Leisure 17Der Mini zur See im Gebrauchtboot-Test

Michael Rinck

 · 20.06.2024

Die Leisure 17 braucht Wind. Zum Test wehte es auf dem Ratzeburger See mit 12 bis 16 Knoten, ideale Bedingungen also
Foto: Yacht/Ben Scheurer
Vor fast schon 65 Jahren entstand die erste Leisure 17 in England, bis 1990 wurden unglaubliche 4500 Exemplare des Seezwerges verkauft. Gebrauchtboot-Test einer der kleinsten GFK-Kajütyachten überhaupt

Der aktuelle Mini-PkW ist für zwei Personen ein komfortables Auto, als Familienkutsche jedoch zu klein. Dagegen ist das Original allerdings ein Winzling, wurde aber als Fahrzeug für vier Erwachsene konzipiert. Die Ansprüche an Platz und Komfort haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verschoben, das zeigt sich im Bootsbau genauso. In diesem Vergleich ist die Leisure 17 der originale Mini.

Die Leisure 17 misst nur fünf Meter

Kaum zu glauben, dass dieses nur knapp über fünf Meter lange Schiffchen 1979 vom damaligen YACHT-Cheftester Michael Naujok als Boot für die junge Familie charakterisiert wurde. Beim Schritt an Bord muss man sich mit dem Mitsegler abstimmen, wer auf welcher Seite nach achtern geht; zwei Erwachsene auf einer Seite bringt die Leisure 17 in starke Schräglage. Auch der Aufenthalt zu zweit auf dem Vorschiff ist nicht empfehlenswert: Erstens ist es sehr eng, und zweitens taucht dann der Bugbeschlag schon fast ins Wasser. Die Seitendecks sind kaum breit genug, um darauf nach achtern zu gehen.

Alternativ führt der Weg ins Cockpit über den Aufbau. Dort angekommen, ist man sehr geschützt, der Heckkorb umschließt das gesamte selbstlenzende Cockpit und reicht bis an den Aufbau. Zwei Personen sitzen bequem, auf der gegenüberliegenden Ducht wäre auch noch Platz, allerdings würde es dann mit den Beinen in der Plicht eng. Vorn auf dem Brückendeck misst das Cockpit 1,50 Meter in der Breite und ist damit um wenige Zentimeter breiter als lang.

Das Testboot liegt am Ratzeburger See. Schon beim Ablegen zeigt sich der Vorteil des geringen Tiefgangs der Kimmkielversion. Mit lediglich 65 Zentimeter Tiefgang wird rückwärts aus der Box fast bis ins Schilf gesteuert, kein Problem. Der kleine Elektro­motor schiebt die leer 670 Kilogramm wiegende, mit Crew und Ausrüstung jedoch deutlich schwerere Leisure 17 vom Ufer weg auf den See.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Die Leisure 17 unter Segeln

Großsegel und Fock sind schnell gesetzt, mit dem sechs Meter hohen Mast muss nicht oft am Fall gezogen werden, bis die Tücher stehen. Der Mast ist toppgetakelt und wird von jeweils einem Paar Ober- und Unterwanten in der Senkrechten gehalten. Auf dem See weht verhältnismäßig viel Wind. Mit 12 Knoten und Böen bis 16 Knoten Wind haben wir es schon mit guten 4 Beaufort zu tun. Die Leisure setzt das dementsprechend auch in Bewegung um, mit halbem Wind geht es ­hinaus auf den See. Ein erster Blick zu den Trimmmöglichkeiten: Mehr Fallspannung wäre wünschenswert, die neben das Schiebeluk nachgerüsteten Klemmen rutschen jedoch etwas, die pragmatische Lösung des Eigners sind zwei Klampen dahinter, um die Fallen zusätzlich zu sichern.

Die Holepunkte können ebenfalls an das kleinere Vorsegel angepasst werden. Dies ist nicht bei jeder Leisure 17 möglich, unser Testboot hat aber Schienen. Der an Steuerbord fehlen vorn allerdings zehn Zentimeter: Zwei Schrauben waren lose, und die Schiene ist abgebrochen. Das Achterstag ist per Hahnepot am Heck befestigt und kann per Talje gespannt werden. Der Traveller fährt bei den Wenden selbstständig nach Lee, der Pinstop-Arretierung fehlt der Pin.


