„Flax 27”Leichter und schneller Recycling-Daysailer

Michael Rinck

 · 18.05.2023

Anders im Verborgenen: Die Flax 27 kommt mit klassischen Linien. Idee und Bauweise sind aber ganz modern
Foto: YACHT/J. Kubica
Der Daysailer „Flax 27” im Detail
Der Daysailer „Flax 27” entstand aus Natur- und Recycling-Materialien bei Greenboats in Bremen. Leicht und schnell ist er auch noch

Kaum an Bord, kann man dem Drang nicht widerstehen, mit der Hand über das goldbraune Material zu fahren, aus dem die Flax 27 gefertigt ist. Die Fasern unter dem durchsichtigen Gelcoat sehen weich und etwas wie ein Teppich aus. Tatsächlich ist das nicht nur Optik – das Laminat des Daysailers besteht nicht aus Glasmatten, sondern wurde aus gesponnenen und verwebten Flachsfasern mit einem Schaumkern aus recyceltem PET gefertigt.

Verbunden wird alles von einem vergleichsweise umweltfreundlichen Epoxid; ein Teil des Harzes ist pflanzlich und nicht aus Erdöl gewonnen. Obendrauf liegt ein Stabdeck aus Kork. Auch dieses Naturmaterial ist recycelt und wird aus dem Verschnitt bei der Weinkorkenproduktion hergestellt.

Eigenständige Recycling-Konstruktion

Friedrich Deimann (im Foto an der Fockschot) hat mit seiner Werft Greenboats alles getan, um einen Daysailer zu bauen, in dem weniger umweltschädliche Stoffe stecken und zudem die CO2-Bilanz möglichst günstig ausfällt. Die Bauweise ist nicht ganz neu; die Werft konnte schon mit der GreenBente Erfahrungen mit den Materialien sammeln. Die Flax 27 ist jetzt die erste eigenständige Konstruktion.

Von Schleswig geht es beim Probeschlag hinaus auf die Schlei. Beim Ablegen fällt ein besonderes Detail auf: Die Pinne ist komplett um 360 Grad drehbar – so kann das Ruderblatt bei Rückwärtsfahrt einfach umgedreht werden. Beim Ablegen ließ sich so sehr gefühlvoll steuern, und die Pinne drohte durch die Anströmung von achtern nicht umzuklappen, musste entsprechend auch nicht stark festgehalten werden.

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Der 8,20 Meter lange Daysailer kam sofort in Fahrt, der Wind war mit 16 Knoten und Böen bis 20 schon recht kräftig und beschleunigte das leichte Boot sofort. Auf dem Süll sitzt es sich bequem, das Cockpit ist für zwei Personen sehr groß, achtern hinter der Pinne ist noch reichlich Platz für Mitsegler.

Intelligente Lösungen an Bord der Flax 27

Die Großschotführung wurde elegant gelöst: Die an der Baumnock angeschlagene Schot verschwindet achtern im Süll und taucht in der Plicht wieder auf. Sie ist trotz einiger Umlenkungen sehr leichtgängig und kann gut aus der Hand gefahren werden. Die Klemme sitzt auf dem Cockpitboden und lässt sich einfach mit dem Fuß lösen. Bei dem kräftigen Wind ist es auch wichtig, die Großschot aktiv zu trimmen. In den kräftigen Böen wird die Flax 27 einige Male sehr luvgierig. Die Geschwindigkeit liegt dabei beständig über sechs und häufig bei sieben Knoten.

Nachdem die Stexwiger Enge nach kürzester Zeit passiert ist, geht es mit dem Code Zero auf die Große Breite. Jetzt ist der Speed über Grund fast konstant bei acht Knoten; für richtige Gleitfahrt reicht es aber nicht. Das liegt weniger am Boot als am für diese Bedingungen unpassenden Segel. Denn auf dem recht hohen Kurs erzeugt der Code Zero in den Böen zu viel Druck.

