Alexander Worms
· 12.09.2024
Es gibt Designs, die alle Zeitläufte und alle Moden überdauern – im Automobilbau ein Jaguar E-Type zum Beispiel oder die Boeing 747 in der Fliegerei. Sie bestechen durch die Aura ihrer Formen, auf ewig schön und ansehnlich – und von vielen Menschen bewundert. Und sie funktionieren, sie erfüllen ihren Zweck mit Stil.
Solche Ikonen hat natürlich auch der Bootsbau hervorgebracht. Die Ur-Varianta war eine. Oder die Optima 101, später Dehler 34, die immerhin IOR-Weltmeisterin wurde. Sowieso die frühen Maxis von Pelle Petterson, schon wegen der riesigen Stückzahlen. So Nobles wie die Swan 48 aus der Feder von Sparkman & Stephens und so Alltägliches wie das Folkeboot. Und eben die Friendship 22.
Die Friendship 22, ein Design-Klassiker? Ist das nicht zu viel Ehre für solch ein Schiffchen? Der Verdacht liegt nahe, denn was kann auf 22 Füßen schon besonders gut sein? Und tatsächlich liegt sie fast etwas schüchtern am Steg, nicht flamboyant, laut, eher sachlich, wohlproportioniert, aber ohne Showeffekte. Der Zauber erschließt sich frühestens beim zweiten Hinsehen. Da passt jedes Maß, jeder Winkel und jedes Detail. Die Umlenkung der Vorschot zu den Winschen etwa ist derart klug gelöst, dass es Überläufer nicht gibt.
Die Abstände der Duchten im Cockpit – genau richtig bei Krängung für mittelgroße Menschen. Ebenso die Kojenlängen von zwei Metern vorn und 1,95 Metern im Salon. Dass dazu auch die Sitzhöhe im Salon passt, versteht sich. Unter einer Sprayhood könnte man im Niedergang sogar stehen.
Nun gut, das schaffen andere Kleinkreuzer auch. Die Friendship 22 wirkt dabei jedoch auch heute, fast 40 Jahre nach ihrer Markteinführung, nicht aus der Zeit gefallen: eben ein Klassiker. Das Verhältnis von Rumpf zu Aufbau passt, das Heck bleibt für damalige Verhältnisse erstaunlich breit, und das große seitliche Fensterband sorgt in Kombination mit dem Zierstreifen für Modernität, ohne „hip“ zu sein. Und das Ganze wird mit sehr solider Verarbeitung und feinen Segeleigenschaften dekoriert.
Kurzum: Das Design war damals wegweisend, und es funktioniert auch vier Jahrzehnte später noch. Das sahen die Kollegen der YACHT seinerzeit wohl voraus und vergaben erstmalig bei einem Neuboot überhaupt das Testurteil „Sehr gut“. Daraufhin gingen, wie seinerzeit berichtet wurde, innerhalb weniger Tage 50 Bestellungen bei der Werft im friesischen Balk ein.
Fakt ist: Der Bootsschmiede ging es in den nächsten Jahren gut. Rund 50 Menschen bauten Friendships, bis zu 38 Fuß Länge. Auf einer Webseite des niederländischen Eignerclubs berichtet ein gewisser Klaas aus Balk, er habe 23 Jahre bei der Jachtwerf Meijer gearbeitet und dabei allein jede Woche einen Innenausbau einer 22er hergestellt, aus Bootsbausperrholz mit dicken Furnieren und auch innen mit holzverkleideten Schapps. Durch solche langjährigen Mitarbeiter, bei Meijer dem Vernehmen nach kein Einzelfall, erklärt sich auch die hohe bauliche Qualität der Boote: Darin steckt ein Höchstmaß an Erfahrung.
Da die Inhaber Wert auf eine gute Atmosphäre und ambitionierte Fachkräfte legten, identifizierten sich Angestellte und Arbeiter stark mit dem Unternehmen und schließlich mit dem Produkt. Das gleichbleibend hohe Fertigungsniveau ließ einen robusten, auch im Alter noch steifen, modernen Klassiker entstehen.
