TraditionsschiffeDie 10 wichtigsten Segelschiffstypen

Christian Tiedt

 · 13.08.2025

Vereinfachte Darstellung der "Dagmar Aaen" (1931). Der knapp 23 m lange Haikutter hat bereits die Nordost- und Nordwestpassage durchquert. Er gehört dem deutschen Polarforscher Arved Fuchs.
Foto: Christian Tiedt
Wo liegt der Unterschied zwischen zwischen Brigantine, Brigg und Bark? Wir erklären die zehn Segelschiffstypen, die am häufigsten zu sehen sind.

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Masten nicht: Auf vielen maritimen Festivals, vom Hamburger Hafengeburtstag bis zur Hanse Sail in Rostock oder der Sail Bremerhaven, gehören Großsegler und Traditionsschiffe zu den Highlights - besonders, wenn sie Segel am Wind haben.

Die Kombinationsmöglichkeiten bei der Anzahl der Masten und der Art der Segel scheint dabei endlos. Erstere sind schnell gezählt, doch bei den Segeln sieht es anders aus. Dabei gibt es im Grunde nur zwei Typen: Schratsegel, die längsschiffs mehr oder weniger senkrecht gesetzt werden, mal an der Gaffel, mal ohne, und Rahsegel. Im Gegensatz zu den Schratsegeln sind sie rechteckig und werden jeweils von einer beweglichen Rah getragen, die nach dem Wind ausgerichtet werden kann. Dieser Vorgang wird Brassen genannt.

So werden Segelschiffstypen unterschieden

Aus diesen drei Elementen - Masten, Schrat- und Rahsegel - bestehen die Riggs und Takelagen der meisten Traditionsschiffe und Großsegler. Nur ihre Anzahl und das Verhältnis zueinander weichen voneinander ab und führen zu den verschieden Typen, die sich über Jahrhunderte mit speziellen Zielsetzungen entwickelt haben und immer weiter optimiert wurden.

Geschwindigkeit, Besatzungsgröße, Bedienbarkeit und Manövrierfähigkeit waren dabei wichtige Faktoren, Wirtschaftlichkeit und Effizienz standen immer im Hintergrund. In der Folge stellen wir die zehn wichtigsten Segelschiffstypen mit Riggs vor, nach denen sie unterschieden werden können. Von den ganz Kleinen bis zu den ganz Großen.

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1. Der Kutter

Dieser Segelschiffstyp wurde schon früher nicht nur als Arbeitsgerät genutzt, sondern auch für Sport und Freizeit. Aus ihm hat sich die moderne Yacht entwickelt: Der Kutter hat nur einen Mast mit Schratsegeln, zwei Vorsegel (bei größeren Varianten können auch mehr sein) und das Großsegel, bei Traditionsfahrzeugen häufig unterteilt in Gaffelgroßsegel und Toppsegel darüber.

2. Die Ketsch

Wenn die Segelfläche auf mehr als einen Mast verteilt ist, erleichtert das die Bedienbarkeit. Besonders bei der Revierfahrt, wenn aufgrund enger Fahrwasser viele Manöver gefahren werden müssen, spielte dieser Faktor früher eine große Rolle. Deshalb hat die Ketsch sogenannte anderthalb Masten. Ein Stück hinter dem Großmast, aber noch vor dem Ruder, befindet sich der deutlich kürzere Besan, der ebenfalls schratgetakelt ist.

3. Der Schoner

Der Schoner ist vielleicht der bekannteste der Segelschiffstypen, was auch daran liegen dürfte, dass er nicht nur als Küstenhandelsschiff weit verbreitet war, sondern auch auf Geschwindigkeit getrimmt werden konnte, eine Qualität, die ihn in früheren Zeiten sowohl für Gesetzeshüter wie Schmuggler empfahl - und natürlich für den Regattasport.

Das Rigg besteht wie der Ketsch aus zwei Masten mit Schratsegeln, nur das der achtere Mast höher oder mindestens ebenso hoch wie der vordere ist. Auch drei und mehr Masten sind möglich. Rekordhalter war die US-amerikanische Thomas W. Lawson von 1902, mit sieben (!) Masten bei einer Länge von 140 Metern - und nur knapp 20 Mann Besatzung.

4. Die Brigg

Auch die Brigg ist ein Zweimaster. Bei diesem Großsegler sind allerdings beide Masten “voll” getakelt, also mit Rahen geriggt. Der Vorteil: Bei längeren Passagen mit verlässlichen Winden von achtern sind Rahsegel wesentlich effizienter als Schratsegel - und je mehr davon vorhanden sind, desto besser. Damit war die Brigg besonders für Reisen über den Atlantik geeignet, denn auf der Hinweg von Europa konnte auf der Südroute der achterliche Passat voll ausgenutzt werden, auf der weiter nördlichen verlaufen Rückreise von Amerika füllten dann die vorherrschenden Westwinde die Segel der Brigg.

5. Die Schonerbrigg / Brigantine

Die Schonerbrigg, auch Brigantine genannt, verfügt ebenfalls über zwei Masten. Der deutliche Unterschied zu Schoner und Brigg besteht besteht allerdings in der Mischform bei Rigg und Takelage: So führt sie am vorderen Fockmast Rahsegel, der Großmast dahinter ist schratgetakelt. Es ist also, wie der Name schon sagt, ein klassischer Kompromiss unter den Segelschiffstypen: Durch die Rahsegel kann die Schonerbrigg einerseits besser auf Vorwindkursen segeln, als ein Schoner, durch die Schratsegel gleichzeitig aber auch höher am Wind als eine Brigg.

