HistorieDie Entstehung des Ur-Optimist-Pram für Seifenkistenrennen auf dem Wasser

YACHT-Redaktion

 · 05.06.2024

Erste Regatten vor dem Strand von Clearwater in Florida, USA. In den Segeln die Logos der Sponsoren
Foto: Mills Family/Privat
Mit dem Optimist Pram entstand vor 77 Jahren der Ur-Typ des heutigen Optis. Wie eine beispiellose Erfolgsgeschichte begann und woher das Boot seinen Namen hat

Text von Michael Timmermann

Vor 77 Jahren begann die wohl größte Erfolgsgeschichte einer Bootsklasse. Dass der Optimist mit heute geschätzt einer halben Million weltweit segelnder Boote die größte internationale Regattaklasse wurde, verdankt er einer genialen Idee und vielen Zufällen. Dies ist seine Geschichte.

Die Konstruktion der kleinen Segelkiste wurde im Jahr 1947 von dem Bootsbauer Clark Mills in der amerikanischen Kleinstadt Clearwater entwickelt, in Florida am mexikanischen Golf. Den Auftrag zum Bau der ersten Boote erhielt Mills von seinem Freund Major Clifford McKay, Manager des örtlichen Radiosenders TWAN. Als Gastredner im ehrwürdigen Optimist Club of Clearwater hatte McKay dem Verein Wettbewerbe mit kleinen Booten in der geschützten Bucht vor der Stadt vorgeschlagen. Der Optimist Club of Clearwater ist eine wohltätige Organisation, die sich auch heute noch für die Freizeitgestaltung benachteiligter Kinder einsetzt. Und dazu gehörte seinerzeit die Veranstaltung von Seifenkistenrennen in Clearwater.

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Diese Rennen durchzuführen war jedes Mal sehr aufwändig, denn in der Gegend gibt es nur wenige geeignete Berge, und es mussten immer viele Straßen gesperrt werden. Am 14. August 1947 unterbreitete Major McKay dem Club seine Idee, die Seifenkistenrennen aufs Wasser zu verlegen. Sein Vorschlag war es, das Spektakel mit eigens anzufertigenden kleinen Booten auf die weite und geschützte Bucht vor der Stadt zu verlegen. Nach den Vorstellungen McKays sollten diese – wie die bisher üblichen Seifenkisten auch – von einem Vater mit seinem Sohn ohne besondere Kenntnisse und Hilfsmittel in kurzer Zeit selbst gebaut werden können. Kern der Idee war daher die Einfachheit der Konstruktion. McKay ging dabei so weit, dass ihm ein Segel aus Betttüchern vorschwebte. Und schließlich sollte das Boot auch nicht mehr als 50 US-Dollar kosten, denn so viel gab der Verein als Sponsor bis dahin für den Bau einer Seifenkiste.

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V on ihrer Erscheinung her unterschieden sich die ersten Optis noch von den heutigen

Mit diesen Vorgaben stellte Clifford McKay seinen Freund, den Bootsbauer Clark Mills, vor eine große Herausforderung. Nach einigen Versuchen aber gelang ein Entwurf, der die Vorgaben zu erfüllen versprach. Der entscheidende Punkt war eine platte Frontpartie. Die erleichterte den Selbstbau und lieferte trotz der geringen Größe des Bootes den nötigen Auftrieb im Vorschiff. Die Abmessungen der besegelten Seifenkiste ergaben sich aus der Länge der günstigsten Sperrholzplatte. Aus vier Platten von acht mal vier Fuß konnten bei nur geringem Verschnitt ganze drei Boote gebaut werden.

Das Boot wurde auf Englisch Optimist Pram oder nur Pram genannt, weil seine Form mit ihrem platten Bug an die gleichnamigen Transportfahrzeuge erinnert.

Da das Ergebnis schon in der nächsten Versammlung des Optimist Clubs vorgestellt werden sollte, blieben Clark Mills, nachdem er bereits eine Woche auf die Konstruktion verwendet hatte, für den Bau des ersten Prototyps nur noch eineinhalb Tage Zeit. Doch das Vorhaben gelang, und am Nach­mittag des 3. September 1947 konnte McKays elfjähriger Sohn den ersten Optimist Pram auftakeln und in der Bucht vor dem Dunedin Boat Club auf Jungfernfahrt gehen. Sein Vater nahm den Prototyp anderntags mit zur Versammlung des Optimist Club of Clearwater und stellte ihn in der Vorhalle des Hotels „Gray-Moss-Inn“ dessen staunenden Mitgliedern vor. In der anschließenden Abstimmung nahmen sie das Projekt an. Der spätere Opti war geboren. Und sowohl sein Name als auch das Klassenzeichen zeugen noch heute von den Ursprüngen im Optimist Club of Clearwater.

