"Moonbeam III"Eleganter Klassiker im Regattazirkus am Mittelmeer

Lasse Johannsen

 · 11.05.2025

Der Schotte William Fife III zeichnete das Schiff. Es gilt als eines seiner Meisterwerke.
Foto: Nico Krauss
Einst und jetzt symbolisiert die „Moonbeam III“ den unaufdringlichen Luxus ihrer Epoche. Sie ist einer der wenigen original erhaltenen Klassiker ihrer Größe aus der Ära vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Bordbesuch im Spätsommer 2018.

Im beschaulichen Hafen Cogolin am Golf von St. Tropez ist Frühlingsstimmung eingekehrt. Der Mistral der vergangenen Tage hat sich gelegt, und während noch die Kühle des Hafenwassers zu spüren ist, wärmt die Sonne bereits von oben. Auf den Schiffen werden Decks geschrubbt, Ausrüstungsgegenstände an Bord getragen, aus allen Richtungen sind aufgekratzte Stimmen zu hören.

An Deck der „Moonbeam III“ herrscht ebenfalls kreatives Chaos. Ein Sprachgewirr aus Französisch, Deutsch und Englisch er­innert an eine Baustelle. Und auch das Schiff selber wirkt eher wie die Szenerie eines Winterlagers. Überall stehen Werkzeugkästen, ganze Rollen von Draht und Tauwerk, Kartons mit den verschiedensten Kleb- und Schmierstoffen.


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Doch das ist kein Wunder. Die „Moon­beam of Fife“, so ihr Rufname, wurde in der zurückliegenden Wintersaison aufwändig überholt. Die edle Yacht – sie gilt nicht nur ihrem Eigner als einer der schönsten Klassiker überhaupt – soll aufgetakelt und auf die anstehende Saison vorbereitet werden. „So ein Boot auseinanderzubauen ist die eine Sache“, sagt Erwan Noblet – der Kapitän ist für die Durchführung der Arbeiten verantwortlich –, „es wieder zusammenzusetzen die andere.“ Weiter kommt er nicht. Erwan wird hier heute überall zugleich gebraucht. Sein Terminplan ist äußerst eng. Nur wenige Tage noch, dann stehen die ersten Regatten auf dem Plan.

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”Moonbeam” ist mehr als ein Arbeitsplatz

Als wäre die Spannung nicht schon groß genug, sind heute Segelmacher, Stammcrew, Eigner und Teile der Race-Crew an­gereist. Alle wollen dabei sein, wenn die ersten Segeltests der Saison absolviert werden. Doch momentan ist an das Auslaufen nicht einmal zu denken.

Den Eigner kann das nicht aus der Fassung bringen. Carsten Gerlach geht seiner professionellen Crew routiniert zur Hand. Der Hamburger Kaufmann hat sie im vergangenen Sommer – seinem ersten an Bord – schätzen gelernt. Sein Vertrauen in die französische Stammbesatzung ist nach dieser Erfahrung nicht zu erschüttern. „Sie lieben das Schiff“, sagt er und berichtet davon, wie Erwan, Sylvain, Merlin und Nathalie sich ohne Worte verständigen, wenn sie die „Moon­beam III“ zu Regattaerfolgen segeln und anschließend aus Jux unter Vollzeug ins enge Hafenbecken einlaufen und dort unter Beifall eine Ehrenrunde drehen.

Alle kommen sie hier aus der Gegend und sind in der Szene zu Hause. Nur auf wenigen Klassikern an der Mittelmeerküste sei die Besatzung schon so lange an Bord wie hier, erzählt Gerlach. „Moonbeam“ sei für seine Crew mehr als nur ein Arbeitsplatz. Als er das Schiff im vergangenen Jahr über ein Auktionshaus ersteigerte, sei das Kennen­lernen daher auch von beiden Seiten mit Spannung erwartet worden.

Was er künftig plane, habe seine Mannschaft gleich als Erstes wissen wollen. Gerlachs Vorstellungen gefielen. Denn sie hatten neben der rein privaten Nutzung eine Menge mit dem Regattazirkus am Mittelmeer zu tun, wo die Crew der „Moonbeam of Fife“ Jahr für Jahr ein großes Renommee verteidigt.

