Das Erste, was Eigner Kevin Müller auffiel, als er seine neu erworbene Gebrauchtyacht zu Wasser brachte, war deren Stabilität. „Die Bavaria ist viel weniger rank als meine alte Varianta“, freut sich Müller noch heute. Sein früheres Boot, Inbegriff des aufblühenden Serienyachtbaus der 1970er-Jahre, fast viertausend Mal verkauft, hat nur eine geringe Anfangsstabilität. Fahrtensegeln mit diesem Boot, das bedeutete kippeliges Zelten zu Wasser. Die Bavaria 707 galt dagegen als schlingerfester Wohnwagen.
Die Neuvorstellung aus Giebelstadt war im Entstehungsjahr außerdem die wohl erste deutsche Serienyacht mit eigens für den Ausbau engagiertem Konstrukteur. Die Kajüte ist aus heutiger Sicht dunkel, aber zeitgemäß: In den Wohnzimmern waren Teakmöbel damals das Maß aller Dinge. Von dieser Warte aus ist die Bavaria wohnlich. „Und sie hat viel Stauraum, auf der Varianta gab es viel weniger“, sagt der Eigner.
Seine Varianta war ein Corona-Spontankauf für knapp siebentausend Euro, Müller hat sie im März 2021, ohne sie zur Probe zu segeln bei Schneetreiben an Land erworben. Gleich beim ersten Segeln bemerkte Müller, wie schnell das Boot krängt und das behagte weder ihm, noch seiner Frau, noch dem Bordhund Emma. Da das der Segelleidenschaft jedoch nichts anhaben konnte, war klar, ein anderes Boot musste her.
Dehler und Bavaria, diese Unternehmen bildeten in den Achtzigerjahren die Antipoden des Binnensegelns. Im Westen dominierten die Dehler-Yachten aus dem westfälischen Freienohl. Das waren sportlich orientierte Boote, wie eben jene Varianta. Dehlers Hauskonstrukteur war der Holländer Rico van de Stadt, der Herkunft nach Regattafreak.
Der Süden und Berlin aber waren Bavaria-Revier. Der damalige Eigentümer der Werft, Winfried Herrmann, konnte selber gar nicht segeln. Bis mit der 707 die erste Bavaria entstand, hatte er eine Fensterfertigung mit zweihundert Mitarbeitern betrieben. Der Umstieg auf den Yachtbau begann 1978 mit der Bavaria 707, nachdem das Ehepaar Meltl ins Unternehmen eingestiegen war, das bis dahin als Yachthändler und Chartervermittler tätig gewesen ist.
„Die Dinette-Aufteilung hat Hausfrauen angesprochen, die mussten ja mit aufs Boot.“ So erläutert Dorothea Meltl heute rückblickend das Ausbaukonzept. „Die 707 entwickelte sich zum Verkaufsknüller.“ Doch zunächst investierten sie und ihr Mann Josef ihr gesamtes Vermögen in die anfangs vom Konkurs bedrohte Werft der Fensterbauer. Mit dem Vermitteln von Thekenaufstellern für Strumpfhosen hatte sich Meltl einst selbstständig gemacht und fortan im Verkaufen geübt. Dabei sei es immer „ums Reden mit den Leuten“ gegangen. Und Meltls Bodenständigkeit hilft ihm auch in der Yachtbranche.
Dreißig Jahre nach diesen Anfängen erzielte Bavaria beim Verkauf über eine Milliarde Euro. Eine beispielhafte Unternehmensgeschichte. „Das war ja Wahnsinn“, erzählte Josef Meltl im „Yacht“-Interview, „wie viele Banker uns gegenübersaßen. Die Hälfte von dem, was die erzählt haben, habe ich gar nicht verstanden.“
Seine Bavaria 707 erstand Kevin Müller für rund 9000 Euro. Informationen über den Bootstyp konnte er vorab in einer alten Ausgabe der YACHT finden. „Die Innenaufteilung ist unserer Ansicht nach nicht optimal“, beurteilte Tester Georg Nissen seinerzeit die sich später als Verkaufsschlager erweisende Dinette. Verarbeitung, Deckslayout und Segeleigenschaften befriedigten die Tester hingegen vollauf.
Am Testtag geht es mit Müllers Exemplar von Bavarias Erstlingswerk über den Brombachsee. Das Boot liegt angenehm auf dem Ruder, aber wendet agil – der Konstrukteur hatte auf einen Skeg verzichtet. Damals wurde das noch betont und kaum begrüßt.
Höhe läuft das Boot wenig, aber auch die Segel sind eben original, also Erstausrüstung. Angetan war der Tester seinerzeit vom Decksbelag. Der krümelt nun und führt Kevin Müllers Refit-Liste an. Denn in wenigen Wochen soll es mit dem Trailer nach Korsika gehen, und bis dahin möchte der Eigner das Deck mit elastischem Kunststoff neu beschichtet haben.