V on ihrer Erscheinung her unterschieden sich die ersten Optis allerdings noch etwas von den heutigen. Die vollständig aus Holz gebauten Boote waren auch nach einer Kenterung schwimmfähig und brauchten deswegen noch keine Auftriebskörper. Aber der Ur-Opti war schon sprietgetakelt, und ungefähr bis zum Jahr 1972 waren Mast, Baum und Spriet aus Holz gefertigt, anfangs auch noch bei den späteren Rümpfen aus Kunststoff. McKay war kein Segler und seine ursprüngliche Idee, das Segel aus einem Betttuch zu schneidern, hatte Mills ihm glücklicherweise bald ausgeredet. Die viereckige Form eines Bettlakens soll Mills aber zur Spriettakelung angeregt haben.

Die Rümpfe wurden von den Seglern selbst lackiert und mit dem Rigg versehen

Die finanziellen Hürden für die angehenden Opti-Segler waren bewusst klein gehalten worden. Clark Mills selbst verdiente am Bau eines Bootes nur fünf Dollar. Und da auch der örtliche Rotary Club gleich zu Anfang zehn der kleinen Schiffe finanzierte, wuchs die Flotte in Clearwater schnell auf mehr als 25 Optis an. Die Rümpfe wurden von den Seglern selbst lackiert und mit dem Rigg versehen. Im Laufe der nächsten Jahre fertigte Mills in seiner Werft insgesamt zirka 200 Optis an. Gegen ein geringes Entgelt verkaufte er die Pläne auch. Lizenzgebühren für Nachbauten hat er niemals verlangt.

Die Rechte hatte er kostenlos an den Optimist Club of Clearwater abgetreten, der nun ganzjährig an jedem zweiten Sonntag im Monat Regatten veranstaltete. Die Meldegebühr betrug einen Dollar pro Jahr und musste vom jungen Opti-Segler eigenhändig verdient worden sein. Am Heck des Optis konnte und sollte der Sponsor, dem die Jolle gehörte, für sich werben. Diese Werbeaufschrift war anfangs das Unterscheidungsmerkmal der Boote und ersetzte die heute übliche Segelnummer. Es gab zwei Wertungsgruppen, und ab 1948 waren auch Mädchen zugelassen. Die Boote waren dabei einem bestimmten Segler zugeteilt, und bei der Siegerehrung wurde der Sponsor zusammen mit seinem jeweiligen Segler genannt. Auch die örtlichen Zeitungen und das Radio berichteten regelmäßig von den Wettbewerben.

Bald luden sich benachbarte Vereine gegenseitig zu Regatten ein. Die Optis wurden dann mit Möbelwagen zum jeweiligen Ort des Geschehens transportiert. Die Wettbewerbe fanden nach festen Regeln statt, die von einer Kommission des Optimist Club of Clearwater festgelegt wurden. Für Segler gesponserter Boote war die Teilnahme an den Regatten Pflicht.

Überall, wo mehr als zwei Boote zusammen auf dem Wasser sind, ist es immer auch ein Rennen

An den Nachmittagen nach der Schule fuhren die Kinder mit ihren Jollen in den Mangrovensümpfen der Bucht vor Clearwater von Insel zu Insel, ohne jegliche Aufsicht und ohne Rettungswesten, denn Westen für Kinder gab es noch nicht. Die einzigen Auflagen waren, dass ein Boot nicht allein auslaufen durfte und die Optis in Sichtweite bleiben mussten. Das Segeln haben sich die ersten Opti-Segler also in völliger Unbekümmertheit selbst beigebracht. Dabei stellten sie erstaunt fest, dass der Opti auch bei mehr als 20 Knoten Wind noch segelbar ist, ohne Schwimmweste, ohne Auftriebskörper und ohne Trainerbegleitung wohlgemerkt.