Weitere Winzlinge: die Konkurrenz der Leisure 17

Shrimper 19: Das kleinste Kajütboot der englischen Werft Cornish Crabbers ist im Stil eines ­klassischen Fischerbootes aus GFK gefertigt. Durch die kleine Kajüte wird es zu einem tourentauglichen Trailerboot
Foto: YACHT/Nils Theurer

Das ist aber kein Problem. Sobald wir die Uferzone hinter uns haben und die ersten Böen für Druck im Segel sorgen, zeigt das GPS schon knapp über fünf Knoten Speed over Ground – Rumpfgeschwindigkeit. Mittlerweile sind wir etwas abgefallen, der Wind fällt mit 110 Grad in die Segel. Zwischen den Böen pendelt das GPS zwischen 4,4 und 4,7 Knoten. Von der Pinne hat man einen guten Blick nach vorn.

Die Leisure fährt ordentlich geradeaus. Erstaunlich liest sich der YACHT-Test von 1979. Da ist am ersten Testtag von 6 Beaufort und Seegang die Rede, wobei auf raumen Kursen fast fünf Knoten erreicht wurden – ein beachtlich niedriger Wert für den vielen Wind. Unter diesen Bedingungen soll die Leisure 17 allerdings trotz Seegang am Wind 45 Grad zum wahren Wind gefahren sein – ein Wert, der sich im aktuellen Versuch ohne Seegang und mit moderaten Bedingungen nicht reproduzieren ließ. Nach einigen Wenden zeigte sich ein Winkel von 50 bis 55 Grad. Mehr ist vielleicht drin, dann bleibt das Boot aber schon fast stehen. Also lieber die paar Grad abfallen und das Boot laufen lassen. Dann standen 4,2 bis 4,5 Knoten auf dem GPS, schöne Werte für 4,27 Meter Wasserlinie.

In etwas kräftigeren Böen erhöhte sich der Ruderdruck merklich. Sobald die Scheuerleiste Richtung Wasseroberfläche wanderte und 25 Grad Lage erreicht waren, luvte das kleine Boot unkontrollierbar an. Gewichtstrimm machte sich stark bemerkbar. War es bei 12 Knoten Wind noch ohne Probleme möglich, von Lee zu steuern, mussten in den Böen beide Segler in Luv sitzen, um Lage und somit auch Ruderdruck im Übermaß zu vermeiden. Das Testurteil von vor 40 Jahren stimmt aber dennoch: Die Segeleigenschaften sind gutmütig und problemlos.

Mit der Leisure 17 über den Atlantik

Die Leisure 17 wurde von 1965 bis 1990 auf der englischen Werft Cobramold gebaut. Der YACHT-Test von 1979 vermeldet schon über 2600 produzierte Einheiten; bis 1990 wurden es bemerkenswerte 4500 Boote. Die meisten wurden mit gusseisernen Kimm­kielen ausgeliefert. Es gibt aber auch eine Zentralkielversion, mit einem Meter Tiefgang und zirka 30 Kilogramm mehr Ballast. Ab 1980 wurde das Design des Decks verändert. Die Leisure SL hat eckige Aufbaufenster und etwas mehr Platz unter Deck.

1967 segelte der Deutsche John Adam mit einer Leisure 17 von England nach Kuba. Die erfolgreiche Atlantiküberquerung begründete den Ruf der erstaunlichen Seegängigkeit des Winzlings. Die kubanischen Behörden jedoch trauten Adams Geschichte damals nicht und inhaftierten ihn erst einmal wegen Spionageverdachts. Niemand wollte glauben, dass er in diesem kleinen Boot die Überfahrt von Europa bewerkstelligt hatte – angesichts des für eine so weite Strecke doch sehr geringen Lebens- und Stauraums eine beachtliche Leistung.

Typische Schwachstellen der Leisure 17

Das Deck im Vorschiffsbereich kann mit der Zeit weich werden. Die Sanierung ist aufwändig, da die Innenschale im Weg ist. Deswegen wurde sie bei einigen Modellen entfernt. Allerdings ist auch noch keine Leisure wegen eines weichen Decks auseinander­gefallen. Das gleiche Problem kann auch am Mastfuß auftreten und wird dann durch Haarrisse sichtbar. Die Fenster der Bau­nummern vor 1980 sind nicht dicht, und die Pinne hat häufig Spiel in der Aufnahme des Ruderkokers, was beim Steuern stört.