Eigner hat Liebe zu Yachten mit Historie

Gerlach ist keiner, der segeln lässt. „Ich bin mit Booten groß geworden“, sagt er und berichtet von Reisen mit der väterlichen Ketsch in den siebziger Jahren bis zu den Kapverden. „Als ich später in Frankreich Abi­tur machte, erfüllte sich mein Vater mit der 26 Meter langen ‚Javelin‘, 1898 gebaut von Summers & Payne, den Traum vom gaffelgetakelten Klassiker.“

Die 80 Tonnen verdrängende Ketsch ist so etwas wie der Gegenentwurf zu „Moon­beam“. „Aber wir waren viel an Bord im Mittelmeer, und ich habe die Liebe zu den alten, gaffelgetakelten Yachten entwickelt“, sagt Gerlach und dass vor allem die „Moonbeam of Fife“ ihn schon damals fasziniert habe, „weil sie nicht nur wunderschön ist, sondern auch schnell. Und weil sie noch dazu eine ganz besondere Historie hat.“

Nach einer berufsbedingten Segelpause erwirbt der Unternehmer vor einigen Jahren mit der 14-Meter-Slup „Lak II“ die erste Yacht des Barons Bich. Sie ist in der Mittelmeerflotte eine bekannte Größe. Gerlach widmet sich dem Schiff mit Hingabe und fängt sofort wieder Feuer für die Klassiker. Dann aber erfährt er, dass „Moonbeam of Fife“ zum Verkauf steht.

Ihr neuer Eigner ist nicht der Einzige, durch dessen Träume das Schiff geistert. Wann immer von den großen Klassikern aus den Anfängen des internationalen Regattasegelns gesprochen wird, fällt schnell auch ihr Name. Sie trägt ihn seit 1903. Damals läuft sie als Baunummer 491 auf der Werft von William Fife & Son in Fairlie am River Clyde vom Stapel. Fife gilt seinerzeit als einer der renommiertesten Vertreter seines Fachs.

Feinstes Werk von Mr. Fife

Auftraggeber ist der Londoner Rechts­anwalt Charles Plumptre Johnson. Das Mitglied der ehrwürdigen Royal Yacht Squadron möchte mit seiner dritten „Moonbeam“ Regattasilber einfahren. Der Schotte William Fife III erhält den Auftrag, eine nach den neuen Regularien des Royal Ocean Racing Club konkurrenzfähige Yacht zu erschaffen. Die Formel begünstigt schwere Schiffe mit viel Segelfläche und vollständigem Innenausbau. Die „Moonbeam III“ entsteht damals, abweichend vom jetzigen Zustand, als Yawl getakelt und mit langer Pinne.

Die Gesamtlänge beträgt 30 Meter. Der extrem flache Rumpf aus Teakholz- und Ulmenplanken auf Eichenspanten misst über Deck 20 davon, ist 4,75 Meter breit und geht 3,30 Meter tief. Den eleganten Riss kennzeichnen das Flushdeck, der Löffelbug und ein weit überhängendes Yachtheck. Der heutige Segelplan hat eine Fläche von an­nähernd 600 Quadratmetern und bewegt rund 70 Tonnen.

„Moonbeam III“ erfüllt von Beginn an alle Erwartungen und macht gleich in der ersten Saison durch Regattasiege auf dem Solent von sich reden. Eigner Johnson aber erfreut sich seiner Yacht in den kommenden Jahren auch während ausgedehnter Reisen und schreibt mit ihr viele tausend Seemeilen ins Kielwasser.

Das Schiff gilt seinerzeit als eines der feinsten von Mr. Fife, wie Dixon Kemp, der Gründer des Lloyd’s Register of Yachts, in seinem Standardwerk „A Manual of Yacht and Boat Sailing“ in dessen Ausgabe aus dem Jahr 1904 schreibt. Nicht zuletzt, weil der Auftraggeber die dritte „Moonbeam“ luxuriös im Edwardianischen Stil ausbauen lässt.