“Life was simpler“, stellt Clifford McKay in seinen Erinnerungen fest, „das Leben war einfacher“. Und weiter: „In unserer Jugend verbrachten wir beinahe so viel Zeit auf dem Wasser wie an Land.“ Der Wettkampf ergab sich dabei zwangsläufig, denn überall, wo mehr als zwei Boote zusammen auf dem Wasser sind, ist es immer auch ein Rennen. Im benachbarten Dunedin Boat Club gab es schon bald auch die ersten Schulungen im Segeln mit dem Optimist Pram, allerdings noch ohne die heute übliche Begleitung durch den Trainer auf einem Motorboot.

Bis zum Frühjahr 1949 war die Flotte in Clearwater schon auf 29 Boote angewachsen, die in einer Fischerhütte neben dem Dunedin Boat Club gelagert wurden. In der Nacht zum 20. April 1949 brannte diese dann aber vollständig nieder, und alle gelagerten Optis fielen dem Feuer zum Opfer. Das Projekt schien am Ende. Doch der örtliche Radiosender TWAN und die Zeitungen berichteten von dem tragischen Unglück. Die Hilfsbereitschaft war überwältigend. Das Telefon stand nicht still, und innerhalb von nur zwei Stunden kamen das Geld für 43 neue Boote und darüber hinaus weitere 6.000 Dollar zum Bau eines neuen Bootshauses zusammen. Es erscheint paradox, aber der Brand verhalf dem Opti damals zu mehr Popularität.

Der Optimist kommt nach Europa

Im Jahr 1954 fielen die Boote dem dänischen Architekten Axel Damgaard bei einer Reise auf, und er brachte den Bauplan mit nach Dänemark. Im Königlich Dänischen Yachtclub in Kopenhagen wurden nach diesen Plänen die ersten europäischen Optis gebaut. In Paul Elvstrøm, dem international erfolgreichen Segler, fand der Opti dann einen einflussreichen Unterstützer. Dank seiner Hilfe verbreiteten sich die Boote über Skandinavien in ganz Europa.

In Deutschland wurden die ersten Optis ab 1957 von segelbegeisterten Kindern mit ihren Eltern gebaut, erinnert sich Hanse-Gründer Michael „Schmiddl“ Schmidt, der eines der ersten Kieler Opti-Kinder war: „In Vordingborg in Dänemark gab es einen Holzhandel, der ein Paket Sperrholzplatten und die entsprechenden Leisten verkaufte. Dann wurde das Ding nach einer Bauanleitung über Kopf zusammengebaut. Mast, Baum und Spriet waren aus Bambus und sehr haltbar. Für die Segel gab es ein Schnittmuster. Leinen war vorgeschrieben und bei Karstadt zu bekommen. Meine Mutter nähte die mehrfarbigen Bahnen dann zusammen.

An den Wochenenden wurden Regatten gesegelt. Allerdings ging es dabei nicht ganz so offiziell zu wie heute. Die Eltern brachten die Boote von Kiel bis nach Laboe oder Strande. Wir Kinder segelten dann in unseren sechs bis sieben Optis gegeneinander. An den Optis haben wir alles selbst gemacht, und die Boote wurden laufend verbessert, besonders am Rigg, am Schwert und am Ruderblatt.“

Inzwischen schätzt man die Flotte der organisierten Opti-Segler auf 170.000 Boote in 115 Ländern

In der damaligen DDR wurde der Opti erstmals 1962 im heutigen Warnemünder Segelclub gesegelt. Im Vorjahr hatte eine Gruppe junger Segler aus Dänemark an der DDR-Segelwoche in Warnemünde teilgenommen und dem Verein eines der Boote und einen Bauplan zum Gastgeschenk gemacht. In diesen ersten Jahren gab es nur Pläne oder Bausätze in Holz zu kaufen, und es existierten noch viele unterschiedliche Bauformen. Besonders in Skandinavien wurde die Kon­struktion später den Bedürfnissen und Vorstellungen der Opti-Segler entsprechend weiter verbessert. Über die Bauvorschriften herrschte aber nicht immer Einigkeit. Um die Klasse dennoch zusammenzuhalten, wurde 1960 in Finnland die International Optimist Dinghy Association (IODA) gegründet. Unter der Leitung von Viggo Jacobsen wurde das Boot dann 1973 in einem spektakulären nächtlichen Alleingang der IODA in seiner Bauform als „International Optimist Dinghy“ zur verbindlichen Einheitsklasse erklärt. „Clark had built a boat. Viggo had built a Class“, so Robert Wilkes als sein Nachfolger später.