Seine To-do-Liste ist aber noch länger. Ein 200-Watt-Solarpaneel auf dem Hubdach, das auch an die Reling gehängt werden kann, soll Strom für eine Kühlschublade liefern. Auch vier selbstholende Winschen will Müller statt der konventionellen Lewmar-Modelle nachrüsten und außerdem größere Klampen anbolzen. Die hatte einst schon YACHT-Tester Georg Nissen als zu klein bemängelt. Wie auch die Beschlagsausstattung. Zwar stammten Blöcke und Klemmen von etablierten Herstellern wie Sprenger in Iserlohn und Nemo in Italien. Hier hatte die Werft nicht etwa gespart, aber eben nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, schließlich waren die Boote selbst im Vergleich mit der Konkurrenz aus Serienfertigung ausgesprochen günstig.
Auch unter Deck soll das Boot noch auf die anstehende Reise vorbereitet werden. Eine kardanische Aufhängung und Topfhalter für den Kocher stehen auf der Wunschliste, was den Schlosser aber vor keine großen Probleme stellt.
Die Polster sind schon in Eigenarbeit neu bezogen worden. Müller hat sich für die Rückenpolster sogar eine Befestigung ausgedacht, die es ermöglicht, schnell an die vielen Stauräume dahinter zu kommen. Dank Federzug-Kordeln, wie man sie von Skiausweisen kennt, schnappen die Polster nun wieder selbsttätig zurück. Ebenfalls bewährt hat sich bereits der elektrische Podantrieb. Für das Mittelmeer kommt allerdings noch ein zusätzlicher 10-PS-Außenborder ans Heck.
Auch auf die Trailerfahrt bereitet Müller das Boot vor: „Der Voreigner hatte das Boot mitsamt dem Alutrailer gewogen, es fehlten leider nur sechs Kilogramm bis zum zulässigen Gesamtgewicht“. Deswegen kommt die Ankerkette auf der Fahrt ins Auto.
Für Kevin Müller war die Bavaria 707 ein Glücksgriff. Motiviert durch die ursprüngliche Pandemie-Idee folgte er in diesem Sommer auch beruflich der neuen Passion und übernahm einen Bootsservice.
Von der Bavaria 707 wurden 1978 bis 1985 etwa 520 Einheiten gebaut, alle mit Matten und Roving abwechselnd laminiert. Die Werft gab seinerzeit 5 Jahre Garantie auf alle GFK-Teile. Schotten und Stringer sind anlaminiert, Das 28 mm-Sandwich-Deck hat Conticell-Einlagen
Dem Konzept des segelnden Wochenendhäuschens zufolge haben viele Gebrauchtboote noch Segel, laufendes und stehendes Gut aus dem Baujahr. Aber die seinerzeit beworbene Möglichkeit zu trailern wurde meist nicht genutzt und so ist die Substanz der angebotenen Gebrauchtboote meist noch gut
Bis auf einen Osmoseschaden sind alle Reparaturen und Modernisierungen in Aufwand und Preis überschaubar. Der Decksbelag krümelt über die Jahre stark, Blöcke, Scheiben und Stopper sind oft zu ersetzen. Ansonsten: Auf Haarrisse und defekte Sandwich-Kerne achten
ohne Abdrift/Strom; Windgeschwindigkeit: 8 bis 10 kn (3 Bft.), Wellenhöhe: ca. 0,2 m * ohne Spinnaker
Die Segeltragezahl ist typisch für kleine Boote mit großer Genua. Die erreichten Geschwindigkeiten sind durchschnittlich
Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V)
Die Bavaria 707 ist ein typischer Kleinkreuzer der 1970er-Jahre mit sehr viel Platz für die Größe, der dank durchdachtem Ausbau wirklich bewohnbar ist und auch mit seinen Segelleistungen überzeugen kann
Gegenüber der älteren K4 hat das Modell „65“ ein selbstlenzendes Cockpit, höheres Süll und eine größere Kajüte. Es gibt eine sehr aktive Klassenvereinigung und einige Klassenregatten.
Zum Markenkern der heute nicht mehr existierenden Werft zählte die Unsinkbarkeit aller Einheiten, die Ausschäumung kam auch bei den kleinen Booten als guter Nebeneffekt der Isolierung zugute.
Als Selbstbauboot konzipiert und mit dem Slipwagen und geringem Gewicht sehr auf Trailertransport ausgerichtet. Ein Wasserballast sorgt beim Segeln für Stabilität. Große Eigner-Community.
Über 20 Jahre entstanden verschiedene Modellreihen: 21, 211, 21.7, 21.7S und eben die 20, nun mit ausgestelltem Großsegelkopf. Sie war eine der Ersten mit Doppelruder und Schwenkkiel, tidetauglich.