“Niña” von S&SWie eine Swan, aber aus Holz – 43-Fuß-Slup von Sparkman & Stephens

Jan Jepsen

 · 31.03.2024

Fülliger Spant, kleines Heck: Die 1972 gebaute Slup basiert auf der Grundlage der Swan 43
Foto: Jan Jepsen
Die 43 Fuß lange Konstruktion „Niña“ von Sparkman & Stephens entstand aus Mahagoni auf einer spanischen Werft zu Zeiten, als sich der Yachtbau noch nicht zwischen Holz und Kunststoff entschieden hatte

Sie spricht vom Blindkauf. Und Schockverliebtheit. Und meint: Eine Yacht nach vier Jahren an Land, offenkundig nicht seetauglich, ohne jeden Probeschlag zu kaufen. „Ganz schön bescheuert“, sagt sie selbst und muss es wissen. Denn genau das tat Kerstin Schaefer, Psychotherapeutin aus Hamburg-Altona, im Winter vor fast elf Jahren. Aber sie bereut nichts. Heute nennt sie den Kauf ihrer „Niña“ eine der schicksalsträchtigsten und dabei wunderbarsten Entscheidungen ihres Lebens.

Schon der erste Schlag auf der Elbe, wenige Monate nach dem Kauf. Es ist mal wieder einer dieser norddeutschen Sommer, in denen der Regen selbst im Juli quer fliegt. Sechs Monate nach dem Erwerb der „Niña“ steht Schaefer erstmals hinter dem Rad ihrer Yacht. Bei 5 bis 6 Beaufort gegenan, der Elb­strom mitlaufend, kabbelige See, eigentlich widrige Umstände, und doch ein unglaub­licher Glücksmoment, der die Eignerin unvermittelt im strömenden Regen laut und unkonventionell jubeln lässt: „Boah, ist das geil!“

Eindrucksvolle Geschichte der Sparkman-&-Stephens-Konstruktion vertreibt anfängliche Skepsis der Skipperin

„Das war einfach total einzigartig und erhebend, ja fast schon göttlich“, berichtet Kers­tin Schaefer heute noch mit strahlenden Augen. Der Moment, in dem sie realisierte, dass sich die alte Holzyacht nicht feststampft. Im Gegenteil: Die „Niña“ pflügte geradezu hochmotiviert durchs Wasser, mit acht Knoten über Grund, das Heckwasser dabei gurgelnd hinter sich lassend. Eignerin Schaefer räumt jedoch ein: „Das war nicht immer so, dass ich derart begeistert auf dieses Schiff reagiert habe.“

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Die erste Begegnung im Winter 2009/10 erinnere sie noch gut, als sie zum ersten Mal die 43 Fuß lange Konstruktion betrat. Sie fragte sich, warum zur Hölle sie ihr damaliger Partner in eine dunkle und kalte Werfthalle in Bremerhaven auf diese herunter­gekom­mene Yacht geschleppt hatte. Allein die 30 Jahre alten Polster – Schreck, lass nach – in Altherrenrosa. Klar, schöner, klassischer Riss, ein stimmiger Sprung, kleiner Decks­aufbau, gute Proportionen. Eine gewisse Verwandtschaft zu einer frühen Swan ließ sich kaum übersehen. Allerdings etwas breiter um die Hüften. Ein typischer Rumpf nach der International Offshore Rule; der Heckspiegel aus Mahagoni passte allerdings nicht ins Bild.

Weitere besondere Boote:

Ihre Abenteuerlust und Liebe zu alten Holzyachten (das Paar hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 20.000 Seemeilen mit einem kleinen 5.5er-Seekreuzer von Hatecke ge­segelt) und die eindrucksvolle Geschichte der „Niña“ überzeugten sie dann doch. Und die Tatsache, dass an der 1972 gefertigten Yacht nie größere bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, sodass sich die Substanz weitgehend im ursprünglichen Zustand befand. Dennoch sei das Schiff zum Zeitpunkt des Kaufs alles andere als seeklar gewesen. „Die gesamte Segelgarderobe war rott“, sagt Schaefer. Bei der Innen­reinigung mit Wasserspülung fiel eine Undichtigkeit des Rumpfes im Bereich der Wellenbock­befestigung auf, die sich als schwere Beschädigung des Kiels herausstellte.

Eine Werft musste ran. Der Wellenbock war nach einer Havarie statt mit Zugankern durch die Kielkonstruktion nur mit einfachen Holzschrauben befestigt worden. Eine formschlüssige Verbindung zwischen Rumpf und Wellenbock wurde nicht hergestellt.