Als die Familie Meijer in den Ruhestand ging und das Unternehmen verkaufte, begann jedoch der langsame Niedergang der Marke. Neue, größere Modelle, neue Standorte, zu teure Fertigung bei gleichbleibend hoher Qualität ließen einen um den anderen Inhaber am Projekt Friendship scheitern. Bis 2006 gab es immer wieder neue Anläufe, die Marke wiederzubeleben – ohne Erfolg. Zuletzt versuchte es im friesischen Lemmer ein Unternehmen, das die Markenrechte innehatte und Ersatzteile anbot. Doch auch dort schlossen unlängst die Werkstore. Die Ersatzteilversorgung ist daher derzeit leider ungewiss.
Geblieben sind mehrere tausend Friendships am Markt in verschiedenen Längen und Ausbauvarianten. Zum Beispiel die 22. Die gab es auch mit einer Hundekoje an Steuerbord statt des Schrankes sowie mit einem verschließbaren Hauptschott und somit separiertem Vorschiff, wobei die offene Variante sicher die klügere Wahl ist, wegen des besseren Raumgefühls.
Auch die Tiefgänge waren variabel. 1,10 oder 1,35 Meter mit dem gleichen Ballast – vor CE kein Problem; ein Ballastschwert war ebenfalls möglich. Diese Version wurde beim Entwurf direkt mitgerechnet und war keine nachträgliche Verlegenheitslösung.
Das Testboot aus dem Jahr 1984, immerhin die Baunummer 2031, ist versehen mit dem 1,35 Meter tiefen Kiel. Der trägt erst spät seinen Teil zur Stabilität bei, gegen die Abdrift wirkt er jedoch gut.
Genaue Aussagen zum Wendewinkel lassen sich leider nicht treffen, denn auf dem Testrevier Rursee waren keine regulären Messungen möglich; ein leicht böiger Wind und damit einhergehend ständige Drehungen im hohen zweistelligen Gradbereich ließen den Tester kapitulieren.
Wenn eine Bö einfällt, passiert Folgendes: Die Friendship holt sportlich über, ohne dabei nervös zu wirken, sie legt sich auf die Scheuerleiste, IOR-typisch in ihr eigenes Wellensystem, macht somit die Wasserlinie lang und fährt los. Das bringt riesigen Spaß, das Schiff ist voll in seinem Groove.
Leider ist dieser Spaß beim Test nicht von Dauer, denn entweder ist der Wind gleich wieder weg, oder der Steuermann muss wahlweise anluven oder abfallen in für Revierfremde ungewohnten Dimensionen. Wie viel Spaß muss die „Freundschaft“ machen, wenn man sie mal ein Stück laufen lassen kann bei konstantem Wind!
Nicht falsch verstehen: Sie ist überaus agil auf dem Ruder, da ist Aufmerksamkeit gefordert, sie ist beileibe kein Geradeausfahr-Vehikel. Wendigkeit in kleinen Revieren ist mithin überhaupt kein Problem, im Gegenteil. Das angehängte Ruder vermag wegen des langen Hebels das Schiff saftig um die Ecken zu schmeißen, wenn das gefordert ist, bei einem Aufschießer etwa, oder wenn eine Bö ausgesteuert werden muss.
Die Trimmeinrichtungen sind vielfältig, die Beschläge jedoch etwas in die Jahre gekommen. Wen die hakelige Bedienung stört, der kann je nach Gusto und Geldbeutel austauschen. Zum Beispiel die Segel.
Beim Test ließ sich aus den ausgelutschten Tüchern bei rund zehn Knoten Wind eine Fahrt durchs Wasser von fünfeinhalb Knoten am Wind kitzeln; mit neuer Garderobe wäre sicher mehr drin. Aber auch so vermittelte die Friendship einfachen und echten Segelspaß. Auf dem abgeschrägten Süll sitzend, zwei Schoten in Griffweite, die Vorschot über die Leewinsch nach Luv geführt, den Ausleger in der Hand, ließ sich das Schiffchen jollenartig in jede Bö dirigieren.
Nachts schläft man gemütlich und trocken in einer Kajüte mit Kocher und nicht auf dem Cockpitboden unter einer inkontinenten Plane. Und auf den Trailer hinter einen potenten Mittelklassediesel passt das Ganze auch noch. Zudem ist Kentern dank des Kiels kein Thema, Sicherheit bietet das Schiff mit geschlossenem Cockpit und umgelenkten Fallen obendrein. Gewissermaßen ist das Beste aus zwei Welten – Kleinboot und Yacht – in der Friendship vereint.
