Milan 22Daysailer, Kleinkreuzer, Wanderjolle – Vielseitigkeitswunder im Test

Nils Leiterholt

 · 02.02.2025

Segelspaß statt Winterblues Trotz der niedrigen Temperaturen Ende November auf der Außenalster machte das Segeln mit dem neuen Schiff aus Ostwestfalen durchaus Spaß. Obwohl es die ein oder andere knackige Böe zu parieren gab, zeigte sich das Boot recht gutmütig.
Foto: YACHT/B. Scheurer
Mit der vielseitigen Neuerscheinung Milan 22 beschreitet Neptun-Yachten neue Wege im Segment unter sieben Metern. Besonders auffällig ist dabei das riesige Cockpit.

Ein kalter, sonniger Tag auf der Hamburger Außenalster. Am Ende der Steganlage liegt noch ein einziges Boot. Die Milan 22 ist Ende November auf dem Stadtgewässer das letzte im Wasser verbliebene Schiff. Sicherlich ist der Daysailer für andere Jahreszeiten konzipiert, dennoch macht er im Test eine gute Figur.

Das neue Boot wird von der Werft Neptun-Yachten in Ostwestfalen gebaut. Der Betrieb hat gerade sein 60-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. Anders als vergleichbare Hersteller blieb die Werft kleinen Formaten treu und setzt bis heute auf Jollen- und Kleinkreuzer. Ein Erfolgsschlager war in den 70er Jahren die Neptun 22 mit Hubdach, die einst zur meistverkauften Yacht Europas avancierte.

Und nun die neue Milan 22. Die macht am Steg zunächst noch einen leicht kippligen Eindruck, wovon unter Segel nichts aber mehr zu spüren ist. Auch Böen, die an diesem Tag mit bis zu 17 Knoten durch das spätherbstliche Hamburg wehen, nimmt die Milan mit einer souveränen Ruhe. Einen großen Anteil daran hat die Ballastbombe am Hubkiel, die knapp 19 Prozent der Verdrängung von 798 Kilogramm ausmacht. Das Schiff legt sich aufgrund des rundlichen Spants anfangs zwar relativ schnell auf die Seite, ab 15 bis 20 Grad Lage begrenzt der Ballast allerdings weitere Krängung.

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Milan 22: Neben Daysailing und Wandersegeln auch für Segelschulen

Mit dem ausgefahrenen Kiel kommt das Boot auf einen Tiefgang von 1,10 Meter, für den Transport auf dem Trailer wird die Flosse mit dem Seilzug einer mobilen Vorrichtung hochgekurbelt. Pascal Ernst, der Konstrukteur und Geschäftsführer von Neptun-Yachten, arbeitet mit seinem Team gerade an einer Kiel-Konstruktion mit weniger Tiefgang. „Wir sind an dem Punkt noch in der Planungsphase, wissen aber, dass viele potenzielle Kunden von uns im Flachwasserrevier segeln“, erklärt er. Daher entwickeln sie gerade eine Kiel-Version mit dem Ziel, den Tiefgang auf 65 bis 70 Zentimeter verringern zu können.

Neben dem Einsatz in Segelschulen sehen die Macher der Milan Daysailing auf Binnenrevieren und Wandersegeln als Kernkompetenz ihrer Schöpfung. Aber auch in Küstennähe sollen in der Zukunft Schiffe unterwegs sein.

Henry Jacobs aus Hamburg, der die Milan 22 mit entwickelt hat und auch federführend vertreibt, beschreibt die Zielgruppe: „Im Grunde ist es ein Boot für jedermann. Sie passt sowohl auf die ganzen Binnenreviere, kann aber auch problemlos von einer Familie auf dem Trailer mit in den Urlaub genommen werden.“

Zum Wandersegeln gibt es eine 2,50 Meter lange Schlupfkabine, die nach der Heraus nah me des zweigeteilten Schotts bestiegen werden kann. In Schulterhöhe ist sie 69 Zentimeter hoch und 1,44 Meter breit, die Maststütze teilt die potenzielle Liegefläche allerdings noch. Nach vorne läuft die Schlupfkoje bis zum Steven spitz zu. Am Bug ist sie dann noch 22 Zentimeter breit und 45 Zentimeter hoch.

