Jollenkreuzer JK 28Die eierlegende Wollmilchsau unter den Kleinkreuzern

Lars Bolle

 · 19.05.2023

An den Strand fahren oder Trockenfallen ist mit aufholbarem Schwert und Ruder kein Problem
Foto: YACHT/A. Lindlahr

Ein Jollenkreuzer vereint die Vorzüge zweier Segelwelten, der Jolle und des Kleinkreuzers. Mit dem JK 28 wird das klassische Konzept in die Moderne geführt und an die Marktbedürfnisse angepasst

Der Bootstyp des Jollenkreuzers ist über hundert Jahre alt. In den zwanziger Jahren fand er vor allem in den Berliner und Brandenburger Gewässern große Verbreitung, wurde schnell als Fahrten- und Regattaboot genutzt, womit eine Einteilung in verschiedene Klassen einherging. Einer der prominentesten Eigner war der Physiker Albert Einstein. Er bekam 1929 den 20er-Jollenkreuzer „Tümmler“ geschenkt und besegelte mit ihm den Templiner und Schwielowsee.

Jollenkreuzer verbreiteten sich in ganz Deutschland, gehören heute jedoch eher zu den Nischenprodukten. Klassenregeln, Holzbauweise gepaart mit hohem Pflegeaufwand sowie Regatta-Hightech – dies alles trieb die Preise in schwindelerregende Höhen und sorgte für eine Art Dornröschenhecke um das einst erfolgreiche Boot.

Der moderne Jollenkreuzer

Der JK 28 ist so etwas wie die Wiederbelebung des Jollenkreuzer-Segmentes. Ein neuer, moderner Jollenkreuzer, der die bewährten Tugenden dieses Bootstyps übernahm, gepaart mit interessanten Modifikationen. Geblieben ist die klassische Silhouette: lang, flach, mit geradem Steven und niedriger Kajüte. Um mehr Platz als beim originalen 20er-Jollenkreuzer zu haben, wurde der Rumpf verlängert, er misst 8,50 Meter statt der maximal zulässigen 7,75 Meter beim 20er, rangiert also zwischen 20er und 30er. Dennoch ist der JK 28 nur 2,55 Meter breit, um auch ohne Sondergenehmigung trailerbar zu sein. Außerdem sind so auch schmale Liegeplätze nutzbar.

Überall, wo eine Varianta oder Neptun 22 hineinpasst, kann auch ein JK 28 liegen. Durch die Streckung ist ein relativ schlankes Boot entstanden. Für die Nutzung im Hafen, im Schilfgürtel oder beim Segeln ergeben sich daraus jedoch keine spürbaren Raumnachteile.

Open Air als Jollenkreuzer-Lebensstil

Das ursprüngliche Nutzungskonzept eines Jollenkreuzers wurde beibehalten. Der eigentliche Wohnraum ist das Cockpit, unter Deck soll nur geschlafen werden. Dafür fällt die Vorschiffskoje mit über zwei Meter Länge und fast 1,90 Meter im Kopfbereich für diesen Bootstyp riesig aus. Besonders bemerkenswert sind jedoch die 80 Zentimeter Breite im Fußraum, womit eine vollwertige Doppelkoje geboten wird. Möglich ist dies durch die größere Rumpflänge, womit die Vorschiffskoje nicht bis in den (spitzen) Bug gezogen werden musste. Zusätzlich gibt es zwei Hundekojen, ebenfalls jeweils mit stattlichen Maßen – für Jollenkreuzer untypisch. Normalerweise ist deren Hauptschott nur durch den Niedergang durchbrochen. Durch den Verzicht auf voluminöse Backskisten jedoch lässt sich dieser Platz beim JK 28 als Fußraum nutzen.

So finden zwei Person mehr als ausreichend Raum zum Übernachten, aber auch zu viert lässt sich ein Wochenendtörn inklusive Nachtruhe überstehen, was sonst nur auf speziell dafür entworfenen 20ern möglich ist.

Viel Auftriebsvolumen

Auf Höhe des Travellers ist das Achterschiff abgeschottet. Der gesamte hintere Bereich ist über drei Luken sehr gut zugänglich und als Stauraum nutzbar. Die Sektionen unter der Vorschiffskoje und unter dem Cockpitboden sind als Auftriebskörper wasserdicht ausgeführt, was zur Erhöhung der Sicherheit beiträgt. Denn auch dieser Jollenkreuzer kann kentern.

