“Wonderful”Gunboat 72 mit Flybridge wie eine Dachterrasse im Speedrausch

Martin Hager

 · 19.05.2024

Näher an der Natur: Mit Wind im Gesicht lässt es sich auf der Flybridge hervorragend steuern, während die Gäste dahinter die Reise genießen. Die Segel können bequem über die vier Harken-Winschen getrimmt werden
Foto: Gilles Martin-Raget/Gunboat
Mit dem 22 Meter langen Gunboat 72 „Wonderful“ machten die Carbon-Experten der Grand-Large-Yachting-Gruppe einen Eigner glücklich. Er wünschte sich einen Gunboat-Kat mit Flybridge – ein Novum! Der 29 Tonnen verdrängende Zweirumpfer ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme-Erscheinung

Unter Seglern genießen Multihulls – insbesondere Katamarane – wahrlich nicht das höchste Ansehen. Am Steg fallen häufig Adjektive wie träge, langsam oder unförmig. Neben den vermeintlich schlechten Segeleigenschaften fallen die Zweirumpfer besonders durch ihre meist klobige und wenig aerodynamische Kastensilhouette auf, die zwar optisch nicht viel hermacht, jedoch klare Vorteile bietet.

Großformat-Kats von Werften wie Sunreef, Lagoon oder Fountaine Pajot fungieren überwiegend als fahrende Appartements mit großartigem Platzangebot und weniger als sportlich segelnde Reiseplattformen. Das könnte man im Prinzip so stehen lassen, gäbe es nicht die Marke Gunboat, die guten Gewissens als Mehrrumpf-Äquivalent zur finnischen Carbon-CustomSchmiede Baltic Yachts anzusehen ist. Nicht nur die Bauqualität ist erstklassig, auch preislich liegen die Modelle der französischen Werft rund 100 Prozent über den Mitbewerbern.


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Aktuell entstehen in den Werfthallen in La Grande-Motte drei bis vier Neubauten pro Jahr. Drei Einheiten umfasst das Portfolio: Gunboat 68, 72 und 80. Der für die Produktionsabläufe verantwortliche Chief Operating Officer der Werft, William Jelbert, erklärt: „Wir legen keinen Wert auf Massenfertigung und haben auch nicht vor, die Kapazität zu steigern. Wir wollen exklusiv bleiben, die bestmögliche Qualität liefern und weiterhin individuelle Kundenwünsche realisieren.“

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”Wonderful” ist das erste Gunboat 72

Genau das taten sie auch bei „Wonderful“, dem ersten Gunboat 72. Der segel­erfahrene Eigner wusste genau, was er wollte. Die Performance und Stabilität eines Gunboat, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied im Layout: einer Flybridge! Bis dato ließ der mit der Marke verbundene Leistungsanspruch eine segelnde Dachterrasse nicht zu, die Werft lehnte stets ab. Das konnte sie auch, denn ein Großteil der Kunden kommt aus dem Regattabereich und setzt auf hohe VMG und erstklassigen Segelspaß. So lieferten die Multihull-Experten mit „Sea Tilt“ die Baunummer 03 des Gunboat 68 an einen Regattaprofi, der eine Fülle an Erfahrungen in Offshore- und Küsten­regatten mit sich bringt, darunter Mini-Transat- und Solitaire-du-Figaro-Teilnahmen und ein starkes Engagement in SailGP-, Olympia- und America’s-Cup-Teams.

Auch der Schotte Lord Irvine Laidlaw misst sich gern seglerisch und steuerte die letzten 20 Jahre eine ganze Flotte an performanten Maxi-Yachten mit dem Namen „Highland Fling“ über die Kurse. Der mittlerweile 81 Jahre alte Regatta-Fan wechselte aus Komfortgründen auf zwei Rümpfe von Gunboat, wie er im YACHT-Interview unten erklärt. Bei Seglern dieses Kalibers ist es verständlich, dass ihre Multihulls dank Kohle­faser-Leichtbau und leistungsstarkem Rigg-Paket für pure Segelfreude konzipiert wurden – auch im zwanglosen Cruising-Modus. Der „Wonderful“-Eigner hingegen hat es gern etwas entspannter. Er wünschte sich viel Wohnraum und eine Fly mit großflächigen Lounge-Bereichen und einem zentralen, mittig installierten Steuerstand.