So gut das Gesamtpaket auch ist, beim Kauf sollte man auf einige wenige Punkte achten. Osmose ist ausnahmsweise mal nur eine seltene Erscheinung bei diesen Booten, offenbar wurde gutes Gelcoat verwendet. Dennoch: Ein Blick auf etwaigen Blasenbefall unmittelbar nach dem Auskranen oder Slippen lohnt natürlich immer.
Aber wichtiger: Wie stellt sich die Situation rund um den Kiel dar, und ist das Deck noch steif? Auf dem Testboot zeigten sich am achteren Kielende im Schiffsinneren deutliche Haarrisse, ein typisches Symptom für Auflaufschäden. Zwar sind die Unterlegplatten groß dimensioniert, dennoch ist der Strongback nur wenige Zentimeter hoch. Um Kräfte beim Auflaufen einzuleiten, ist das problematisch. Es empfiehlt sich daher, Top- und Gelcoat bei Gelegenheit zu entfernen und auf Weißbruch im Laminat zu überprüfen. Eine zusätzliche Verstärkung am Kielende lässt sich obendrein gut in die Bilge einlaminieren.
Zudem waren im Testboot Edelstahlmuttern ohne Konterung auf Stahlbolzen geschraubt, was zu Korrosionsproblemen führen kann – auch das gehört geändert. Ebenso wie das als Dichtmasse verwendete Sanitärsilikon, flexible Dichtmasse hat zwischen Kiel und Rumpf nichts zu suchen. Allenfalls die Kielnaht kann nachträglich mit einem MS-Polymer verschlossen werden.
Das Deck aus Balsa-Sandwich ist empfindlich, wenn Feuchtigkeit eindringt. Speziell bei nachträglich installierten Durchführungen gilt es, die Umgebung sorgfältig auf Festigkeit zu prüfen. Ist das Deck dort weich, steht eine aufwändige Reparatur an.
Die Friendship war original auch mit Volvo-Penta-Benzinmotor und Saildrive erhältlich. Wenn der noch funktioniert, unbedingt auf ein dichtes Kraftstoffsystem achten, da sonst Explosionsgefahr droht. Ist ein Saildrive verbaut, kann die Nachrüstung eines Diesels ein guter Schritt sein. Allerdings dürfte der neue Motor etwa ebenso teuer kommen wie das ganze gebrauchte Schiff – eine Investition, die im Second-Hand-Markt nur ungern getätigt wird.
Wer auf der Suche nach einem trailerbaren Kleinkreuzer unter 10000 Euro ist, sollte sich die diversen Friendships am Markt anschauen. Unterschiede zeigen sich im Pflegezustand. Das Testschiff lag immer unter einer Plane, entsprechend gut ist das Gelcoat; sogar der blaue Zierstreifen ließ sich noch hochpolieren. Probleme am Kiel oder im Deck lassen sich mit etwas Geschick im Umgang mit Harz und Härter in Eigenregie beheben.
Das Gesamtbild wird geprägt von einer soliden Bauweise, guten Segeleigenschaften und verhältnismäßig viel Raum unter Deck. Ein rundes Paket also, auch dank des Renommees der Werft, Trailerbarkeit und geringer Kosten fürs Winterlager. Alternativen sind etwa die Dehlya 22 , die ungefähr das Gleiche kostet, und die Shark 24, die Regattasegler mit einer aktiven Einheitsklasse erfreut. Die Friendship ist jedoch der zeitlosere Entwurf, der bei angemessener Pflege weiterhin attraktiv und damit wertstabil sein sollte. Wie es Klassiker so an sich haben.
Die Friendships sind durchweg sehr ordentlich gearbeitet. Dennoch verlangen einige teils strukturell relevante Punkte bei der Beurteilung einen gründlichen Blick
Rumpf massiv Polyesterspritzlaminat und handaufgelegte Rovingmatten. Deck Balsa-Sandwich und Innenschale
Stand 09/2024
Trailerbares Einsteigerboot für kleine Familien. Solide gebaut, gut segelnd. Kurzum: Wer mit dem Segeln anfängt, ist mit der FS 22 gut bedient
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 2 4/2017 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.