Zwölf Einheiten sind schon verkauft

„Wir wollen in Zukunft auch Polster anbieten, um das Schlafen in der Schlupfkoje komfortabler zu machen“, so Ernst. Damit das Übernachten unter Deck angenehmer wird, gibt es außerdem die Option auf ein Luk im Vordeck. Diese würde das Vorschiff belüften und kann als Möglichkeit dienen, den Gennaker zu bergen.

Grundsätzlich ist es somit denkbar, regelmäßig auf der Milan 22 zu schlafen. Dafür ist die Anschaffung eines Cockpit -Zeltes ratsam, damit die Taschen über Nacht im Trockenen stehen. Für Staugut, zwei Personen und gegebenenfalls eine Kühlbox ist der Platz in der Schlupfkajüte zu eng. Unter Deck ist dennoch ein Staufach vorhanden. Mit seiner Länge von 1,02 Meter, der Breite von 63 Zentimeter und der Tiefe von 31 Zentimeter wäre das Fach ideal, um als Stauraum für Batterien zu fungieren. Ein elektrischer Pod -Antrieb von ePropulsion steht ebenfalls auf der Optionenliste. „Wir entwickeln gerade noch eine mechanische Vorrichtung, mit der sich der Antrieb wegklappen lassen soll“, sagt Pascal Ernst. Demnach seien sie in der Endphase der Entwicklung, das System soll auch in anderen Booten der Werft zum Einsatz kommen. „Wir haben aber auch schon eine Milan 22 mit einem Pod -Antrieb ausgeliefert, der sich nicht aufholen lässt. Dem Kunden ist die Rekuperation wichtiger“, erläutert Ernst weiter.

„Uns ist wichtig, dass das Boot nach den Vorstellungen unserer Kunden gestaltet werden kann“, kommentiert Henry Jacobs über die Möglichkeiten, das Schiff zu individualisieren. Das Gelcoat kann beispielsweise in einer beliebigen RAL -Farbe bestellt werden. „Wir können im Betrieb auf eine eigene Mischanlage für Gel coats zurückgreifen“, so Ernst. Außerdem unterstreicht er: „Wir verwenden ISO/NPG -Gelcoat, deshalb haben wir auch keine Probleme mit Osmose. Außerdem benutzen wir für wirklich alle Lagen hochwertiges ISO/NPG -Harz. Deswegen ist keine wasserdichte Beschichtung mit Epoxyprimer unter dem Antifouling nötig.“

In Zukunft wird die Milan 22 dann vollständig in Deutschland produziert. Momentan erfolgen die GFK -Arbeiten noch in Polen, dort hatte Neptun -Yachten im Jahr 2020 Deltania Yachts samt der Produktionsstätte gekauft. „Im Januar werden wir die Form dann nach Ostwestfalen holen und die Milan vollständig in Deutschland produzieren“, erklärt Ernst. Die Endmontage erfolgt schon jetzt am Standort in Rheda Wiedenbrück.

Milan 22: Umfassendes Platzangebot im Cockpit

Der umtriebige Geschäftsführer und Konstrukteur erklärt die Vorgehensweise bei der seiner Arbeit : „Wir bauen jede neue Form einmal komplett aus Holz. Bei uns entstehen die Ideen zwar auch am Computer, aber dann wird auch das Ur -Modell aus MDF gebaut.“

Von der ersten Idee, die Milan 22 zu bauen, bis zur fertigen Baunummer eins habe es weniger als ein Jahr gedauert. „Wir haben alles so weit, dass wir 2,5 Boote pro Woche fertigen können“, so Ernst. Bis zum Saisonstart lassen sich also noch einige Aufträge realisieren.

„Wir merken an der guten Nachfrage, dass es einen Markt für diese Kategorie an Schiffen gibt“, erzählt Ernst von den positiven Reaktionen seiner ersten Interessenten. Weiter berichtet der Werftchef, dass er bereits zwölf Milans verkauft habe. Zur boot in Düsseldorf werden Ernst und Jacobs eine Milan 22 mit Gennakerbaum mitbringen.

Was den Besuchern auffallen wird, ist das umfassende Angebot an Sitzplätzen im Cockpit. Sechs Personen finden zwischen Niedergang und Pinne Platz. Die Sitzbänke sind jeweils 2,50 Meter (an der Vorderkante) beziehungsweise 2,72 Meter (an der Rückenlehne) lang. Während die Sitzmöglichkeit ohne Polster zwischen 38 und 42 Zentimeter tief ist, ist der Platz zum Sitzen mit Polstern in der Tiefe auf 33 bis 37 Zentimeter begrenzt. Die Rückenlehne ist 25 Zentimeter hoch und die Sitzhöhe beträgt 40 Zentimeter. Das sind Maße, die für Komfort stehen.