Die Flax 27 ist ein schneller Daysailer

Zweimal reißt bei zu viel Lage die Umströmung am Ruder ab, es ist einfach nicht mehr genug davon im Wasser, und wir legen einen Sonnenschuss hin. Der Daysailer fängt sich aber sofort wieder. Für tiefe Kurse mit weniger Druck ist das große Rollsegel allerdings auch nicht sonderlich geeignet; mit Gennaker wäre vermutlich Gleitfahrt drin gewesen.

Auf der Kreuz zurück nimmt der Wind noch zu. In Böen muss die Großschot etwas geöffnet werden, eigentlich wäre es jetzt an der Zeit für ein erstes Reff, die Leinen sind aber noch nicht eingeschoren. Trotzdem ist die Flax 27 schnell, sie war auch nur bis an die Windkante luvgierig. Vom Gefühl her segelt sich das Boot fast wie eine Jolle.

Die Beschlagsanordnung ist praktisch für zwei oder auch nur einen Segler. Am Ruder sind Großschot und Achterstag in Griffweite; kurz davor befinden sich schon die Schotwinden. Auf diesen zwei Winschen hinter dem Aufbau werden die Genuaschoten gefahren oder die des jeweiligen anderen Vorsegels. Auch die Fallen werden damit durchgesetzt. Diese und weitere Strecker sind vom Mast nach achtern gelegt und verlaufen in einem Kanal, der vom Aufbau und einer davor liegenden Blende gebildet wird. Von außen wirkt diese wie die Aufbauwand. Das trägt zu einer harmonischen Optik bei, und die Leinen sind gleichzeitig aus dem Weg. Durch die großzügigen Abmessungen dieses Leinenkanals ist es auch kein Problem, das Tauwerk einzufädeln, da man einfach hineingreifen kann.

Die Flax 27 segelt sich wie eine Jolle

Auch die Leinen der Unterdeck-Furler laufen verdeckt und treten am Niedergangsschott wieder zutage. So ist das Deck komplett frei. Das Stabdeck aus Kork bietet guten Halt. Eigentlich ist es beim Segeln nicht nötig, das Vorschiff zu betreten, anfängliche Probleme mit der Schot des Code Zeros machen es aber unumgänglich, das Segel zwischendurch unaufgewickelt zu bergen. Dabei bietet kein Seezaun oder eine Fußreling Halt. Die Bordwand geht in leichter Rundung direkt ins Deck über, die Verbindung zum Rumpf ist unter dem Stabdeck versteckt – optisch sehr gelungen, aber dem sicheren Halt etwas abträglich. Allerdings ist der Weg vom Aufbau zum haltgebenden Vorstag nicht weit, sodass auch Vorschiffs­arbeit bei Lage kein Problem ist.

Erstaunlicherweise segelt der kleine Daysailer trotz viel Lage und kleinen Wellen sehr trocken, sodass das anfänglich aus Skepsis angezogene Ölzeug nach der Ausfahrt noch vollständig trocken war.

Ein Daysailer nach eigenen Vorstellungen

Der Eigner Michael Ernst aus Berlin wurde durch die GreenBente auf die junge Bremer Werft aufmerksam. Er fand besonders Gefallen an der nachhaltigen Bauweise; „die Bente gefiel mir aber optisch nicht“, erklärt Ernst. Als er sich mit Friedrich Deimann in Verbindung gesetzt hatte, stand schnell der Plan, sich einen Daysailer eigens entwerfen zu lassen. Der Kontakt von Greenboats zu Judel/Vrolijk bestand ja schon durch die von Ernst verschmähte Bente, und das Bremerhavener Konstruktionsbüro lieferte den Entwurf eines Daysailers mit gefälligen, klassisch anmutenden Linien und zeitgemäßen Anhängen. Das Boot ist mit 2,25 Meter Breite bei 8,20 Meter Länge sehr schlank geraten und hat achtern einen deutlichen Überhang. Mit den geplanten 1350 Kilogramm Verdrängung sollte es zudem sehr leicht werden. Diese Marke unterbot Greenboats sogar noch. Das Augenmerk galt nicht nur den nachhaltigen Materialien, sondern auch konsequentem Leichtbau.

