13-Meter-Slup“Italmas” – moderner Klassiker aus Holz

Dieter Loibner

 · 19.11.2023

Vieles anders bei der "Italmas": furnierter Carbon-Baum, geklinkertes Dingi an Davits, ein naturlackiertes Herz-Heck sowie viel Deckssprung
Foto: Billy Black/Van Dam Custom Boats
Der moderne Klassiker „Italmas“ aus den USA zeigt neben exquisitem und detailverliebtem Bootsbauhandwerk in Holz, wie andersartig traditionelle Yachten jenseits des Atlantiks interpretiert werden

Der Amerikaner Bob Grove ist Anfang 70, führt sein eigenes Unternehmen, das metallverarbeitende Betriebe beliefert, und ist ein Mensch, der seine eigenen Wege geht, auch wenn er dafür manchmal gegen den Zeitgeist aufkreuzen muss. Nach Jahren auf Serienbooten wie Columbia 26 oder C&C 33 reifte er zum Holzbootconnaisseur und hat heute zwei schmucke Sonderanfertigungen in seiner Privatflotte. „Ich höre auf den Rat von Experten“, lacht Grove auf die Frage, warum er von GFK zu Holz wechselte, wenn der Trend doch in die umgekehrte Richtung geht. Die Experten, die er meint, hat er vor der Haustür: Van Dam Custom Boats (keine Beziehung zu Van Dam in Holland), eine kleine, auf formverleimte Konstruktionen spezialisierte Werft in Boyne City am Süd­ufer des Lake Charlevoix im US-Bundesstaat Michi­gan nahe der kanadischen Grenze.

Dort ließ sich Grove seine „Italmas“ bauen, die sich schnell als Hingucker etablierte, mit ihrem dunkelgrünen Rumpf, dem rötlichen Mahagoni unter Klarlack, den blitzenden Chrombeschlägen und einer integrierten Spritzkappe, die für geschützte Sitzplätze im Cockpit sorgt. Dieses Edelschiff (ausgesprochen It’lmas) ist eine 13 Meter lange Spirit-of-Tradition-Slup, die traditionelle Optik mit ansprechenden Segelleistungen verbindet, bedingt durch ihre geteilten und profilierten Anhänge und 100 Quadratmeter Tuch, die an einem 21 Meter hohen Holzmast aus Spruce aufgezogen werden.

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Trollblume steht Pate für “Italmas”

Getauft wurde das Boot übrigens von Groves Ex-Gattin, einer Berufsköchin, die aus Udmurtien in Russland stammt und den Namen der dort heimischen goldgelben Trollblume wählte, die während der Blüte Honigduft verströmt. Als Leitbild und Inspirationsquelle für die Konzeption von „Italmas“ fungierte Groves anderes Holzboot, die Elf-Meter-Slup „Star“, die er vor etlichen Jahren von Konstrukteur Fred Ford kaufte, der sich das Boot 1981 bei der damals aufstrebenden Van-Dam-Werft hatte bauen lassen.

„Ich hatte mit Werftchef Steve Van Dam geraume Zeit über ein neues Schiff gesprochen“, erinnert sich Grove, der keinen Gedanken an Ruhestand verschwendet. Dennoch empfahl ihm Van Dam, „bald damit anzufangen, sonst bin ich zu alt zum Bauen und du zu alt zum Segeln“. Der Kiel wurde 2015 gelegt, doch nachdem der Rumpf fertig war, ruhte das Projekt drei Jahre, ehe Grove die Bootsbauer weitermachen ließ. Das hört sich einfach an, doch eine Boutique-Werft mit knapp zwei Dutzend hoch qualifizierten Handwerkern, die ein bis zwei Boote pro Jahr bauen und möglichst viele Dinge in Eigenregie produzieren, muss langfristig planen.

