Dieter Loibner
· 24.05.2012
„Heti", die Grande Dame der deutschen Zwölfer, feiert den Dreistelligen. Natürlich erlebte sie Höhen und Tiefen, aber auch so manches Wunder
Makellos weißer Rumpf. Gnadenlos glänzender Lack. Deck aus Oregon Pine. Spieren aus Sitka Spruce. Cremefarbenes Dacron, sauber aufgetucht. Alles eine Orgie für die Sinne. So lag sie da, die Jubilarin „Heti", unter azurblauem Himmel, ganz hinten im Hamburger Sandtorhafen. Als sei es das Selbstverständlichste der Welt, 100 Jahre alt zu werden.
Deutschlands älteste 12-mR-Rennyacht und der derzeit einzig gaffelgetakelte Zwölfer in der Ostsee hat sich längst als ein Symbol der Klassiker-Renaissance etabliert, aber auch als Exempel hanseatischer Bootsbaukunst. Die gestrige Feierstunde verdankt sie vielen und vielem, aber vielleicht am meisten der Kunst des Überlebens, die guten Booten eigen ist, die nach guten Eignern Ausschau halten. Neben zahlreichen Regattasiegen liegen auch zwei Weltkriege, Depressionen, Kollisionen und mehr als nur ein abgesegelter Mast in ihrem Kielwasser
Benannt ist das Schiff nach Hedwig (Heti), der Tochter des ersten Eigners, Hermann Eschenburg. Konstruiert und gebaut wurde sie nach der sogenannten First Rule der Meterklassen vom genialen Hamburger Konstrukteur Max Oertz, der auch gigantische Rennyachten wie Krupps „Germania“ oder die beiden berühmten „Meteore“ des Kaisers entwarf. Genetisch war das Boot also von Anfang an zum Siegen verdammt. Dies tat sie oft genug, doch es verhinderte nicht, dass sie von den Stürmen der Zeit umhergetrieben wurde. An den Berliner Wannsee. An die Ostsee. Nach Italien und wieder zurück nach Hamburg. Auch bei der Hanseatischen Yachtschule in Glücksburg tat sie mal Dienst
Im Laufe der Jahre musste sie mal einen Besan ertragen oder eine Hochtakelung. Auch ein „Leichentuch“ aus Polyester wurde außen an den Mahagoniplanken aufgezogen. Selbst als Hausboot war sie mal in Gebrauch. Stoisch ertrug „Heti“ unter verschiedenen Namen wie „Traum“, „Romeo“ oder „Seeschwalbe“ die Schicksalsschläge, bis sie im Jahr 1999 schließlich wieder Hamburger Wasser unterm Kiel hatte, als mastloses, aber schwimmfähiges Wrack, das im Binnenhafen auf seine Generalsanierung wartete. Doch bevor es so weit war, musste ein wahres Wunder geschehen. Denn Arbeiten dieser Größenordnung brauchen einerseits viel Geld und andererseits Menschen, die bereit sind, viel Zeit opfern.
Das darbende Schiff wurde von der Stiftung Hamburg Maritim (SMH) übernommen, die gemeinsam mit dem Verein Freude der Segelyacht Heti die nötigen Sach- und Finanzmittel (die Rede ist von mindestens 600.000 Euro) zur Verfügung stellte, mit denen dieser Zwölfer erst fachgerecht und originalgetreu restauriert werden konnte, und zwar als Ausbildungsmaßnahme des Vereins Jugend in Arbeit Hamburg.
Aber ein Schiff braucht eine Bestimmung. „Sie ist ein Therapieschiff“, erklärt Sven Klingenberg, einer ihrer ehrenamtlichen Skipper, der die Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten leitet, „gedacht für Leute die sich eine Auszeit gönnen oder sich umorientieren wollen.“ „Hetis“ Eigner ist die SHM, doch gesegelt wird sie von ihren 15 Eignern, die sich im Verein Freunde der Heti zusammengefunden haben und den Betrieb finanzieren. Es seien noch Plätze frei in der Gemeinschaft, meint Klingenberg. Ein „No-Brainer“ sei so eine Mitgliedschaft, „denn der Jahresbeitrag kostet genau so viel wie eine Tagescharter".
Natürlich stand das Boot bei den Feierlichkeiten im Rampenlicht, doch dabei wurden auch jene nicht vergessen, die sie im Laufe des letzten Jahrhunderts am Leben erhielten. Denn nur so konnte das Sprichwort tatsächlich wahr werden, dass gute Schiffe auch gute Eigner finden. Und deren, so scheint es, könnte „Heti“ noch mehr vertragen, auf dass sich Klassikerfreunde weiterhin an der Opulenz dieser exquisiten Yacht erfreuen mögen.
Lüa: 23,00 m
Rumpf: 18,60 m
LWL: 13,24 m
Breite: 3,50 m
Tiefgang: 2,80 m
Verdrängung: 27 t
Max. Segelfläche: 357 qm
Werft: Oertz-Werft Hamburg
Baujahr: 1912
Baumaterial: Mahagoniplanken auf Holz- und Stahlspanten
Konstrukteur: Max Oertz
http://www.heti-12mr.de