Bis 1985 existierten in den USA zwei unterschiedliche Bauweisen nebeneinander, der Original-„Optimist Pram“ nach dem Vorbild von 1947 aus Clearwater und das in Europa weiterentwickelte „International Optimist Dinghy“. Dessen Abmessungen sind im Wesentlichen die des historischen Vorbildes geblieben. Die Bootsgeschwindigkeit hat sich besonders durch die von Paul Elvstrøm beeinflusste Einführung des ausgestellten und gelatteten Segels entscheidend verbessert.

In den siebziger Jahren hielt Kunststoff als Baumaterial Einzug und wurde wegen des geringeren Pflegeaufwands zunächst vor allem in Segelschulen geschätzt. Die Spitzensegler bevorzugten dagegen noch lange ihre vertrauten und damals leichteren Holzkonstruktionen. Bereits nach sechs Jahren wurden allein in Florida mehr als 1.000 Optis gezählt. Inzwischen schätzt man die Flotte der organisierten Opti-Segler auf 170.000 Boote in 115 Ländern. Insgesamt dürften weltweit eine halbe Million existieren. Zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1972 in Kiel traten fast 300 Optis als Rah­men­programm auf, und Clifford McKay verfolgte das Spektakel am Fernseher.

Viele berühmte Segler haben ihre Karriere im Opti begonnen

Ursprünglich als anfängertaugliches und stabil segelndes Boot für geschützte Gewässer konstruiert, hat sich der Opti durch behutsame Verbesserungen und die Bauweise in Kunststoff mit Alu-Rigg mittlerweile zu einem ausgereiften Sportgerät entwickelt. Konstruktionsbedingt sind dem Geschwindigkeitspotenzial allerdings Grenzen gesetzt. Denn im Wesentlichen ist der Opti das einfache Boot von Clark Mills aus dem Jahr 1947 geblieben, auch wenn es sich inzwischen vom ursprünglich sozialen Projekt zu einer Freizeitbeschäftigung für privilegierte Kreise entwickelt hat.

Anfangs wurde der Opti als Kinderspielzeug belächelt, und auch der Deutsche Segler-Verband war dem Jüngstenboot gegenüber lange Zeit kritisch eingestellt. In seiner mehr als 25 Jahre dauernden Zeit als Vorstand der Deutschen Optimist-Dinghy Vereinigung hat Günther Nülle den Opti aber gegen alle Widerstände zu einem unabdingbaren Bestandteil des Angebotes engagierter Segelvereine gemacht. Aus keiner Segel-Zeitschrift der Welt ist der Opti heute noch wegzudenken. Viele berühmte Segler haben ihre Karriere im Opti begonnen, einem Boot, das wie ein Pferdetrog aussieht, aber dennoch oder vielleicht gerade deswegen weltweite Begeisterung weckt. Die Erfolgsgeschichte des Optis ist beispiellos.

Technische Daten des Optimist Pram

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  • Konstruktion: Clark Mills, 1947
  • Länge: 2,30 m
  • Breite: 1,13 m
  • Tiefgang: 0,65 m
  • Gewicht: ca. 45 kg
  • Segelfläche: 3,5 qm
  • Takelung: Sprietsegel
  • Rumpfform: Knickspant
  • Material: Sperrholz

Renaissance des Ur-Optis: Regattaserie Opti Classics

Der Autor ist seit rund 20 Jahren Opti-Trainer am Starnberger See und Initiator des Fördervereins 1947 Optimist Prahm. Dieser Verein bietet Regattaveranstaltungen nach Art der Segel-Bundesliga auf klassischen Optis an. Dabei werden vom Förderverein sechs Boote gestellt, die in zehn Minuten langen Kurzwettfahrten gesegelt werden. Nach jeder Wettfahrt werden die Boote der Segler untereinander im Losverfahren neu vergeben und getauscht.

Das alternative Regatta-Format soll die Unbeschwertheit und den Geist des ursprünglichen Opti-Segelns vermitteln. Deshalb sind Boote und Segler im Stil der Anfangszeit ausgestattet. Es gibt, wenn es die Wetterbedingungen zulassen, weder Auftriebskörper noch Neoprenanzüge.

Verwendet werden regattatauglich restaurierte Boote, die vor 1995 vorzugsweise in Holz gebaut wurden, jedoch mit einem modernen Segel ausgestattet sind. Rund 20 solcher Optis gehören mittlerweile zur Flotte des Vereins. Segelvereine können bei Interesse eine Regattaveranstaltung beim Förderverein 1947 Optimist Prahm buchen. Infos unter: opticlassics@t-online.de


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