Wesentlicher Unterschied zum konventionellen Bootsbau bildet dabei die Flachsfaser, auch Leinen genannt, die das Glasgelege ersetzt. Das Laminat wird dann auch nicht GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff), sondern NFK für Naturfaserverstärkten Kunststoff genannt. Der wesentliche Vorteil für die Umweltbilanz besteht darin, dass Glasfasern mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen, wobei viel CO2 frei wird. Der Flachs bindet beim Wachstum hingegen sogar CO2, und die Weiterverarbeitung von der Pflanze zur Faser zum Gewebe ist nicht so energieintensiv. Da die Fasern aus Frankreich und Belgien stammen, ist zudem der Transportweg nicht sonderlich weit. Durch Einsatz der Naturfaser und eines Epoxids, in dem sonst auf Erdöl basierende Bestandteile aus Leinöl (also der gleichen Pflanze wie für die Fasern) bestehen, lassen sich laut Friedrich Deimann 80 Prozent Energie für die Herstellung des Laminats einsparen.

Flachsfaser anstatt Glasfaser beim Daysailer

Die Flachsfaser habe zudem nur geringfügig andere Eigenschaften als Glasfasern: So seien die Naturfasern nicht ganz so zugfest, dieses Manko würden sie aber weitestgehend durch ihre Struktur ausgleichen. Wird die glatte Glasfaser nur vom Harz umschlossen, nimmt die Flachsfaser das Harz auf, zudem ist sie dicker. Das zeigt sich auch im fertigen Laminat, welches etwas mehr Volumen hat, aber bei gleicher Festigkeit verglichen mit GFK genauso schwer ist.

Friedrich Deimann setzte bei der Verarbeitung auf Vakuuminfusion. Das Verfahren garantiert eine homogene Durchtränkung der Matte mit Harz, gleichzeitig wird aber nicht zu viel Harz aufgetragen. Der beim händischen Aufrollen leicht entstehende Harzüberschuss führt nicht zu mehr Festigkeit, sondern nur zu höherem Gewicht. Auch alle Winkellaminate an Schotten und Einbauten wurden per Vakuum­infusion verklebt. Sämtliche Platten für Schotten sind zudem Sandwichmaterial. Da kommt Greenboats zugute, dass sie eine eigene Plattenpresse in der Werft haben und selber genau bestimmen können, welche Materialien im Sandwich stecken. Als Kern kamen bei der Flax 27 ein Schaum aus recyceltem PET und Kanten aus Kork zum Einsatz.

Das Material macht den Dayailer einzigartig

Dass bei Rumpf, Aufbau und Cockpit die Flachsfasern sichtbar geblieben sind, geschah auf Wunsch des Eigners und erfordert zusätzlichen Aufwand. Weil die Fasern durch das klare Gelcoat zu sehen sein sollten, mussten die Matten besonders ordentlich in die Form gelegt werden. Ordentlich heißt in diesem Fall, dass genau überlegt werden musste, wo die Stöße möglichst unauffällig aufeinandertreffen und dass das Gewebemuster gleichmäßig und symme­trisch verläuft. Unter Deck ist das Laminat größtenteils durch Topcoat versiegelt, hier ist dann kein Unterschied zu herkömm­lichem GFK auszumachen.

Die Bauweise hat sich ausgezahlt. Mit 1200 Kilogramm einschließlich Rigg und Segeln wurde der Daysailer Flax am Ende 150 Kilo leichter als geplant. Das Flachsgewebe ist nicht nur ein Stoff für luftige Sommerbekleidung, sondern wird auch für technische Anwendung in Verbundmaterialien hergestellt. Besonders in der Surfszene sind Laminate aus Natur­fasern schon verbreitet.

Deimann schwärmt von der angenehmen Verarbeitung: „Das Material fühlt sich einfach nur gut an.“ Keine juckenden Unterarme und vor Glasstaub flimmernde Luft mehr in der Halle. Einen Nachteil gibt es aber: Die Flachsfasern sind teurer als Glas.