Fertigung aktuell in Polen

Direkt unter den mit Klettverschluss fixierten Polstern und der Sitzbank befinden sich jeweils zwei voluminöse Backskisten. Die hintere der beiden ist 1,11 Meter lang, 23,5 Zentimeter tief und 31 Zentimeter hoch, die vordere ist mit 1,09 Metern knapp zwei Zentimeter kürzer, 22 Zentimeter tief und 32 Zentimeter hoch.

Die Segel der Milan werden, so wie der Rumpf bislang auch, in Polen gefertigt. Im Grundpreis von 27.800 Euro enthalten sind dabei die Fock sowie ein Squaretop-Großsegel. Das quadratische Profil im Top bringt mehr Fläche und Effizienz und wird möglich, weil es kein Achterstag gibt. „Wir können statt dem Dacron-Segel aber auch Folientücher oder gar Kohlefaser-Segel liefern“, erklärt Henry Jacobs.

Auf dem getesteten Boot ist ein anderes Rigg montiert, als es in der Serienproduktion eingesetzt wird, künftig bauen Konstrukteur Pascal Ernst und sein Team auf Aluminium-Masten von Seldén. Auffällig im Test auf der Hamburger Außenalster: Trotz vieler Versuche, mehr Druck auf das Vorliek der Fock zu bekommen, hing das Vorstag zu sehr durch. Dieses Problem geht zulasten der Performance, sollte aber durch das neue, erwartet stabilere Profil des schwedischen Herstellers behoben werden.

Die Milan 22 überzeugt an vielen Stellen mit guten Design-Ideen

Ein weiteres Thema im Test: Das Ruder hat Spiel. Dieses war vor allem in den Wenden zu spüren, da die Milan hier zwischendurch etwas ruckelig zu lenken war. Dadurch ließen sich insbesondere die Manöver nicht sauber aussteuern. Aber auch dieses Problem sollte in den folgenden Booten behoben sein, Pascal Ernst erklärte dazu: „Es kann sein, dass das mit dem oberen Drehpunktlager zusammenhängt. Da haben wir bei der Endmontage gesehen, dass es ein klein wenig Spiel hatte. Ich werde mir das aber auf jeden Fall anschauen und das Problem ausmerzen.“

Nichts mehr zu tun hat er am Finish. Wer besonderen Wert auf die Verarbeitung legt, wird an vielen Ecken seine Freude haben. Die obere Hälfte des Schotts beispielsweise schließt über einen „Soft Close“. Wer das Schiff schließen will, muss also nicht händisch irgendeinen Mechanismus betätigen. Stattdessen wird das Schott mit etwas erhöhtem Kraftaufwand zugedrückt. Das sorgt für ein schönes Produkt-Erlebnis; insbesondere in der Kategorie der Daysailer unter sieben Meter haben solche Details Seltenheitswert.

Weiter legen die Macher der Milan 22 Wert darauf, dass ihre Kunden auch im Nachhinein das Schiff noch auf ihre Bedürfnisse anpassen können. Um beispielsweise elektrische Instrumente wie eine Logge verbauen und diese von der Position des Steuermannes gut ablesen zu können, wurde der Niedergang etwas abgewinkelt. Außerdem wird auch bei den Schiffen, die mit der simplen Großschot-Option bestellt werden, etwas Platz gelassen, um einen Traveller nachzurüsten zu können.

Wenn man bedenkt, dass es sich bei der Milan 22 um ein Schiff von nur 6,60 Metern Länge handelt, wirkt sie auf den Blick ziemlich teuer. Tatsächlich ist aber festzuhalten, dass auch die Konkurrenz in der letzten Zeit ihre Preise massiv angezogen hat. Die mit Anschaffungskosten von rund 14.000 Euro einst günstige Aira 22 ist um satte 10.000 Euro teurer geworden. Sie ist der Daysailer, welcher der Milan 22 mit Abstand am meisten ähnelt, und mit 24.700 Euro auch ein wenig günstiger zu bekommen. Die Pointer wurde gar mit 20.000 Euro beaufschlagt. Preissteigerungen dieser Höhe hängen nicht zuletzt mit den stark gestiegenen Energiekosten und größeren Aufwendungen für Rohmaterialien und Zubehör zusammen. Das haben Segelyachten dieser Größe und einfacher Ausrichtung nicht exklusiv, es betrifft die gesamte Werftbranche und macht Gebrauchtboote wieder interessanter.

