Von den Toten auferstanden: Was wie ein Wunder klingt, ist wahr, wenn man über die erste „Gorch Fock“ spricht. Ihren Namen hat sie von Johann Kienau, jenem niederdeutschen Dichter, der unter diesem Pseudonym leidenschaftlich über die Seefahrt schrieb und jung im Ersten Weltkrieg in der Skagerrakschlacht fiel.
Mit diesem zivilen Namen hatte die weiße Bark noch Glück, denn nach ihrem Stapellauf im Jahr der “Machtergreifung” wurden die nächsten drei Einheiten ihrer Klasse allesamt nach „Helden“ der NSDAP benannt – Segelschulschiffe machten sich in Friedenszeiten schließlich prächtig als ideologische Botschafter und lieferten gleichzeitig Nachwuchs für den rasanten Aufbau von Hitlers Kriegsmarine.
Doch wie viele der jungen Männer, die auf ihr ausgebildet wurden, überlebte die erste “Gorch Fock” den Krieg beinahe nicht: Seit 1939 diente sie hauptsächlich als stationäres Wohnschiff und gelegentlich als Ausbildungsschiff. 1942 lag sie in Swinemünde, 1944 in Kiel und später vor Rügen. Ausbildungsfahrten in der Ostsee fanden nur noch vereinzelt statt. Am 1. Oktober 1944 wurde die Bark in den Stralsunder Hafen gebracht und mit dem Vorrücken der Roten Armee 1945 schließlich am 27. April außer Dienst gestellt. Am 1. Mai, nachdem sowjetische Panzer bereits in Sichtweite waren, wurde die Gorch Fock gesprengt und sank im Strelasund, wobei ihre Masten sichtbar blieben.
Nach der Hebung folgte jedoch nicht der Abbruch, sondern die Instandsetzung, um künftig als „Towarischtsch“ wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe zu dienen, wenn auch unter Hammer und Sichel. 1957 unternahm sie eine Weltreise - im gleichen Jahr, in dem als „verspätetes“ sechstes Schiff der Klasse eine neue, zweite „Gorch Fock“ für die Bundesmarine in Dienst gestellt wurde, ohne zu ahnen, dass die Vorgängerin ihren Namen einmal zurückerhalten würde.
Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 kam das Schulschiff in den Besitz der ukrainischen Handelsmarine. Als der Betrieb zu teuer wurde, folgte die Außerdienststellung. 1995 erfolgte die letzte Reise vom Schwarzen Meer an die Nordsee nach Newcastle upon Tyne, wo private Sponsoren eine Reparatur planten, die jedoch aus Kostengründen scheiterte.
In zunehmend marodem wurde nach Wilhelmshaven überführt, um als Flaggschiff der Expo 2000 zu dienen. Danach übernahm der Verein Tall-Ship Friends die “Gorch Fock I” mit dem Plan, sie zu retten und zum Museumsschiff in Stralsund zu machen, ihrem letzten Heimathafen unter deutscher Flagge. Die letzte Sanierung erfolgte 2024.
Der Platz am Strelasund hat noch einen weiteren Vorteil: Er ist weit genug von Kiel entfernt, wo die andere “Gorch Fock” zuhause ist. Zu Verwechslungen kann es so nicht kommen...
Seit ihrer Rückkehr aus der Werft im Mai 2024 liegt die Bark direkt im Stralsunder Stadthafen. Aufgrund von Umbauten können derzeit nur die Außenbereiche besichtigt werden. Informationstafeln an Deck erzählen die Geschichte des Großseglers. Abgebildete Knoten laden zum Knotenüben ein. Die zweite Umbauphase soll 2026 abgeschlossen sein. Dann werden auch Innenbesichtigungen wieder möglich sein. Der Verein Tall-Ship Friends arbeitet an der Wiederinbetriebnahme unter deutscher Flagge. Die Fahrtgenehmigung wurde in Aussicht gestellt, erfordert aber Investitionen von rund sechs Millionen Euro.
Öffnungszeiten: 01.04.– 30.11. täglich 10–17 Uhr, 01.12.–31.03.: Sa. + So. 11–16 Uhr.
Preise: Erwachsene: 4 Euro, Kinder und Studenten: 2,50 Euro, Familien: 10 Euro, Kinder unter sechs Jahren frei, Rabatt bei Gruppen.
Anreise per Boot: Citymarina Stralsund, Tel.: 03831/444978