Um das höhere Gewicht des Sonnendecks zu kompensieren, erarbeitete das bewährte Konstruktionsteam, bestehend aus Gunboat-Ingenieuren, dem Studio von Marc Van Peteghem und Vincent Lauriot Prévost (VPLP) sowie den Exterieur-Designern Christophe Chedal Anglay und Patrick le Quément, einen Kat, dessen scharf geschnittene Rümpfe mit Wave-Piercing-Steven im Vergleich zum Gunboat 68 deutlich mehr Volumen bieten. Zudem sorgen 30 Zentimeter mehr Breite für ein größeres aufrichtendes Moment.

Um den Worst Case zu vermeiden, ist jeder Gunboat-Kat mit dem UpSideUp-System ausgestattet

Das ist bei Gunboat-Formaten durchaus sinnvoll, sind die Carbon-Bauten im Gegensatz zu den meisten Cruising-Kats der namhaften Serienhersteller doch in der Lage, auch auf einem Rumpf zu segeln – Strandkat-Feeling im XXL-Format sozusagen. „Wir bauen unsere Modelle so leicht, dass der Druck im Rigg unmittelbar in Vorwärtsbewegung umgewandelt wird, weswegen es echt schwer ist, sie zum Kentern zu bringen“, erklärt William Jelbert während der Tour über „Wonderful“. „Um den Worst Case zu vermeiden, ist jedes unserer Schiffe mit dem UpSideUp-System ausgestattet.

Diese elektronische Sicherheitseinheit misst kontinuierlich die Lasten im Rigg und die Krängung des Kats und fiert ab einer zuvor definierten Grenze automatisch die Großschot.“ Für Spurtreue und minimale Abdrift des 29-Tonners sorgen ausfahrbare, gerade Carbon-Schwerter, die mit ihrer asymmetrischen Profilform zusätzlichen Auftrieb generieren.

Selbstverständlich geht es den meisten Gunboat-Eignern nicht nur um die Freude am schnellen Segeln, auch der Komfort und das Raumangebot müssen stimmen. „Der 72 wurde mit einem Cruising-Fokus konzipiert“, so William Jelbert. „Ganz im Gegensatz zum Gunboat 68 und 80, die besonders Performance-orientierten Eignern auf den Leib geschneidert wurden.“

Für das Interieur zeichnete Isabelle Racoupeau verantwortlich, die fließende Übergänge zwischen den Lebensräumen kreierte und ein dynamisches und helles Wohnambiente realisierte. So geht das große und vollständig von der Fly überdachte Achtercockpit ohne Stufe in den Salon über, der backbords von einer Küchenzeile dominiert wird.

Der „Wonderful“-Eigner hingegen wählte das Minimal-Setup am Steuerstand

Ein zentral platzierter Tresen dient als Raumteiler und Stauraum für eine Kühl- und Gefrierschrankbatterie und wird sowohl als Bar als auch zum Vorbereiten der Speisen genutzt. Der großzügige Lounge-Bereich gegenüber besteht aus einem L-förmigen Sofa plus Couchtisch; einem Stockbett gleich schließt sich eine unmittelbar am Fenster platzierte Chaiselongue an. „Einer der besten Plätze an Bord“, schwärmt Produktionsleiter Jelbert. In der Standardversion findet sich ganz vorn im Salon ein kompletter Steuerstand inklusive Rad und aller Instrumente. Der „Wonderful“-Eigner hingegen wählte das Minimal-Setup, bestehend aus Kartentisch, B&G-Kartenplotter plus Autopilot, Funkgerät und Kommandogeber für die zwei 110 Kilowatt starken Dieselmotoren. So wirkt der Salon noch luftiger als ohnehin. Die XL-Fensterpaneele des Aufbaus sorgen für einen lichtgefluteten Raum und besten Überblick.

Das Steuern und der Trimm der North-Sails-Garderobe finden am Flybridge-Steuerstand statt, auch hier wählte der erfahrene Eigner statt eines standard­mäßig verbauten Doppelsteuerstandes die zen­tral platzierte Einzellösung. So bleibt ihm und seinen Gästen mehr kostbarer Raum an der frischen Luft.

Der 29 Tonnen leichte Gunboat 72 ist der SUV des Werft-Portfolios

Bei der Aufteilung der Kabinen haben Gunboat-Kunden eine Vielzahl an Optionen. Auf „Wonderful“ findet sich die großzügig geschnittene Eignersuite mit angrenzender Dusche und Toilette im Steuerbordrumpf achtern, Fensterbänder auf zwei Seiten sorgen für eine tolle Aussicht aus dem Bett. Den Bugbereich nimmt eine Gästekabine mit Doppelbett ein. Gegenüber im Backbordrumpf bewohnt die zweiköpfige Crew den Bug, eine Gästesuite liegt unmittelbar dahinter. Vip-Gäste oder besonders gute Freunde des Eigners beziehen eine geräumige Unterkunft mit eigenem Niedergang im Heck. Zwischen den Rümpfen vergrößert eine hydraulische Badeplattform das Cockpit und dient als Lift für den 500 Kilogramm schweren Highfield-Tender.