„Als Erstes aber flogen die altrosafarbenen Polster mit Spakflecken raus“, erzählt Schaefer. „Dann kümmerten wir uns um die stumpfen, teils mehrfarbigen Holzflächen. Die waren partiell mit Aufklebern, Schildern und Notfallkoffern verschandelt.“ Blinde Glasscheiben in den Schränken wurden ausgewechselt.

Beim Öffnen des elektrischen Verteilerkastens tropfte den neuen Eignern Wasser entgegen. Große Teile der Stromversorgung waren offensichtlich über den Dieselmotor gelaufen. Es gab kein Landladegerät an Bord. Dann die Gasanlage – alles andere als vertrauenerweckend. „Einerseits vor Schreck, anderseits aus Überzeugung haben wir die durch einen Petroleumkocher ersetzt. Das würde ich heute nicht mehr machen. Aber das Schiff würde ich immer wieder kaufen.“

Eine Swan 43 aus Holz mochte Nautor nicht bauen

Die Liebe zu Holzbooten verbindet Kers­tin Schaefer mit dem Ersteigner Hasso Niejahr, der die „Niña“ Anfang der Siebziger als „Señorita“ in Auftrag gegeben hatte. Der Legende nach wurde er eines Tages mit seiner damaligen Yacht „Fiete 3“ zwischen Schweden und den Åland-Inseln von einer Swan überholt, die noch dazu deutlich mehr Höhe lief. Das weckte offenbar Begehrlichkeiten. Niejahr schrieb einen Brief nach Finnland, Adressat Nautor, und wollte wissen, ob ihm die Werft seinen Wunsch erfüllen würde: eine Swan aus Holz zu bauen.

Aber Nautor lehnte dankend ab; die naheliegende Begründung lautete, dass man schließlich für hochwertige GFK-Yachten bekannt sei. Die Finnen ließen sich noch nicht mal auf einen Kompromiss ein, wenigstens den Innenausbau in Mahagoni statt in Teak zu gestalten – eine Swan ist eine Swan ist eine Swan, und kein Bausatz. Da war nichts zu machen.

Herr Niejahr blieb stur und schrieb einen zweiten Brief. Diesmal in die USA: An die Nautorschen Hauskonstrukteure Sparkman & Stephens. Er bat Olin Stephens persönlich, ihn bei seinem Ansinnen doch bitte zu unterstützen. Aber selbst der scheiterte bei Nautor, bot zum Trost aber an, eine modifizierte Mahagoni- und Edelstahlkon­struktion nach Vorlage der Swan 43 umzusetzen, um juristische Probleme mit Nautor zu vermeiden. Für die Umsetzung des Baus empfahl er zwei Holzwerften, die Anfang der siebziger Jahre Lizenzen für S&S-Entwürfe hatten: Matthiesen & Paulsen in Arnis an der Schlei und Carabela bei Barcelona. Die Wahl fiel auf Cara­bela, da die deutsche Werft damals vor einem Bau dieser Größenordnung zurückschreckte, zudem sprach der Wechselkurs für die Spanier. Und der Auftrag­geber Niejahr versicherte dem Werftbesitzer noch, dass die Yacht einen spanischen Namen erhalten sollte, wenn es ein schönes Schiff würde: „Señorita“.

Aus dem Fastnet 1979 ging sie fast unbeschadet hervor

„Soweit mir bekannt ist“, erzählt Kerstin Schaefer, „wurden die Zeichnungen lediglich nur noch einmal für eine Yacht namens ‚Caril­lion‘ verwendet, über die sich heute aber nichts mehr finden lässt.“ Vermutlich ist es umgekehrt, und die „Carillion“ wurde etwas modifiziert, wie ältere Unterlagen nahelegen. Von der Witwe des Ersteigners wisse sie, dass kurz nach Fertigstellung des Baus sogar der inzwischen in Dubai im Exil lebende spanische ehemalige König Juan Carlos an Bord kam, um als Segler zu bestaunen, was für ein prächtiges Schiff in seinem Land gebaut worden war.

Die „Niña“ segelte als Ex-„Señorita“ zunächst zwei Jahre im Mittelmeer und wurde später nach Kiel überführt. Im Rahmen einer Kieler Woche betrat dann auch Olin Stephens höchstpersönlich das von ihm entworfene Schiff. Laut Ersteignerin stand er am Mast, sah nach oben und war alles in allem begeistert. Weniger schön war allerdings, dass der Mahagonirumpf schon nach kurzer Zeit scheckig wurde, weil das verwendete Holz offenbar nicht richtig abgelagert gewesen war.