Die Leisure 17 unter Deck

Durch den Niedergang geht es einen Schritt nach unten in den Wohn-, Schlaf-, Stau- und Kochbereich. Der alte Test bringt es in einem Satz auf den Punkt: „Von Steh­höhe kann man bei diesem Seezwerg nicht sprechen.“ Sitzen geht aber, und es darf nicht vergessen werden, dass die Leisure nur unwesentlich länger als ein Pirat ist. Dafür wurde der Platz unter Deck sehr gut genutzt. Durch die Fenster fällt viel Licht, und die Frontscheibe gewährleistet einen schönen Rundumblick. Boden, Sitzbänke beziehungsweise Kojen, Rückenlehnen und Himmel sind in die zwei Innenschalen ein­ge­formt. Bei unserem Testboot fehlte die Blende an der Deck-Rumpf-Verbindung, hier kommen auch obere und untere Innenschale zusammen. Damit konnte ein Blick in den Zwischenraum geworfen werden, dieser ist nicht ausgeschäumt.

Wenig Stauraum

Stauraum findet sich unter den Polstern. Werden die Deckel hochgeklappt, geben sie außerdem den Blick auf Verstärkungen und die Kielbolzen frei. Diese sind jedoch überlaminiert – wie es wirklich um sie steht, ist nicht herauszufinden. Eine praktische Ab­lage ist erreichbar, wenn das Rückenpolster hochgeklappt wird. Zudem bieten die Schlupfkojen unter den Cockpitduchten Platz für Segel. Prinzipiell gibt es Kojen für vier Personen, doch sogar der alte Test­bericht, in dem die Leisure als Fahrtenboot für junge Familien bezeichnet wird, rät von Törns mit vier Erwachsenen ab. Tatsächlich sind die Polster auch nur 185 Zentimeter lang und kaum 60 Zentimeter breit. Beim Anziehen des Ölzeugs unter Deck zeigt sich, wie begrenzt der Raum ist: Um in die Hose zu schlüpfen, muss man sich über die gesamte Breite des Salons ausstrecken und stößt doch überall an.

Im Bug befindet sich eine Abdeckung, unter der eine Aussparung für eine Chemie­toilette vorgesehen ist. Wer sich gegen deren Mitnahme entscheidet, kann diesen Bereich zusätzlich als Stauraum nutzen. Der Kocher findet unter dem Niedergang Platz, an der Maststütze kann ein Salontisch befestigt werden. Auf dem Testboot war eine zusätz­liche Stütze für den Tisch nachgerüstet.

Die Qual der Revierwahl

Die Leisure 17 wurde von Arthur Howard für die englischen Küstengewässer entworfen. Der geringe Tiefgang und der Kimmkiel prädestinieren sie auch für Elbe und Wattenmeer. Bleibt noch die Frage nach dem Preis. Das Testboot hatte der Eigner für 750 Euro gekauft – allerdings mit einem erheblichen Schaden, nachdem bei Sturm im Hafen eine andere Yacht daraufgetrieben war. Deswegen müssen 1000 Euro für die Reparatur addiert werden. In Kleinanzeigenportalen und Gebrauchtbootbörsen gibt es auch einige Angebote für unter 2000 Euro, sogar welche mit Trailer und Außenborder. Der Einstieg ist mit der Leisure 17 also unschlagbar günstig.

Die Leisure 17 im Detail

Minimalistisches Konzept mit allem, was nötig ist | Zeichnung: YACHTMinimalistisches Konzept mit allem, was nötig ist | Zeichnung: YACHT

Technische Daten der Leisure 17

  • Konstrukteur: Arthur Howard
  • Rumpflänge: 5,18 m
  • Wasserlinienlänge: 4,27 m
  • Breite: 2,13 m
  • Tiefgang: 0,65 m
  • Gewicht: 670 kg
  • Ballast/-anteil: 250 kg/37 %
  • Großsegel: 7,7 m2
  • Genua: 9,3 m2
  • Fock: 6,0 m2

Rumpf- und Decks­bauweise

Massives GFK mit Polyesterharz, Handauflage. Innenschale

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft 1979: 11.800 DM
  • Gebrauchtboote: ab unter 2000 €

Werft

Cobramold England. Die Werft ist nicht mehr existent

YACHT-Bewertung der Leisure 17

Kleines Trailerboot für Küsten­törns. Individuelles und unkaputtbares Design mit ordentlichen Segeleigenschaften. Günstig ­gebraucht zu kaufen

Konstruktion und Konzept

  • + Optimale Raumausnutzung
  • + Selbstlenzendes Cockpit
  • + Kimmkiele gut in Tidenrevieren
  • + Geschütztes Cockpit

Segelleistung und Trimm

  • + Gutmütige Segeleigenschaften
  • - Keine Vorschotwinschen
  • - Fährt nicht besonders viel Höhe

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Viel Fensterfläche, viel Licht
  • + Gut nutzbarer Stauraum
  • - Schmale Kojen

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 12/2019 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

Meistgelesen in der Rubrik Yachten