Dass sich Performance und Komfort nicht ausschließen, erlebt, wer Gunboat für den neuen 72 mindestens 10,5 Millionen Euro überweist. William Jelbert umschreibt den hybriden Charakter so: „Unsere Gunboat 68 und 80 sind wie ein Porsche 911 – schnell, sportlich, sexy. Der Gunboat 72 hingegen ist wie ein Cayenne, er ist der SUV unseres Portfolios – konzipiert für bequemes Reisen bei hohen Geschwindigkeiten, garniert mit einer Menge Segelspaß.“


Technische Daten des Gunboat 72 “Wonderful”

 | Zeichnung: Gunboat | Zeichnung: Gunboat
  • Länge über alles: 22,00 m
  • Länge (Wasserlinie): 20,00 m
  • Breite: 9,40 m
  • Tiefgang: 1,70–3,80 m
  • Verdrängung (leer): 29 t
  • Material: Carbon/GFK-Sandwich
  • Motoren: 2x Yanmar
  • Motorleistung: 2x 110 kW
  • Mast: Lorima
  • Masthöhe: 32,60 m
  • Segel: North Sails
  • Segelflächen: 288 m² (Groß + J3), 250 m² (Groß + J2), 450 m² (Groß + A3)
  • Winschen: Harken Performa
  • Anti-Kentersystem: UpSideUp Easy
  • Kraftstoff: 2x 650 l
  • Wasser: 2x 420 l
  • Navigation: B&G
  • Konstruktion: VPLP, Gunboat
  • Exterieur-Design: Christophe Chedal Anglay, Patrick le Quément
  • Interieur-Design: Isabelle Racoupeau
  • Werft: Gunboat, 2023
  • Startpreis: ab 10,5 Mio. Euro

Interview mit Lord Irvine Laidlaw: “Ich möchte andere Eigner ermutigen”

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Foto: Studio Borlenghi/Giulio Testa

Lord Irvine Laidlaw sorgt im Maxi-Zirkus für Aufsehen mit seinem Gunboat 80 „Highland Fling XVIII“. Der 81-jährige Schotte ist einer der ersten Monohull-Eigner, die aus Komfortgründen auf zwei Rümpfe wechselten

Ein ungewohntes Bild ergab sich zum 2023er Maxi Yacht Rolex Cup in Porto Cervo: Zweirumpfer haben an der Pier des Yacht Club Costa Smeralda festgemacht. Einer fällt besonders auf: der Ferrari-rote Gunboat 80 mit prominenter Provenienz. Es ist „Highland Fling XVIII“ von Lord Irvine Laidlaw. Der schottische Baron steuert den Kat bei Regatten weiterhin nach den Regeln der International Maxi Association selbst, zur Race-Crew gehören Segelhelden wie der französische Multihull-Veteran Loïck Peyron. Kurz vor dem Auslaufen gab der leidenschaftliche Regattasegler Laidlaw der YACHT im Cockpit ein Interview.

Lord Laidlaw, wann hat Sie der Katamaran-Virus gepackt?

Lord Irvine Laidlaw: Ich habe mit 15 „Highland Flings“ mit nur einem Rumpf an Regatten teilgenommen. Hier [in Porto Cervo] sind zwei davon, „Moat“ und „Django Unchained“. Ich fing an, mir aus zwei Gründen Sorgen zu machen. Erstens: Wenn ich mich auf einem Boot von einer Seite zur anderen bewegte und es nicht absolut richtig timte, wurde das Klettern auf die hohe Kante zu einem Kampf. Außerdem, und das ist noch wichtiger, hat die IMA [International Maxi Association], wie ich finde, eine gute und großzügige Zeitspanne festgelegt, um das Ruder zu verlassen, was ich, ehrlich gesagt, auch brauche, also zehn Minuten in der ersten Stunde und 30 Minuten in den folgenden Stunden.

Ich nutze die 30 Minuten nicht, aber die zehn Minuten machen wirklich einen Unterschied. Auf einem Einrumpfer kann man sich nur hinter die Reling quetschen, da ist nicht wirklich genug Platz. Während der zehn Minuten macht man wahrscheinlich eine Wende oder zwei, also muss man kreuzen, sich wieder hinsetzen, und man kommt nicht zur Ruhe. Das Kurshalten ist eine Art Balanceakt, man muss sich ständig festhalten. Kurzum, ich wollte mein Leben als Regattasegler verlängern. Auf einem Einrumpfboot könnte ich heute noch segeln, aber ich mache mir Sorgen um die nächsten zwei Jahre. Da wird es nicht besser.

