Vor Jahren noch wurde der Markt mit Kleinkreuzern geradezu geflutet. Die kleinen Alleskönner kamen in der Mehrzahl aus polnischer Produktion und waren oft auch konzeptionell von unverkennbar einheitlicher Prägung: zwischen sechseinhalb und acht Meter lang, voluminös für ein maximales Wohnangebot unter Deck sowie mit einer Vielzahl von variablen Rumpfanhängen. Und darüber hinaus: äußerst günstig.
Die Anzahl der Neuvorstellungen dieser Gattung ist in jüngster Zeit möglicherweise aufgrund einer gewissen Marktsättigung zurückgegangen. Kleinkreuzer gibt es aber immer noch in großer Fülle und Vielfalt, und sie erfreuen sich auch weiterhin einer stabilen Nachfrage. Eines ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen: Ihnen haftet aufgrund ihrer meist angriffslustigen Preisgestaltung allzu oft das Image als vermeintliches Billigprodukt an – in vielen Fällen ganz zu Unrecht. Weiterhin sind Kleinkreuzer in der Regel auch nicht bekannt für ihre Leistungsstärke oder für ausgewiesen sportliche Segeleigenschaften.
Das leidige Vorurteil widerlegt Mariusz Sobusiak, Yachtbauer aus Polen, mit der Focus 750 Performance. Seine Werft Yacht Yard liegt in Lodz, ziemlich genau in der Mitte des Landes. Dort fertigt der umtriebige Unternehmer zusammen mit etwa sechs Mitarbeitern schon seit vielen Jahren kleine Segelboote unter dem Markennamen Focus. Davon gibt es aktuell noch eine 800 sowie eine 730, die beide eher Fahrten- und Familiensegler ansprechen sollen. Mit dem neuen Boot richtet sich Sobusiak nun auch an sportliche Ambitionierte, welche selbst bei einer stark besetzten Regatta nicht hinterhersegeln wollen. Dabei verlieren die Polen das Thema der Tourentauglichkeit aber nicht aus den Augen. Die Focus 750 ist – wenn man so will – ein echter Performance-Cruiser im kleinen Format.
Dafür stehen auch der Riss sowie die Rumpfformen. Das im Vergleich relativ schlanke Boot, entworfen von Konstrukteur Jerzy Piesniewsky, zeigt ausgeprägte Kimmkanten, welche sich weit nach vorn ziehen. Der Freibord ist dazu weniger hoch als bei Kleinkreuzern gemeinhin üblich, und der Kajütaufbau geriet kürzer, damit in der Plicht für eine sportliche und aktive Mannschaft mehr Platz zur Verfügung steht. Das Cockpit bleibt achtern offen, und das Ruderblatt ist am Heck angehängt, nicht untergebaut.
Zudem hat der Kunde die Wahl, ob er das Schiff mit einem langen und ausziehbaren Bugspriet für einen Gennaker oder mit einer kürzeren, fest angebauten Bugnase für den Betrieb mit Code Zero bestellen will.
Eine Menge Leistungspotenzial also, zu welchem auch das Rigg passt, zumindest bezüglich Masthöhe und Segelfläche. Die Segeltragezahl liegt mit einem Wert von 5,1 in einem ausgesprochen sportlichen Bereich, dichter am Regattaboot als am konventionellen Kleinkreuzer. Das heißt aber auch, dass das Schiff mit mehr Druck gesegelt wird. Dafür scheint der einfache, dünne und ziemlich weiche Einsalings-Mast der Focus 750 allerdings nicht gebaut zu sein.
Im Test auf dem Neuenburger See in der Schweiz zeigt sich schon bei sehr leichtem Wind um nur sechs Knoten Stärke, dass der leistungsstarke Segelplan schnell nach mehr Riggspannung verlangt – die deutlich zu dünnen Wanten sowie die Spanner im Spielzeug-Format lassen dies aber nicht zu. Hier spart die Werft am falschen Ort, zumal das Riggkonzept wegen des im Toppbereich stark ausgestellten Großsegels kein Achterstag vorsieht. Die Folge: Das Rigg lässt sich nicht ordentlich trimmen, und am Wind hängt das Vorstag durch, was zu Lasten der Höhe geht.