”Moonbeam II” präsentiert sich wie vor 100 Jahren

Bis heute ist alles noch im Original­zustand erhalten. Über eine gewendelte Treppe geht es unter Deck. Backbordseitig neben dem Niedergang sind Kartenraum und WC untergebracht, auf der Steuerbordseite gegenüber hat der Eigner sein komfortables Reich in Form einer Kabine mit Doppelkoje und üppigem Schrankraum. Im Achterschiff befindet sich eine Gästekammer mit eigenem WC. Das Ambiente im Salon wird von geflammtem Mahagoni, Spiegelschränkchen und grünen Lederpolstern geprägt. Es gibt keinen Pomp, keinen Zierrat – allein diese Stil­elemente vermitteln auf zurückhaltende Weise gediegenen Luxus.

Im Vorschiff sind Kombüse und das Reich der Crew angeordnet, die über einen eigenen WC-Raum verfügt. Ungewöhnlich, dass auch in der Mannschaftsunterkunft mit edlen Hölzern nicht gespart wurde. Bis auf Lederausstattung und Spiegelflächen ist der Ausbaustil der gleiche wie für Eigner und Gäste.

Wieder an Deck, ergibt sich ein ähnliches Bild. Der Blick über das freie Deck ist wie vor hundert Jahren. „Moonbeam“ ist kein überrestauriertes Operettenschiff, ihre Eleganz ist authentisch, angeboren und bis auf den heutigen Tag ungebrochen. Möglich wurde das durch permanente Pflege, den fortwährenden bestimmungsgemäßen Gebrauch und rechtzeitige Refitmaßnahmen. So etwa 1988 bei Camper & Nicholsons und zuletzt 2005 bei Fairlie Restorations in Southampton. Neun Monate lang wurde die „Moonbeam of Fife“ dort in den makellosen Zustand versetzt, in dem sie sich auch heute noch befindet.

Viele Eignerwechsel hat sie über sich ergehen lassen müssen, schlecht behandelt hat sie jedoch keiner. Ihr zweiter Eigner holt die Yacht 1920 nach Frankreich, seither ist – abgesehen von kurzen Gastspielen in Griechenland und England – die Côte d’Azur ihr Heimatrevier. Den Zweiten Weltkrieg überlebt „Moonbeam III“ eingelagert an Land. Seit Ende der Achtziger ist sie am Golf von St. Tropez zu Hause und Dauergast auf den bedeutenden Klassikerregatten des Mittelmeers.

Intensives Refit

Gleich in der ersten Winterpause unter Gerlachs Regie verschwand die „Moon­beam“ an Land unter einem großen Zelt, wo Bootsbauer ihr Unterwasserschiff abzogen, zwei Planken tauschten und einen neuen Farbaufbau herstellten. Vor allem aber widmete sich das Team aus Eigner, Stammcrew, Werftmannschaft und einigen Bootsbauern aus Norddeutschland der Überholung des Riggs. Sämtliche Spieren wurden abgezogen und neu lackiert, die Eisenbeschläge bekamen eine neue Verzinkung und wurden anschließend wieder schwarz gemalt. Vier Monate nahmen die Arbeiten das zeitweilig aus neun Mann bestehende Team in Anspruch.

Auch ein kompletter Satz neuer Segel wurde in diesem Winter maßgeschneidert. Die Garderobe aus 14 Tüchern misst 1595,40 Quadratmeter, so groß wie zwei Handball­felder. Die Arbeiten von Segelmacher Albert Schweizer und seinen Kollegen von der franzö­sischen Segelmacherei Incidence begannen schon vor dem winterlichen Refit, gleich nach der letzten Wettfahrt 2016. Es galt, das gesamte Rigg neu zu vermessen.

„Wir waren volle zwei Tage damit beschäftigt, alle Maße zu nehmen. Dann wurden diese Punkte am Rechner zusammen­gesetzt, sodass am Ende ein elektronischer Segelplan dabei herauskam, wie man das bei einer modernen Yacht auch macht“, sagt Schweizer und dass es danach damit weiterging, sämtliche vorhandenen Tücher ebenfalls zu vermessen. „Die konnten wir dann im Plan abbilden und so die Holepunkte überprüfen und den neuen Segelplan erstellen.“ Geometrie, Profilierung, Verarbeitung, alles sei neu überdacht worden, und zwar unter Einbeziehung der Originalpläne. „Dar­aus haben wir sogar ein paar Segel wieder auf­leben lassen.“

Das machte auch am Schiff Änderungen nötig. Für die ursprüngliche große Genua mussten Unterwanten versetzt werden, für das Toppsegel in seinen Originalabmessungen galt es, neue Spieren herstellen zu lassen; ein Aufwand, der sich laut Schweizer in Geschwindigkeit auszahlen wird.