„Es war ein ungewöhnliches Projekt, auch weil Bob mit Herstellungsprozessen und großen Projekten vertraut ist und sich mit Details befasst, die andere Kunden gar nicht auf dem Schirm haben“, sagt Ben Van Dam, der im Unternehmen angelernt wurde und es 2021 gemeinsam mit seiner Frau Erika von seinen Eltern übernahm. „Wenn ein Kunde so tief im Thema steckt, können wir auch mehr ins Detail gehen, wie beispielsweise die Stahlrahmen der Kajütfenster selbst herzustellen. Solange wir bessere Qualität bieten und praktische Gründe liefern, die seinen Vorteil deutlich machen, beauftragt Bob uns mit höchst interessanten Projekten.“

Fahrtenyacht “Italmas” am Huronsee unterwegs

Oberstes Gebot für „Italmas“ war die Beibehaltung der Optik des Van Dam’schen One-offs „Star“ (grüner Rumpf, viel Holz und Lack) und ihres traditionellen Innenlayouts mit Maschine und Stauraum unter dem Cockpit, Lotsenkojen außenbords der Sitzbänke im Salon und einer Eignerkajüte im Vorschiff. Doch das neue modernere Schiff segelt leichtfüßiger als der Langkieler „Star“ dank des geteilten Lateralplans und der großzügigen Segelfläche. Wann er ein Reff einbindet, vermag Grove nicht zu sagen. „Musste ich noch nicht“, gibt er zu Protokoll und lobt die Fähigkeit der Slup, gleichzeitig hoch am Wind und schnell zu segeln.

Auch das allzeit aufgeräumte Deck auf „Italmas“ hat es ihm angetan, weil Großschot und Trimmleinen unter Deck ins Cockpit geführt werden. Natürlich bieten 13 Meter Länge auch mehr Platz, zum Beispiel für einen größeren Kühlschrank und mehr Arbeitsfläche in der Kombüse sowie für eine Dusche mit Stehhöhe, aber eben nicht für alles. Deshalb sucht man im Salon, der in Mahagoni gehalten ist mit einer kontrastierenden Sohle aus hellem Ahorn und Sipo, vergeblich nach einer konventionellen Navi-Ecke mit Sitz.

Für eine Fahrtenyacht wie „Italmas“ hört sich das seltsam an, zumal die fünf Great Lakes im Mittelwesten zu den größten Seen der Welt zählen und eine Gesamtfläche aufweisen, die etwa zehn Prozent des Mittelmeers entspricht, es somit navigatorisch genug zu tun gibt. Aber im Zeitalter der iPad-Navigation verzichtet Grove auf eine Sitzecke für die Kartenarbeit.

Vier bis fünf Wochen maritimen Auslauf gönnt er sich pro Jahr, geradezu fürstlich viel Urlaubszeit für US-Verhältnisse, um bis in den North Channel am kanadischen Ufer des Huronsees zu kreuzen, wo er gern in Buchten ankert, „auch gern mal fünf Nächte am Stück“.

Fünf Lagen Holz bilden die Rumpfschale

Komfort an Bord sei daher eine zentrale Überlegung für den Entwurf gewesen, mit dem er das Büro von Stephens Waring Design in Belfast, Maine, beauftragte. „Italmas“ war das erste gemeinsame Projekt mit Van Dam, nicht aber Neuland. „Wir haben Erfahrung in der Zusammenarbeit mit spezialisierten Werften“, erklärt Konstrukteur Paul Waring. „Van Dam ist dabei ein sehr kleiner Betrieb, der kein eigenes Konstruktionsbüro betreibt, doch in der Werkstatt haben die wirklich alle Fähigkeiten, die man normalerweise von einer viel größeren Werft erwarten würde.“

