp zu schätzen, der auch von kleinen Bootsbauereien angefertigt werden konnte und in dem Ruf stand, äußerst seetüchtig zu sein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Catboot als Arbeitsfahrzeug seine Bedeutung verloren. Als Freizeitboot aber war es weiterhin beliebt. Nachdem 1962 das erste Exemplar aus GfK entstand, erlebte das Catboot in den USA einen regelrechten Boom, der auch wieder zu vermehrten Bauten aus Holz führte. Eine Spurensuche in Deutschland führt zu ersten Berichten über Catboote im Jahr 1880. Damals war der Typ bereits auf allen Berliner Gewässern als Boot zum Wasserwandern bekannt. Nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigten sich nahezu alle namhaften Werften und Konstrukteure mit dem Bootstyp “Catboot” und seit 1969 entstand die von der YACHT initiierte und von Georg Gilgenast konstruierte Seezunge.

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