Wohnkomfort auf Campingniveau

Die Ausstattung ist auf ein Minimum reduziert. Eine Kochkiste birgt einen Campingkocher, einen Wasserkanister und eine Spülschüssel. Unter Deck kann wegen der Nähe zu Einbauten nicht gekocht werden, dazu lässt sich die Kiste komplett herausnehmen und ins Cockpit stellen. Diese Kochkiste ist Teil des Ausrüstungspaketes „Schöner Wohnen“, in dem auch die Kojenpolster, Innenverkleidung im Alcantara-Look sowie Teak und Edelstahl-Auflagen und -leisten enthalten sind. Mit dabei ist auch das Bordklo, entweder eine Chemietoilette oder, in der einfachsten Form, als Loch mit eingesetzter Pütz in der Sitzbank unter Deck eingelassen.

Schneller Zeltbau

Damit sich der Haupt-Wohnraum des Jollenkreuzers, das Cockpit, schnell und unkompliziert nutzen lässt, wurde die nötige Kuchenbude ins Gesamtkonzept integriert. In die Seitendecks ist ein Kanal eingeformt, in den das Gestänge der Bude gelegt wird und so nicht umständlich an- und abzuschlagen ist – es muss nur noch die Zeltplane übergeworfen werden. Zugleich dient der Kanal als Wasserablauf und garantiert einen trockenen Hintern. Die Kuchenbude gibt es optional im „Touren-Paket.

Jollenkreuzer mit erhöhter Sicherheit

Der größte Unterschied zum herkömmlichen Jollenkreuzer ist das Ballastschwert, das sonst laut Klassenregeln verboten ist. 225 Kilogramm bringen die mit Blei gefüllten Carbonhalbschalen auf die Waage. Es ist komplett in den Schwertkasten einfahrbar, was dank eines großen Magic Wheel im Bug schnell und ohne viel Kraftaufwand geschieht. So wird aus dem Boot zwar keine seegehende Kielyacht, die Kentersicherheit steigt jedoch.

Ohne Crew waren am Masttopp mit gesetzten Segeln bei 90 Grad Krängung noch rund 17 Kilonewton, also etwa 17 Kilogramm aufrichtende Kraft zu messen, mit zwei Personen auf der Kante noch rund 14 Kilogramm. Das heißt, das Boot würde sich auch bei dieser Lage noch von allein aufrichten. Damit wurde einer der Urängste von Schwertbootseglern, die der Kenterung, ein gewichtiges Gegenargument gesetzt. Bei Krängungen um 20 bis 25 Grad, etwa beim Amwindsegeln, wirkt das Gewicht am 1,75 Meter tiefgehenden Hebelarm jedoch kaum krängungsmindernd; es sorgt eher dafür, dass das Boot etwas tiefer eintaucht, womit die Wasserlinie breiter wird und sich die Formstabilität erhöht.

Von dieser hat der JK 28 aber ohnehin ausreichend, er soll ja fahrtentauglich und kein reiner Regatta-Jolli sein. Der U-Spant ist dafür sehr breit gehalten, die Seitendecks fallen sehr gerade ab, das Vorschiff ist füllig. Beim Betreten des Seitendecks im Hafen neigt sich der Jolli deshalb kaum zur Seite, was einen robusten ersten Eindruck vermittelt. Doch auch auf der Elbe bei böigem Wind zwischen 3 und 5 Beaufort kam nie ein Gefühl der Unsicherheit auf. Selbst wenn sich das Boot einmal in einem harten Drücker stärker auf die Seite legte, verharrte es bei etwa 35 Grad, trieb etwas quer, luvte selbstständig an und richtete sich wieder auf.

Agiles Segelverhalten

Der für einen Jollenkreuzer untypische Ballast geht nicht zu Lasten der Agilität. Der JK 28 lässt sich bei Hafenmanövern unter Segeln auf dem Teller drehen, ein Außenborder ist für geübte Crews nicht nötig. Der Jollenkreuzer reagiert auf dem Wasser auf Pinnenausschläge eher wie eine Jolle statt wie ein Kreuzer. Zu diesem sehr angenehmen und kontrollierten Gefühl trägt auch die perfekt ausgeführte Carbonruderanlage bei, die spielfrei arbeitet und dank ausgeklügelter Technik Aufholen und Absenken des Blattes ohne Kraftaufwand möglich macht.

Das Rigg ist dem des H-Bootes nachempfunden und um etwa 15 Prozent hochskaliert. Durch den unverstagten Masttopp lässt sich das Rohr über eine Talje im oberen Bereich sehr stark biegen und damit das Großsegel flach trimmen. Das ist besonders bei böigem Wind angenehm, da sonst früher gerefft werden müsste. Unter Gennaker braucht der Jollenkreuzer allerdings schon ordentlich Druck, um ins Gleiten zu geraten. Bei nur 3 bis 4 Beaufort „klebt“ die aufgrund des U-Spants große benetzte Fläche des Bootes noch am Wasser. Wenn aber der Druck ausreicht, geht mit dem 58 Quadratmeter riesigen Gennaker eine Rauschefahrt los, bei der schnell 12 Knoten und mehr drin sind.