Grove, der stolz erzählt, dass er seit zwei Dutzend Jahren liebend gern sein geklinkertes Bateka-Dingi rudert, ist nicht nur Holzbootliebhaber, sondern fast schon Purist, wohingegen die Designer von Stephens Waring Design Material-Agnostiker sind, die große Luxusyachten für jedwedes Baumaterial entwerfen. Die Parteien einigten sich auf das Cold-molded-Verfahren, die bevorzugte Konstruktionsweise von Van Dam, wo „Italmas“ aus zwei Lagen kalt verformtem Sipo-Mahagoni in Längsrichtung und drei Diagonallagen roter Zeder gebaut wurde, überzogen mit einer Lage Glasfaser. Purismus hin oder her, in einem Anflug von Pragmatismus stimmte Grove dem GFK-Überzug zu. „In dem Fall habe ich mich auf die Experten verlassen. Ich war mit ‚Star‘ mal gegen ein anderes Boot geraten und trug einen Schaden davon, den die Werft reparieren musste. Wäre der Rumpf mit GFK eingekleidet gewesen, hätte die Sache anders ausgesehen.“

Mix aus bewährten und neuen Materialien

Doch mit „Italmas“ ging Grove noch etwas weiter und akzeptierte den punktuellen Gebrauch von Kohlefaser, beispielsweise als Baumaterial für das Ruder und den Koker und als Verstärkung zum Beispiel für die Aufhängung des Flossenkiels und für die Befestigung von Hebelklemmen am Mast. Der Baum mit integrierter Rollreffanlage sieht von Weitem zwar auch nach Spruce aus, ist aber in Wahrheit aus Carbon gefertigt, das sich unter einem Furnier versteckt. „Während des Baus von ‚Italmas‘ war ich auf ‚Star‘ segeln“, erinnert sich Grove. „Danach habe ich Steve angerufen, der mir ursprünglich einen Kohlefasermast empfohlen hatte, und sagte ihm: ‚Weißt du, ein Holzmast gehört zu den Dingen, die ich auf einem Boot am meisten schätze.“

Grove ließ auch ein Teakdeck verlegen, das dem Boot optisch vorzüglich passt. Dass dagegen ökologische und menschenrechtliche Bedenken durch die politische Situation in Myanmar anzumelden sind, will Waring nicht in Abrede stellen. „Trotzdem ist Teak nach wie vor ein traditioneller Eckpfeiler“, so Waring. „Dieses Holz wird seit mehr als 100 Jahren als Decksbelag eingesetzt, weil es sich vorzüglich für diesen Zweck eignet, eine elegante rutschfeste Oberfläche schafft und auch in verwittertem Zustand noch gut aussieht.“

„Als Konstrukteur kann man ein- oder zweimal vorschlagen, eine nachhaltigere Alternative zu wählen“, sagt Waring, aber am Schluss gebe der Kundenwunsch den Ausschlag. „Es spielt keine Rolle, welcher Belag ausgesucht wird, ob Teak, Zedernholz, Douglasie oder synthetisches Material, wir müssen entsprechende Lösungen parat haben.“

Etwas längere Saison für “Italmas”

Viele Kunden, die wie Grove bei Van Dam bauen lassen, geben ihre Schiffe am Ende der relativ kurzen Saison (Juni bis September) dort auch zum Einwintern und zur pe­niblen Instandhaltung ab. Diese Arbeiten werden in der Regel von der Schwesterfirma Boyne Boat Yard übernommen, die auch das Lager betreibt. Für „Italmas“ kann die Saison aber auch ein wenig länger dauern, was unter anderem dem gelungenen festen Dodger geschuldet ist.

Dieser Dodger hat uns vor Herausforderungen gestellt, weshalb ich mehr Freibord bevorzugte, um das optische Gewicht der Aufbauten besser auszugleichen“, erklärt Waring. Dieser Kniff reduziert die relative Höhe der Spritzkappe, „damit sie nicht aussieht wie ein Wolkenkratzer“, scherzt der Konstrukteur. Zudem entwarf Waring auch ein Schanzkleid, das sich vom Bug nach achtern verjüngt, um den Deckssprung zu akzentuieren und einen Teil des Kajütaufbaus zu verbergen, wodurch die Proportionen gewahrt bleiben. „Der massive Dodger war die beste Idee“, schwärmt Grove. „Den sollten andere kopieren. Wir lagen im letzten Sommer in einer Bucht vor Anker, saßen dabei aber bestens geschützt im Cockpit und konnten so beobachten, wie ein Gewitter um uns herum niederging.“