Dann kamen die Kats ins Spiel.

Ich überlegte mir, ob das besser wäre, denn die schieben natürlich weniger Lage. Und man kann in den zehn freien Minuten direkt hier [im Cockpit] sitzen. Jemand kann einem sogar einen Kaffee machen, das ist Luxus. Um das auszuprobieren, kaufte ich einen Gunboat 68. Es war nicht ganz das Boot, das ich wollte, aber es verbesserte Dinge, die mich am Einrumpfboot gestört hatten. Nun ja, und man fährt schnell, was Spaß macht. Schließlich landete ich bei einer Kat-Länge von 80 Fuß, was ein guter Kompromiss zu sein schien. Da es sich bei dem Gunboat 80 um ein brandneues Design handelt, durften wir mit VPLP Rümpfe und Schwerter auswählen. Es ist nicht wirklich ein Serienmodell.

Welche Besonderheiten gab es beim Bau zu beachten?

Das Deck wurde bei Multiplast in der Bretagne und der Rumpf bei Fiber Mechanics in Lymington hergestellt. Alles ist aus Prepregs. Wir haben die Hydraulik aufgerüstet, das Boot voll auf Racing getrimmt und unsere 40-jährige Erfahrung mit Regattayachten eingebracht. Wir haben zum Beispiel diese Stufen angeregt, um besser von den Laufdecks ins Cockpit zu gelangen. Man muss also nicht über die Stufen achtern und das Arbeitscockpit gehen, das mit Seilen übersät ist. Das ist gefährlich.

Aber Sie haben sich gegen den für Gunboat typischen Innensteuerstand entschieden.

Alle 68er hatten das ursprünglich, und ich sagte, dass ich innen auf keinen Fall Rennen steuern kann. Also bestanden wir bei unserem 68er auf zwei Räder weit außen. Abgesehen davon, dass der Mast dort auf dem 68 genau im Weg ist, muss man doch in die Segel sehen können.

Wie ist das geschätzte Verhältnis zwischen Fahrten- und Regattasegeln bei der neuesten „Highland Fling“?

Null Prozent Cruising. Ich habe eine große Motoryacht, die 68-Meter-Feadship „Lady Chris­tine“. Vor 20 Jahren beschloss ich, nicht mehr auf Segelbooten cruisen zu gehen. Sie sind nicht bequem. In England nutze ich zum Regattasegeln die Spirit 52 „Oui Fling“.

Waren Sie daran beteiligt, dass die Katamarane beim Maxi Cup starten durften?

Die IMA war extrem hilfreich, allen voran deren Generalsekretär Andrew McIrvine, aber auch der YCCS-Kommodore Michael Illbruck. Jetzt, da wir damit angefangen haben, müssen wir mehr Leute ermutigen, sich der Klasse der Big Racing Cats anzuschließen. Es ist fabelhaft, die anderen hier zu sehen.

Ihr Gunboat 80 schießt auf einem Rumpf durch die See. Wie beugen Sie Kenterungen vor?

Wir haben eine automatische Großschotauslösung. Die Krängung ist aktuell auf 20 Grad eingestellt, ein Sensor am Masttopp informiert über die Lasten im Rigg. An dem Tag, als ich das erste Mal rausging, wehte es mit 27 Knoten. Wir haben dreimal ausgelöst, einmal manuell vom Groß-Trimmer, dann durch die Krängung und das dritte Mal aufgrund zu hoher Lasten. Es funktioniert sehr gut. Wir können alles genau einstellen, auch die Ver­zögerung. Etwa, dass erst ab mehreren Sekunden auf 23 Grad Lage automatisch gefiert wird. Dank kräftiger Hydraulik­zylinder können wir das Groß danach wieder sehr schnell dichtholen.

Foiler krängen noch weniger. Haben Sie auch über eine „Highland Fly“ nachgedacht?

Wir haben uns Foiler angeschaut. „Flying Nikka“ wurde unabhängig vom Handicap gebaut, wir wollen aber an Regatten mit Vergütung teilnehmen. Also entschieden wir uns für gerade, asymmetrische Schwerter, nicht gekrümmt oder L-förmig. Obwohl sie uns Auftrieb gegeben hätten, bringt das unter 16 Knoten nichts.

Wie sehr haben Sie „Highland Fling XVIII“ in den letzten Tagen gepusht?

Wir erreichten 27 Knoten bei gut 25 Knoten wahrem Wind. Aber wir haben ja nur trainiert und wollten keine Rekorde aufstellen.


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