Wind: 14 kn (4 Bft.); Das Polardiagramm wurde herangezogen, da wegen der  heterogenen Strömungsgeschwindigkeit auf der Elbe keine zuverlässigen Messungen möglich waren *Mit Gennaker
Foto: YACHT

Sehr leichter Jollenkreuzer für die Größe

Die Agilität wird vor allem durch Leichtbauweise erreicht. Rumpf und Deck sind durchgehend mit Schaumkern und Vinylesterharz gefertigt. Den Rumpf steifen die anlaminierten Einbauten aus, auf Innenschalen wird verzichtet. Um dennoch glatte Oberflächen zu erhalten, werden diese gespachtelt und geschliffen, anschließend lackiert – ein aufwändiges Verfahren.

Die Laminierarbeiten wurden anfangs bei Rega-Yachts in Polen ausgeführt. Heute fertigt Bootsbauer Thomas Bergner bei Hamburg das komplette Boot selbst. Er ist vor allem bekannt geworden durch seine schnellen und erfolgreichen 20er-Jollenkreuzer. Der versierte Bootsbauer und Regattasegler ist ein Garant dafür, dass bei der JK 28 alle Bedieneinrichtungen nicht nur hochwertig sind, sondern auch perfekt funktionieren. Durch die Bauweise bringt das komplette Boot nur 1030 Kilogramm auf die Waage, lässt sich also auf einem etwa 400 Kilogramm schweren Trailer noch mit Autos der Kompaktklasse ziehen.

Akzeptabler Preiseinstieg

„Was nichts kostet, ist nichts wert“, soll Einstein gesagt haben. Für knapp 60000 Euro gibt es den JK 28 mit Ballastschwert und Carbonruder, Harken-Beschlägen, Andersen-Winschen und Dyneema-Tauwerk, jedoch nur mit Dacron-Segeln. Damit ist das Boot voll segelfähig und vor allem sehr hochwertig ausgerüstet. Selbst mit Extras ist dieser Jollenkreuzer preislich weit von seinen Vorbildern entfernt – im positiven Sinne.

Für diesen Bootstyp gibt es so gut wie keine Konkurrenz. Ähnlich lange Kleinkreuzer haben einen deutlich höheren Ballastanteil, variabler Tiefgang wird fast ausschließlich über Hub- oder Schwenkkiele realisiert, und meist handelt es sich zudem um raumoptimierte Mini-Yachten, mit entsprechend geringerem Segelpotenzial. Diese Konkurrenzlosigkeit hat den JK-28 mittlerweile zu einem binnenwärts wie an den Küsten bekannten Boot gemacht.

Dieser Artikel erschien zuerst in YACHT 23/2015 und wurde für diese Online-Version überarbeitet.


Das Video zum Test


Technische Daten

  • Konstrukteur Judel/Vrolijk & Co
  • CE-Entwurfskategorie C und D
  • Rumpflänge 8,50 m
  • Breite 2,55 m
  • Tiefgang 0,20–1,75 m
  • Gewicht 1.030 kg
  • Ballast/-anteil 225 kg/22 %
  • Großsegel 18,8 m²
  • Genua (105 %) 12,6 m²
  • Maschine Außenborder

Rumpf- und Decksbauweise

Sandwich-Laminat mit PVC-Schaum, außen und innen E-Glas mit Vinylesterharz im Infusionsverfahren

Grundpreis ab Werft

59.000 € (Stand Mai 2023)

Garantie/gegen Osmose

2/2 Jahre

Werft und Vertrieb

Thomas Bergner Bootsbau, Industriestr. 30, 24610 Trappenkamp; www.bergner-bootsbau.de

YACHT-Bewertung

Ein schneller, agiler Jollenkreuzer mit deutlich gesteigerter Kentersicherheit mittels Ballastschwert. Das Kojenangebot ist überdurchschnittlich, der Preis deutlich unter dem für einen 20er-Jollenkreuzer. Wegen geringer Breite ohne Sondergenehmigung trailerbar.

Konstruktion und Konzept

  • + Geringer Tiefgang, große Variabilität
  • + Erhöhtes Platzangebot
  • + Faire Preisgestaltung

Segelleistung und Trimm

  • + Hohes Geschwindigkeitspotenzial
  • + Perfekte Trimmeinrichtungen

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Gutes Oberflächenfinish
  • + Integrierbare Kuchenbude

Ausrüstung und Technik

  • + Hochwerte Beschläge serienmäßig
  • + Sehr durchdachte Bedienung

Klassenvereinigung