16 Mitsegler sind bei Regatten absolutes Minimum

Heute nun sind sämtliche Arbeiten er­ledigt, die neuen Segel in überdimensionalen, sandfarbenen Säcken mit Fife-Drachen und Namenszug an Bord gekommen und das Großsegel angeschlagen, was allein einen halben Tag gedauert hat.

Die Crew ist damit beschäftigt, aus der Baustelle ein seeklares Schiff zu zaubern. Dafür wird „Moonbeam“ erst einmal aus­geräumt. Ein Staubsauger findet über die Gangway seinen Weg an Land, ihm folgt ein Lichtstativ und ein XXL-Bandschleifer. Immer deutlicher ist die sich aufbauende Thermik zu spüren, Sonnencreme macht die Runde, letzte Mitsegler treffen ein.

Die Hamburgerin Denise Kretschmer beispielsweise, sie ist Teil der Race Crew, die auf den zahlreichen Mittelmeerregatten die Stamm­besatzung ergänzt. „16 Mitsegler sind absolutes Minimum“, sagt sie und dass sie gern dazugehöre. Kretschmer segelt seit vielen Jahren auf den großen Klassikern. Jeder habe seinen ganz eigenen Charakter, erklärt sie, und dass „Moonbeam“ besonders elegant sei, vor allem aber auch extrem gut zu segeln: „Sie ist unkompliziert. Winschen und Beschläge sind gut angeordnet, und sie ist äußerst belastbar.“ Und nicht zuletzt seien sie im vergangenen Sommer eine wirklich gute Crew gewesen.

Kapitän Erwan Noblet scheint das ähnlich zu sehen. Irgendwann hat er mit seinen Leuten fast unbemerkt zwischen Lunch- und Kaffeepause in einem Zeitfenster von weniger als einer halben Stunde aus der Baustelle ein seeklares Schiff gezaubert.

Als dann endlich alle Leinen gelöst sind und er „Moonbeam“ erstmals wieder hinaus auf den Golf steuert, sind alle erleichtert, dass der arbeitsintensive Winter ein gutes Ende gefunden hat. Mit geübten Händen heißen die Crewmitglieder das gewaltige Gaffel­segel vor, während Carsten Gerlach sein Schiff im Wind hält. Nach einer Weile ist alles Tuch gesetzt. Das im Sonnenlicht lack­glänzende Ruderrad dreht sich mehrfach, „Moon­beam“ fällt ab, neigt sich leicht auf die Seite und nimmt unter dem sanften Druck der Abendbrise nahezu unmerklich Fahrt auf. Eine kaum spürbare Dünung verleiht der eleganten Yacht Lebendigkeit, die ansonsten nahezu geräuschlos das grünliche Wasser des Golfs von St. Tropez zerteilt.

Im zurückhaltenden Mienenspiel des Eigners zeichnet sich ein Lächeln ab. Auch seiner Crew ist die Entspannung anzumerken, die sich während der Metamorphose des Werftliegers zur Segelyacht breitmacht.

Vielleicht sind es Momente wie dieser, die dafür sorgen, dass sich seit mehr als hundert Jahren immer wieder Menschen für die „Moonbeam of Fife“ begeistert haben. Momente voller Vorfreude auf das, was der Segeltag, was der Segelsommer bringt. Momente, in denen eins mit ihr werden darf, wer an Deck dieser besonderen Yacht steht.

Technische Daten der “Moonbeam III”

Riss der “Moonbeam III”.Foto: PrivatRiss der “Moonbeam III”.
  • Konstrukteur: William Fife III
  • Baujahr: 1903
  • Gesamtlänge: 30,94 m
  • Rumpflänge: 20,70 m
  • Wasserlinienlänge: 18,70 m
  • Breite: 4,75 m
  • Tiefgang: 3,29 m
  • Segelfläche: 566 m2
  • Verdrängung: 67 t

Der Artikel erschien zum ersten Mal 2018 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.

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