Trotzdem: Auf der Kreuz schafft die Focus 750 einen Wendewinkel von immerhin 90 Grad und segelt bei nur 2 Beaufort schon mit einem Speed von guten 4,3 Knoten über Grund. Mit einem vernünftig ausgestatteten und steiferen Rigg ließen sich diese schon recht ordentlichen Werte zweifellos noch steigern.
Überdies ist das Testboot für den Einsatz in einer Schweizer Segelschule nur mit den einfachen und günstigen Dacron-Tüchern ausgestattet, wie sie im Standard mitgeliefert werden; Sobusiak bietet hochwertigere und stabilere Aramid-Foliensegel als Extra an. Den etwa 50 Quadratmeter großen Gennaker gibt es als Einzeloption dazu oder als Teil des Sportpakets zusammen mit den besseren Segeln, dem ausziehbaren Bugspriet sowie mit Beschlägen von Ronstan. Der Preis für das leistungsfördernde Ausstattungsbündel kostet zwar einen Aufpreis, ist aber eine durchaus lohnende Investition.
Das relativ lange, aber auch flächige Ruderblatt bietet für den Steuermann an der Pinne gerade ausreichend viel Druck, damit dieser viel Gefühl für das Boot entwickeln und optimal steuern kann. Auf dem spitzen Raumwindkurs ist mit dem großen Gennaker und dem langen Bugspriet (1,55 Meter) aber auch eine ausgeprägte Leegierigkeit feststellbar, was unangenehm und ungewohnt ist. Der Steuermann muss dauerhaft gegenlenken, auch wenn er das Großsegel gleichzeitig dicht schotet.
In der Standard-Ausführung kommt die Focus 750 Performance mit einem komplett aufholbaren Ballastschwert (300 Kilogramm). Optional – wie beim Testschiff auch – wird der Kiel mit einer 50 Kilogramm schweren Bleibombe funktional aufgewertet. In beiden Fällen wird in die flache Bilge ein Bleigranulat als zusätzlicher Innenballast (plus 200 Kilogramm) für mehr aufrichtendes Moment eingegossen. So wird die kleine Polin nach CE in die Kategorie B (mit Reling) oder C (ohne Reling) eingestuft. Die Stützen für den Seezaun sind übrigens ungewöhnlich solide im Deck verankert, genauso wie Bug- und Heckkorb.
Für die Ausführung des Hubkiels und dessen Mechanik bekommt die Werft Bestnoten. Die Flosse ist komplett aus Edelstahl gefertigt, mit einem soliden Rahmen im Inneren, über den vorgeformte Bleche spannungsfrei im Profil verschweißt werden. Der Kiel lässt sich über eine sehr gut funktionierende Mechanik elektrisch und auf Knopfdruck aufholen, und zwar mit einem Hub von insgesamt 1,15 Metern. Das Profil ist im Kielkasten bestens geführt, sodass es möglich ist, den Anhang in seichten Gewässern auch nur ein Stück weit aufzuholen. Das funktioniert im YACHT-Test selbst unter Segeln und sogar mit Krängung tadellos.
Als Alternative wird die Focus 750 übrigens auf Wunsch mit einem Festkiel und Bleibombe ausgestattet; die Tiefgänge bleiben die gleichen. Das Boot wird von A bis Z in der Werft Yacht Yard gebaut. Rumpf und Deck entstehen als GFK-Konstruktionen mit Airex-Schaumkern und im aufwendigen, aber gewichtssparenden Vakuum-Infusionsverfahren.
Mit Hubkiel und aufholbarem Ruder kann die Focus 750 ganz einfach über die Rampe ein- und ausgewassert werden. Der Transport auf dem Trailer ist mit einer Schiffsbreite von 2,50 Metern und einem segelfertigen Gesamtgewicht von nur 1,3 Tonnen ebenfalls problemlos. Und für das schnelle Legen und Stellen des Mastes von Hand bietet die Werft eine stabile Jüttvorrichtung als Option an.