Hingucker “Italmas”

Grove, der seine zwei Van-Dam-Boote in makellosem Zustand hält, hat große Pläne. „Star“, so sagt er, werde dieses Jahr extra für eine lokale Holzbootmesse gewassert, um gemeinsam mit „Italmas“ ausgestellt zu werden. Danach wandert „Italmas“ in ihre beheizte Lagerhalle, wo über den kommenden Winter Van Dams Handwerker die Beschläge abmontieren, um das Boot von Grund auf neu zu lackieren und den Hinguckerstatus zu wahren.

„Bob kennt sich beim Bau aus und stellt hohe Anforderungen, auch an diverse Details“, lacht Van Dam. „Eines Tages tauchte er in der Werft auf und wies unseren Elek­triker an, die Kabel auf ‚Italmas‘ sauber und parallel zu verlegen. Machen wir ohnehin, aber ein Kunde mit so viel Detailversessenheit passt gut zu uns.“ Ob er in Zukunft nicht doch wieder ein Kunststoffboot in Betracht ziehen würde, das weniger Aufwand bei der Instandhaltung erfordert, lautet die abschließende Frage an Grove. „Nein. Für mich führt kein Weg zurück.“ Und das klingt, als ob er diesmal allein zu diesem Schluss gekommen ist, ohne Experten.


Van Dam: Holz mit ganzer Seele

Der Rumpf entstand aus fünf verschiedenen Holzlagen über einem Positiv-Modell
Foto: Van Dam Custom Boats

Die Geschichte der Werft beginnt in den siebziger Jahren, als Jean und Steve Van Dam in der kanadischen Provinz Ontario hängen blieben, wo Steve eine Lehrstelle bei Vic Carpenter annahm, von dem er den Bootsbau mit kalt verformtem Sperrholz lernte. Dann bauten sie in Harbour Springs ihr eigenes Boot, „Feather“, einen 24-Fußer mit natur lackiertem Rumpf, und gründeten 1977 Van Dam Custom Boats. „Silvan“, ihr erster Auftrag für ein größeres Boot (30-Fuß-Kutter), kam 1979, und dieses Schiff segelt heute noch.

Danach erweiterten die Van Dams ihr Portfolio mit fünf weiteren Segelbooten, darunter „Star“ und der Nachfolger „Stars Echo“, beide von Kon­strukteur Fred Ford. Van Dam verkaufte das Service- und Lagergeschäft, um sich voll auf den Bau von High-End-Holzbooten kon­zen­­trieren zu können, gliederte diesen Geschäftsteil aber bald wieder in eine eigene Tochter­firma (Boyne Boat Yard) ein. Anfang 2021, nach 44 Jahren im Job, gingen Jean und Steve Van Dam offiziell in den Ruhestand und verkauften das Unternehmen, das für exquisite Segelyachten aus Holz bekannt ist, zu denen der Sandbagger „Tattler“ und der 55-Fuß-Day­sailer „Patrician“ zählen. Heute aber stehen elegante Holz-Motorboote im Vordergrund, die zweifelsfrei auch in Saint-Tropez oder am Comer See eine gute Figur abgäben.


Technische Daten der “Italmas”

 | Zeichnung: Werft | Zeichnung: Werft
  • Werft: Van Dam
  • Konstruktion: Stephen Waring Design
  • Material: Mahagoni/Zeder
  • Rumpflänge: 13,40 m
  • Länge Wasserlinie: 10,70 m
  • Breite: 3,80 m
  • Tiefgang: 2,00 m
  • Gewicht: 10,7 t
  • Segelfläche: 100 m²
  • Motor (Yanmar): 53 PS

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