Zu ihrem vierten Geburtstag bekam die „Niña“ dann ein Kunststoffkostüm – aus kosmetischen Gründen –, segelte die folgenden Jahre Langstrecke und nahm außer Konkurrenz, als Gastschiff, am verheerenden Fastnet Race von 1979 teil. Bei einem Besuch der Ersteignerin, die heute in einem Altersheim lebt, erfuhr Schaefer, dass das Barometer damals wie im freien Fall war. Man habe kaum das Ölzeug rechtzeitig anbekommen. Am Mast stehend, habe sich Frau Niejahr beim Reffen kaum mit dem Mitsegler gegenüber verständigen können. Dennoch ging die Nacht auf der „Señorita“ glimpflich aus, sowohl für die Crew als auch für das Material. Als einziger Schaden war eine zerrissene Fock zu beklagen.

„Niña“ oder „Señorita“ – Hauptsache, spanisch

Später wurde das Schiff an einen Kapitän zur See verkauft, der einen beruflichen Bezug zu Afrika hatte und aus der „Señorita“ kurzerhand eine „African Queen“ machte. Eignerin Schaefer erfuhr von einem Fremden, der sie auf das Schiff ansprach, dass er mal im Rahmen einer Insolvenz-Versteigerung um die „African Queen“ geboten hätte. Aber das sei letztlich ein Steggerücht, sagt sie. Falls es stimmt, sei der Meistbietende jedenfalls ein Immobilienmakler gewesen, der die „African Queen“ viel einhand und bevorzugt in die entgegengesetzte Richtung – in nördliche Regionen wie Island und Grönland – gesegelt habe. Anschließend stand die Yacht etwas verwahrlost bei der Werft Inselmann in Bremerhaven an Land.

Im ersten Winter nach dem Kauf fällt die Entscheidung, dem Schiff seinen ursprünglichen Namen zurückzugeben, erklärt Schae­fer. „‚Niña‘, glaubte ich, waren die Worte des Vorbesitzers, der den Bauort irrtümlich oder absichtlich in Finnland lokalisierte.“ Sofort wurden alle Formalien darauf angemeldet und entsprechende Schriftzüge bestellt. „Den Moment werde ich nie vergessen“, so Schaefer, „als alles erledigt war, die vier Goldlettern zum Aufkleben auf dem schmucken Heck bereit lagen und ich dieses Schapp mit der alten Ablenkungstabelle aus dem Jahr 1982 mit dem Namen ‚Señorita‘ entdeckte. Da weiß man nicht, ob man heulen oder einfach nur lachen soll.“

Kleiner Trost: Immerhin war es Schaefer ab diesem Moment möglich, die Geschichte des Schiffes zu rekonstruieren und Kontakt zu der Ehefrau des Ersteigners aufzunehmen, die das Namensdebakel liebevoll mit einem: „Egal. Hauptsache, wieder spanisch“ guthieß. Geschenkt beziehungsweise Geschichte.

Durch die Übernahme wurde die Miteignerin zur Skipperin

Letzte Reste dieser Ära reichen allerdings in die Gegenwart. Einige Dinge sind immer noch zu erledigen. „Sie geben Hinweise auf die Arbeiten des kommenden Winters“, wie es Schaefer formuliert. Denn Segeln will man ja schließlich auch noch. Das tut sie logischerweise am liebsten, jedes freie Wochenende und in den Ferien. Nach einer turbulenten Trennung von ihrem Partner vor acht Jahren ist das Schiff heute in ihrem alleinigen Besitz.

„Eine echte Pattsituation war das“, schildert Schaefer. „Der eine hatte mehr als 900 Handwerksstunden reingesteckt, der andere ganz viel Geld. Und beide unglaublich viel Idealismus und Zukunftsperspektive. Aber nach einem Saisonversuch als Eigner-Gemeinschaft war klar, dass die getrennten Wege unwiderruflich waren.“

Bis zu der Entscheidung war das Paar immer zu zweit gesegelt. Und Schaefer hatte sich nicht ungern mit dem Posten als Co-Skipperin an Bord arrangiert. Nun aber führte kein Weg daran vorbei: Um das Schiff bewegen zu können, musste auch sie sich bewegen. Mit der Entscheidung zur Übernahme der „Niña“ hatte sie sich zwangsläufig zur Skipperin befördert. „Das war eine ziemliche Herausforderung“, gesteht Schaefer. „Allein die Riesen­genua! Das Schiff hat immerhin am Wind schon mehr Segelfläche als meine Wohnung in Ottensen.“ Außerdem sei Skippern das Gegenteil von dem, was sie beruflich als Psychotherapeutin machen würde: rasche, klare Ansagen an Bord versus Stimmungsbild und Prozessorientierung in der Praxis.