Individualität hat seinen Preis

Das Epoxid mit dem Anteil an natür­lichen Inhaltsstoffen kostet mit 10 Euro pro Liter nicht mehr als herkömmliches Epoxid, ist aber verglichen mit Polyesterharz trotzdem teuer. Größter Kostenpunkt für die Flax 27 war der Formenbau, der 50 000 Euro gekostet hat. Insgesamt sind für den kleinen Daysailer stolze 200 000 Euro zu zahlen.

Den Eigner konnte der hohe Preis nicht schrecken. Und Michael Ernst ist sehr zufrieden mit der Erscheinung und den Segel­eigenschaften seines Bootes, wobei die Testfahrt mit der YACHT erst der zweite Törn überhaupt ist.

Die Idee zum Schiff hatte er schon 2017 mit Friedrich Deimann besprochen. Und nachdem der Entwurf von Judel/Vro­lijk-Mitarbeiter Robin Zinkmann seinen Vorstellungen gemäß angepasst worden war, erteilte er im Frühjahr 2018 den Auftrag. Viel Zeit ging in den Formenbau; auf der boot 2019 wurden dann Rumpf und Deck präsentiert, allerdings noch lose aufeinandergelegt. Jetzt im September war es endlich so weit: Die Flax 27 schwimmt.

Eigene Lösungen kosten Zeit und Geld

Auch wenn keine Arbeit mit aufwändigen Innenausbauten entstanden ist, sind doch viele Detaillösungen von der Werft umgesetzt worden, die ordentlich Zeit gebraucht haben. Die ganzen Winkellaminate per Vakuuminfusion auszuführen sorgt zwar für bessere Stabilität, es war aber in dem engen Innenraum keine leichte Aufgabe, alle Folien und Schläuche zu platzieren. Der Kasten des Hubkiels ist ebenfalls mit viel Liebe zum Detail umgesetzt: Per im Vorschiff platziertem Hydraulikzylinder kann die Stahlfinne mit Bleibombe aufgeholt werden. Die Finne wurde im Kasten ausgerichtet, dieser dann mit Gießharz gefüllt. Durch eine Trennschicht ließ sich der Kiel wieder herausnehmen, und die entstandenen passgenauen Blöcke wurden mit der Finne verschraubt. So saß der 400 Kilogramm schwere Kiel fest in seiner Aufnahme, ohne bei Schiffsbewegungen das kleinste Geräusch von sich zu geben. Zwei Edelstahlbolzen sichern ihn nach oben.

Damit der Vorteil des einfachen Slippens und Trailerns durch den aufholbaren Kiel nicht vom Ruder blockiert wird, ist auch dieses aufholbar konstruiert. Werden zwei Knebelschrauben geöffnet, kann die gesamte Anlage aus dem Cockpitboden nach oben gezogen werden.

Für Hafenmanöver oder Flaute schiebt ein Pod-Antrieb von Torqeedo. Der Akku ist mittig noch vor dem Kielkasten verbaut. Auch bei der Garderobe von Frogsails haben sich Segelmacher Sven Kraja und der Eigner viele Gedanken gemacht. Naturmaterialien kamen da nicht in Frage, aber zumindest sollte kein Materialmix entstehen, der nicht mehr recycelbar ist. So griff Kraja auf ein Laminat zurück, das vollständig aus Polyester besteht. Einige Fäden färbte er grün – ein Symbol, so wie das ganze Boot.

Dieser Artikel erschien zuerst in YACHT 22/2019 und wurde für diese Online-Version überarbeitet.


Technische Daten

Skizze Flax 27
  • Konstrukteur: Judel/Vrolijk
  • CE-Entwurfskategorie: D (optional C)
  • Rumpflänge: 8,20 m
  • Wasserlinie: 6,90 m
  • Breite: 2,25 m
  • Tiefgang (Hubkiel): 0,60–1,40 m
  • Gewicht: 1,1 t
  • Ballast/-anteil: 0,4 t/33 %
  • Großsegel: 19,00 m²
  • Rollgenua: (105 %) 11,50 m²
  • Rumpf- u. Decks­bauweise: Flachsgewebe mit Schaumkern aus Recycling- PET und Epoxid per Vakuuminfusion

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