Preis: So viel kostet die Milan 22

Die Kosten für eine Viko S 21 beispielsweise sind seit unserem Test vor acht Jahren um fast 10.000 Euro gestiegen. Damit hat sich der Preis fast verdoppelt. Auch für einen Polyvalk, der keinerlei Koje bietet, müssen Interessenten mittlerweile 21.500 Euro bezahlen.

Somit ist der Preis der Milan 22 zwar hoch, aber vergleichsweise fair, insbesondere für ein Boot aus hiesiger Produktion. Es gibt noch einige Kleinigkeiten, die die Entwickler bei den folgenden Booten der Serie beheben sollten, wie besagtes Spiel in der Ruderanlage oder den zu weichen Mast. Im Test haben sich aber keine grundsätzlichen Probleme aufgetan, die nicht behoben werden könnten.

Der neue Daysailer mag nichts für eingefleischte Regattasegler sein, aber richtet sich an eine weitaus größere Zielgruppe. Besonders für die vielen kleinen und großen Binnenreviere eignet sich die Milan 22 aufgrund ihrer Größe, einfachen Handhabung und wegen des variablen Tiefgangs ausgezeichnet. Für Segelschulen, Familien und als Einstieg in die Laufbahn als Yachtbesitzer bietet sich das Boot ebenfalls an. Schließlich kann das Schiff auch problemlos mit in den Urlaub getrailert werden. Etwa um küstennahe Reviere auf kurzen Törns zu erkunden.


Die Messwerte zum Test der Milan 22

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Die Milan 22 im Detail

Technische Daten

  • Konstrukteur: Pascal Ernst
  • CE-Entwurfskategorie: C
  • Rumpflänge: 6,60 m
  • Gesamtlänge m. Spriet: 7,60 m
  • Wasserlinienlänge: 6,43 m
  • Breite: 2,30 m
  • Tiefgang (Hubkiel): 1,10 m
  • Masthöhe über WL: 8,85 m
  • Theor. Rumpfgeschw.: 6,1 kn
  • Gewicht: 798 kg
  • Ballast/-anteil: 150 kg/19 %
  • Großsegel: 14,0 m²
  • Vorsegel: 8,0 m²
  • Gennaker: 28,0 m²
  • Innenraum Koje: 2,50 x 1,44 x 0,22 m

Rumpf- u. Decks­bauweise

Massivlaminat Handauflegeverfahren mit ISO/NPG-Harzen und -Gelcoat.

Verarbeitung

Das Finish sieht sehr gut aus, die Bauqualität überzeugt. Die Backskisten sind Innenschalen, so verschwindet Ausrüstung nicht zwischen Deck und Rumpf.

Layout

Das Cockpit ist sehr groß und mit optionalen Polstern superbequem. Mit der Vorschot auf dem Aufbau ist die Milan 22 jedoch nicht einhandtauglich.

Rigg

Der Mast scheint ohne Achterstag etwas weich, in Böen hängt das Vorliek zu stark durch. Künftig steht auf der Milan ein Seldénrigg.

Ausstattung und Preise

  • Grundpreis ab Werft: 27.800 €
  • Preis segelfertig*: 27.800 €
  • Garantie/gegen Osmose: 5/10 Jahre

Stand 01/2025, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Vertrieb

YACHT-Bewertung Milan 22

Die Milan 22 kommt ohne viele Trimmmöglichkeiten und Schnickschnack daher. Wer ein simples Boot sucht, mit dem man ohne Probleme unterwegs sein kann, sollte das Schiff in Erwägung ziehen.

Konstruktion und Konzept

Verschiedenste Einsatzzwecke

Auch für Familien geeignet

Robust und einsteigerfreundlich

Segelleistung und Trimm

Gutmütig auch in den Böen

Simples Segeln

Leichtes Spiel im Ruder

Wohnen und Ausbauqualität

Robuste Bauweise

Koje vorhanden

Schlupfkoje sehr eng

Ausrüstung und Technik

hochwertige Beschläge

Pod-Antrieb optional


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