Sparkman-&-Stephens-Konstruktion ist quasi spanische Cousine einer Swan

„Das ist persönlich oft ein Spagat! Ich kann schlecht aus meiner Haut …“ Klar habe sie schon des Öfteren überlegt, sich zu verkleinern. Aber bisher sei ihr noch nichts ins Auge gefallen, was das Verhältnis zu ihrem schönen alten Schiff ernsthaft gefährden könnte. Die „Niña“ sieht nicht nur gut aus, sie segelt auch auf ihre Art konkurrenzlos. Fast majestätisch.

Ihre spanische One-off-Swan, fügt die Hamburgerin in leiseren Worten hinzu, quasi inof­fiziell – denn offiziell dürfe das Schiff nicht so bezeichnet werden. Die Verwendung der Bezeichnung „Swan“ hätte ihr tatsächlich schon mal eine Art freundliche Abmahnung seitens Nautors eingebracht.

Wenn überhaupt, handelt es sich bei ihrer „Niña“ um eine spanische Verwandte ersten Grades. „Aber, ganz ehrlich, Swan hin oder her, letztlich ist es mir auch schnuppe“, versichert die Eignerin. Nach zehn Jahren sei sie unlängst eins mit dem Schiff geworden. Die Konstruktion der Yacht sei nahezu perfekt, war es Schaefers Meinung nach zumindest für ihre Zeit und überzeuge sie bis heute.

Inzwischen sei die „Niña“ wesentlicher Bestandteil ihres Lebenstraums, gesteht Kerstin Schaefer – eine Art Zentralgestirn. Neben Ästhetik und Schönheit legt die Eignerin Wert auf Schlichtheit und Funktiona­lität. Allein die einzigartigen Aufbauscheiben der „Niña“: Die haben nicht nur Facettenschliff, sondern man kann vom Steuerstand in bestimmten Positionen auch in Fahrt unter dem großen Vorsegel durchschauen und die Außenwelt durch die Brechung doppelt bewundern.

„Niña“ ist Treffpunkt für Segelpartner, Ladytörns und Freunde der Sparkman & Stephens Association

Das Wasser rauscht vorbei. Mit 2,40 Meter Tiefgang und Buckeldeck segelt sich das Schiff auch bei Wind und Welle schnell, sicher und aufrecht. Die Selbststeueranlage braucht man kaum, denn die spanische Lady bleibt bei guter Segeleinstellung freiwillig auf Kurs. Unter Deck plätschert das Wasser am Rumpf schwerer, dunkler, irgendwie unaufgeregter als bei Yachten aus Kunststoff. „Der Geruch nach Holz gefällt mir auch sehr. Es sei denn, ich koche lecker!“

Heute bestreitet Schaefer ihre Törns mit wechselnden Crews. Ihr langjähriger Freund und Segelpartner findet dabei ebenso seinen Platz an Bord wie Freundinnen auf einem Ladytörn oder die quer über Europa verteilten Freunde der Sparkman & Stephens Association.

Ganz oft enden auch die Hafenabende mit den Crews der Nachbarschiffe im Cockpit der „Niña“. Resümierend sagt die Psychotherapeutin, ihr Schiff sei für sie ein integrativer Ort der Begegnung, des Austausches, der Kommunikation, des harmonischen Beisammenseins – am allerliebsten in einem abgelegenen kleinen Naturhafen irgendwo in Dänemark. Das Ergebnis ihrer Touren findet sich als öffentlicher Account bei Instagram als „Elbseglerin“. Der Name erweist sich allerdings als Verpackungsschwindel oder Relikt des vormaligen 5.5-KR-Seekreuzers. Was sich dort bewundern lässt, ist ein schöner spanischer „Schwan“ in der Dänischen Südsee, der aber nicht deplatziert wirkt, sondern schnell, sicher und spurtreu. Und das seit fast 50 Jahren. Zu viele Gebrauchsspuren für ein Schmuckkästchen, aber dafür mit dieser gewissen Grandezza altmeisterlicher Schiffsbaukunst.

Technische Daten der “Niña”

  • Konstrukteur: Sparkman & Stephens
  • Werft: Carabela/Spanien
  • Bauweise: Mahagoni formverleimt
  • Baujahr: 1972
  • Rumpflänge: 13,62 m
  • Breite: 3,98 m
  • Tiefgang: 2,40 m
  • Gewicht: 12,5 t
  • Segelfläche: 101,0 m²

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 11/2021 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

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