6. Der Rahschoner / Toppsegelschoner

Mehr als eine einzelne Mischform ist der Rah- oder Toppsegelschoner, denn ihn gibt es gleich in vielen verschiedenen Varianten: Der Grundentwurf entspricht dabei jeweils dem eines Schoners mit zwei oder mehr Masten. Um sich aber achterliche Winde ebenfalls besser zunutze machen zu können (bei Manövern kann ein Rahsegel darüber hinaus ebenfalls hilfreich sein), führt er am Fockmast Rahsegel, allerdings nur im oberen Bereich und dann auch in unterschiedlicher Anzahl oder Unterteilung. Bei dreimastigen Schiffen kann auch der zweite Mast in den Toppen Rahen tragen.

Der 113 Meter lange Viermastmarstoppsegelschoner “Juan Sebastián de Elcano”, 1928 als Segelschulschiff der spanischen Marine in Dienst gestellt, ist das derzeit größte in Fahrt befindliche Exemplar von diesem Segelschiffstypen.

7. Die Bark

Bei den Großseglern hat die Bark hierzulande sicher den größten Wiedererkennungswert. Was auch daran liegen dürfte, dass ihre beiden “prominentesten” deutschen Vertreterinnen so geriggt sind: zum einen die “Gorch Fock”, zum anderen die “Alexander von Humboldt” mit ihrem ikonisch-grünen Rumpf. Barken haben drei Masten, wobei an Fock- und Großmast ausschließlich Rahsegel gefahren werden, am Besan ausschließlich Schratsegel.

Der Typ, zu Beginn aus Holz gebaut, später aus Stahl, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert in der weltweiten Frachtfahrt zunehmend populär, da er kostengünstiger war als das komplett rahgetakelte Vollschiff (siehe 9.) - nicht zuletzt, weil für den Schiffsbetrieb eine kleinere Besatzung ausreichte.

8. Die Schonerbark / Barkentine

Analog zur Schonerbrigg ist die Schonerbark eine Mischung aus vollständig rah- und schratgetakelten Masten. Wie die Bark hat sie meist drei Masten, wobei aber nur der Fockmast mit Rahsegeln ausgestattet ist. Auf der Suche nach der wirtschaftlichsten Lösung bei Segelschiffstypen wurde mit der Schonerbark lange experimentiert.

So wurden auch Schonerbarken gebaut, die am Großmast zusätzlich Rahsegel im Topp trugen, oder Viermaster mit einer Kombination zwei Rah- und zwei Schratmasten. Viele dieser Exoten wurden aber nach einer gewissen Zeit wieder in gewöhnlichere Varianten umgeriggt. Im englischen Sprachraum waren solche Kreuzungen auch als “Jackass” bekannt, dem Word für Esel - oder Trottel.

9. Das Vollschiff

Mehr Segel gehen nicht: Das Vollschiff führt an allen drei Masten Rahen. Unter Vollzeug macht das maximal 18 Rahsegel. Addiert man die Schratsegel dazu, kommt man auf knapp 30 Segel. Auf den legendären Teeklippern, den Vätern der modernen Vollschiffe, waren es bei raumem Wind sogar noch mehr, Leesegel wurden an verlängerten Rahen gesetzt, jeder freie Platz für zusätzliches Tuch ausgenutzt.

So ging es um die Welt, die schnellsten Schiffe trugen sogar Rennen gegeneinander aus. Legendär war das britische Duell zwischen der “Cutty Sark” und der “Thermopylae” 1872 auf der Rückreise von China nach England. Nach 117 Tagen ging die Letztere zuerst durchs Ziel - aber nur, weil die Unterlegene schon im Indischen Ozean ihr Ruder verloren hatte und einen Hafen zur Reparatur anlaufen musste. Dennoch lag sie am Ende nur eine Woche hinter der Siegerin. 12958 Seemeilen hatte die Strecke gemessen.

Als gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Frachtsegler immer größer wurden, weil Frachtkapazität immer wichtiger für den wirtschaftlichen Betrieb wurde, kamen auch Viermast- und ein einziges Fünfmastvollschiff in Fahrt: Die “Preussen” der legendären Hamburger Reederei F. Laeisz. Ihr Ende kam, als sie im Ärmelkanal von einem Dampfer gerammt wurde und sank. Dessen Kapitän hatte dem Segler nicht nur das Wegerecht genommen - er hatte auch seine Geschwindigkeit unterschätzt.

10. Die Viermastbark

Unter den Segelschiffstypen stellt sie in vielfacher Hinsicht den Höhepunkt seiner Ära dar: mehrere hundert Viermastbarken waren um die Wende zum 20. Jahrhundert auf allen Weltmeeren unterwegs, brachten Salpeter aus Chile und Weizen aus Australien. Rümpfe und Masten waren da längst aus Stahl. Auch wenn einige Fünfmastbarken vom Stapel liefen, war die Viermastbark der Frachtsegler in Vollendung.

Als ihre Zeit dann in den Zwanzigerjahren im Schatten des weltweiten Dampferbooms zu Ende ging, wurden einige von ihnen zumindest noch zu Schulschiffen, wie die “Passat”, die heute als schwimmendes Denkmal in Travemünde liegt. Andere sind noch in Fahrt. In den Achtzigerjahren baute Japan sogar gleich zwei dieser Schiffe neu, ebenfalls zur Ausbildung. “Nippon Maru” und “Kaiwo Maru” sind damit die jüngsten Schwestern in der langen Geschichte der Großsegler.

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