Verblüfft ist, wer sich unter Deck begibt. Trotz des relativ kurzen Kajütaufbaus, der eher schlanken Linien sowie der lediglich gemäßigten Freibordhöhe überrascht der Innenausbau der Focus 750 mit überaus großzügigen Abmessungen. Im wesentlichen Unterschied zu den Schwestermodellen Focus 800 und 730 verfügt das neue Schiff aber weder über einen abgetrennten Toilettenraum noch über eine fest installierte Pantry. Der komplett offene Innenausbau trägt natürlich viel zum weitläufigen Raumeindruck bei.
Das Testschiff ist zudem mit hellem Eichenholz ausgebaut. Das ist ebenfalls eine Option; im Standard wird dafür Mahagoni verwendet. Die Verarbeitung ist selbst im Detail ordentlich ausgeführt, und es wird bei Yacht Yard offenbar sauber gearbeitet. Außerdem sorgen Innenschalen für schöne Oberflächen. Allerdings scheint die polnische Werft auch für den Innenausbau der Gewichtsersparnis erhöhte Bedeutung zuzumessen: Teilweise fallen die Einbauten dünnwandig aus und wirken deshalb nur wenig robust. Unter den Sitzflächen im Salon zum Beispiel sind die Sperrholz-Deckel der Stauräume so schwach, dass sie unter Belastung durchzubrechen drohen. Hier sollte die Werft noch nachbessern.
Vier Personen können auf der Focus 750 übernachten – und dies durchaus komfortabel; die Liegeflächen sind dafür groß genug. Als Extra sind zusätzliche Module zwischen Vorschiff und Salon bestellbar, hier könnte man sich ein Spül- oder Waschbecken sowie eine Kochgelegenheit einbauen lassen. Und unter dem Niedergang kann in einer ausziehbaren Schublade eine Chemietoilette platziert werden – eine recht elegante Lösung, wenn auch nur für den Notfall.
Genügend Stauräume finden sich überall unter den Kojen und unter den Sitzflächen sowie als offene Ablagen seitlich am Rumpf. Die Möglichkeiten zum Lüften sind dagegen beschränkt, unter Deck steht dazu nur eine Luke im Vorschiff zur Verfügung. Selbst bei geöffnetem Niedergang reicht dies nicht für eine ausreichend gute Ventilation.
Die Werft Yacht Yard bewirbt ihre neue Focus 750 mit einem vergleichsweise günstigen Grundpreis von 46.700 Euro inkl. 19% MwSt.
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Angehende Käufer müssen aber wissen, dass sie für das Geld zunächst nur die bescheiden konfigurierte Basisausführung erhalten. Bis zur segelfertigen Ausstattung (nach YACHT-Definition) werden darüber hinaus nochmals mehrere Tausend Euro fällig.
Dies trübt zwar den Reiz zum Kauf, aber nicht die Attraktivität der Focus 750 Performance als äußerst vielseitiges, wandelbares Sport- und Tourenboot, das überdies auch unter Segel eine prima Figur abgibt.
Vielseitige Ausrichtung
Verschiedene Kielvarianten
Solide Strukturen für Rumpf und Deck
Leistungsstark am Wind
Einfaches Handling
Leegierig unter Gennaker
Geräumiges Interieur mit vier Kojen
Teilweise schwacher Holzausbau
Sehr gute Hubkielmechanik
Kaum Lüftungsmöglichkeiten
Dünne Wanten, schwache Spanner
GFK-Sandwichkonstruktion mit Schaumkern, gebaut im Vakuum-Infusionsverfahren.
Sobusiak Yacht Yard, 92-318 Lodz (Polen); www.yacht-focus.pl
Nord: www.yacht-focus.pl; Süd: www.swisssailingschool.ch
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Der Artikel erschien erstmalig 2018 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.